Aus Sicht der Kinderrechte
Deutsch im Schulhof als politischer Pausenfüller

Wie sinnvoll ist es, eine Sprache vorzuschreiben, die Kinder und Jugendliche im Pausenhof sprechen sollen? Die Debatte ist wieder neu entflammt. | Foto: Panthermedia
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  • Wie sinnvoll ist es, eine Sprache vorzuschreiben, die Kinder und Jugendliche im Pausenhof sprechen sollen? Die Debatte ist wieder neu entflammt.
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Spätestens seit der neuen politischen Zweckehe zwischen ÖVP und FPÖ in Niederösterreich ist die Diskussion um Deutsch als "Amtssprache" in den Schulhöfen wieder aktuell  befeuert worden. Neu ist die Debatte allerdings ganz und gar nicht. Schon vor Jahren sorgten ähnliche Vorstöße – sogar direkt aus der steirischen Bildungsdirektion – für Aufsehen. MeinBezirk.at hat nachgefragt, was aus kinderrechtlicher Sicht von der Kontroverse zu halten ist.

STEIERMARK. Nur mehr Deutsch im Schulhof? Ansätze in diese Richtung gab es bereits mehrfach. So wurde in Oberösterreich vor Jahren unter Schwarz-Blau die Idee geboren, Deutsch als Pausensprache einzuführen. Einzig, dieser Vorstoß scheiterte am Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts. Ähnlich wenig Aussicht auf Erfolg dürfte demnach der jüngste derartige Versuch aus der Neo-Koalition in Niederösterreich haben. Hier wollen die Regierungspartner ÖVP und FPÖ bekanntlich Deutsch auf dem Schulhof über die Hausordnungen durchsetzen.

Diskussion ist nicht neu

Auch in der Steiermark hat es bereits ähnliche Vorhaben gegeben. So stieß die damalige und aktuelle Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner bereits 2015 das Thema  "Deutsch-Pflicht in Schulhöfen" an. Im Sog der niederösterreichischen Debatte nimmt die Frage nun auch in der Steiermark wieder an Fahrt auf. So postete etwa der Grazer Bildungsstadtrat Kurt Hohensinner seine Meinung kürzlich auf facebook und macht darin kein Hehl daraus, dass er einer derartigen Regelung positiv gegenübersteht:

Aufgelegt ist das Thema freilich für die Freiheitlichen, die nun ebenfalls auf den Zug aufspringen und eine Deutschpflicht am Schulhof fordern und dazu einen erneuten Antrag im Landtag stellen wollen. "Das Argument, dass eine Deutschpflicht am Schulhof andere Kinder ausgrenze, ist absoluter Unfug. Vielmehr führt das Sprechen von verschiedenen den Lehrern und heimischen Schülern nicht verständlichen Sprachen zu Missverständnissen, Gruppenbildungen oder Konflikten", so FPÖ-Bildungssprecher LAbg. Stefan Hermann.

Die steirischen Freiheitlichen, allen voran Bildungssprecher Stefan Hermann, fordern einmal mehr die fixe Verankerung einer Deutschpflicht am Schulhof. | Foto: FPÖ
  • Die steirischen Freiheitlichen, allen voran Bildungssprecher Stefan Hermann, fordern einmal mehr die fixe Verankerung einer Deutschpflicht am Schulhof.
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Für ihn wäre die Verwendung von Deutsch in den Schulpausen hingegen eine ideale Möglichkeit, um Sprachdefizite von Kindern mit anderer Muttersprache entscheidend zu verbessern. Darüber hinaus sei die deutsche Sprache ein wichtiger Träger unserer Kultur. "Gerade für Zuwanderer ist die Beherrschung der Landessprache wichtig, um überhaupt am Gesellschaftsleben teilnehmen zu können", erklärt Hermann.

