Regionalentwicklung
Steirische Delegation holt sich norddeutsche Denkanstöße

Unterwegs, um sich zum Thema Regionalentwicklung auszutauschen: die beiden Landesrätinnen Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) und Ursula Lackner (SPÖ) | Foto: Land Steiermark/Purgstaller
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  • Unterwegs, um sich zum Thema Regionalentwicklung auszutauschen: die beiden Landesrätinnen Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) und Ursula Lackner (SPÖ)
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Rund 1.000 Kilometer trennen die Steiermark und Nordrhein-Westfalen, doch die Herausforderungen beim Thema Stadt- und Regionalentwicklung liegen gar nicht so weit auseinander. Eine steirische Delegation aus dem Regionalressort ist derzeit im Münsterland unterwegs und tauscht sich mit den dortigen Verantwortlichen über die Entwicklung von Regionen, Städten und Gemeinden aus.

STEIERMARK/MÜNSTER. Wie können die Innenstädte wieder belebt werden? Wie können Städte und Gemeinden der Abwanderung entgegensteuern und als Lebensmittelpunkt wieder attraktiv werden? Wie schaut eine nachhaltige und möglichst platz- und ressourcenschonende Raumentwicklung sowohl in Ballungsräumen als auch auf der "grünen Wiese" aus? Knapp nach Beschluss der steirischen Raumordnungsnovelle sind das auch weiterhin die Themen, die die steirische Regionalentwicklung beschäftigen. Aus diesem Grund ist eine Delegation aus dem Regionalressort, angeführt von den beiden Landesrätinnen Barbara Eibinger-Miedl (ÖVP) und Ursula Lackner (SPÖ), aktuell im westfälischen Raum rund um Münster und Hannover unterwegs.

Die steirische Delegation vor dem Rathaus in Coesfeld, wo bereits seit den 1990er aktiv an der Belebung der Innenstadt und des Umlands gearbeitet wird. | Foto: Land Steiermark/Purgstaller
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Auf deutscher Seite wird die Exkursion an den ersten beiden der insgesamt drei Tage von Jens Imorde geleitet. Er hat vor über zehn Jahren das Netzwerk Netzwerk Innenstadt Nordrhein-Westfalen angestoßen. Es ist ein freiwilliger Zusammenschluss von Städten und Gemeinden in Nordrhein-Westfahlen (NRW) zur Entwicklung zukunftsfähiger und attraktiver Ortskerne und Innenstädte. Es dient dem Erfahrungsaustausch der