Widerspruch zu UN-Kinderrechtekonvention

Die Forderung ist das eine, aber steckt dahinter nicht reiner Populismus, denn rechtlich ist eine Deutschpflicht auf Schulhöfen nicht haltbar. "Kommunikation, Wertschätzung anderer sowie eine respektvolles Miteinander sind zentrale Faktoren für eine demokratische Gesellschaft. Das Beherrschen der deutschen Sprache ist ein wesentliches Instrument, damit in Österreich Verständigung und Miteinander auf allen Ebenen funktionieren und gelingen kann. Daher ist der Erwerb der deutschen Sprache für Kinder nichtdeutscher Muttersprache sicher ein Faktor dafür, dass Integration und friedvolles Miteinander gelingen kann", meint die Leiterin der Kinder- und Jugendanwaltschaft Steiermark Denise Schiffrer-Barac gegenüber MeinBezirk.at. Und sie setzt das "Aber" darauf, denn eine „Verordnung“ von Deutsch als Pausensprache widerspreche aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft sowohl den demokratischen Prinzipien, als auch verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten sowie der UN-Kinderrechtekonvention.

"Viele Kinderrechte, wie das Recht auf Entwicklung, das Recht auf Partizipation, das Recht auf Freizeit und Spiel, das Recht auf Gleichbehandlung sowie das Recht auf Privatsphäre sind so allesamt betroffen und würden durch eine solche Verordnung missachtet."
Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac

Gesetzlich unmöglich 

Dies unterstreicht auch Daniela Grabovac, Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Steiermark. Sie erklärt, dass verpflichtendes Deutsch im Schulhof gesetzlich nicht umsetzbar sei

"Heranzuziehen sind zwei Gesetze. Als erstes die Europäische Menschenrechtskonvention und zwar im Speziellen der Artikel 8 'Menschenrecht zur Achtung des Privat- und Familienlebens'. Und als zweites der Artikel 1 des 'Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte der Kinder' – dieser Artikel besagt: Jedes Kind hat Anspruch auf bestmögliche Entwicklung und Entfaltung sowie auf die Wahrung seiner Interessen. In öffentlichen und privaten Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein."
Daniela Grabovac, Antidiskriminierungsstelle Steiermark

Schon Im Oktober 2015 hat das österreichische Bildungsministerium zum Thema „Deutsch-Pflicht in Schulhöfen“ konkret Stellung genommen: Demnach darf Deutsch nicht die einzige außerhalb des Unterrichts zulässige Sprache sein. Somit ist eine Deutschpflicht in Schulhöfen rechtlich nicht durchführbar. Anders ist es während des Unterrichts selbst: Hier ist Deutsch als Unterrichtssprache vorgesehen (Paragraph 16 Schulunterrichtsgesetz).

Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Daniela Grabovac stellt klar, dass solche Vorstöße gesetzlich nicht haltbar sind. | Foto: Prontolux
  • Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle Daniela Grabovac stellt klar, dass solche Vorstöße gesetzlich nicht haltbar sind.
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Für Grabovac wäre eine Deutsch-Pflicht jedoch auch abseits der gesetzlichen Lage ein falsches Signal: "Die Ablehnung von anderen Sprachen in Schulhöfen zeigt alles andere als einen positiven Umgang mit kultureller Vielfalt.“

"Völlig falsches Signal"

Den Problemen der Gruppenbildungen und Unstimmigkeiten auf Grund von kulturellen Unterschiedlichkeiten könne für die steirische Kinder- und Jugendanwaltschaft hingegen überwiegend durch sozialpädagogische Maßnahmen entgegengewirkt werden. "Schule ist daher gefordert, einen gewaltfreien Rahmen zu gewährleisten damit sich Kinder und Jugendliche bestmöglich in ihrer gesamten Persönlichkeit entwickeln können. Im Hinblick auf all diese angeführten Themenbereiche ist also aus Sicht der Kinder- und Jugendanwaltschaft völlig klar, dass eine Verordnung von Deutsch als Pausensprache einerseits gegen verschiedenste Kinderrechte verstößt und andererseits ein völlig falsches Signal an die Kinder und Jugendlichen darstellt", so Schiffrer-Barac.

Viele Kinderrechte würden durch eine Verordnung der Pflichtsprache konterkariert, erklärt Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac. | Foto: prontolux
  • Viele Kinderrechte würden durch eine Verordnung der Pflichtsprache konterkariert, erklärt Kinder- und Jugendanwältin Denise Schiffrer-Barac.
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Förderung von Kindern und Jugendlichen, Integration und Gewaltschutz seien vielmehr ein gesamtgesellschaftliche Aufgabe und erforderten adäquate Maßnahmen sowie positive Vorbildwirkung.

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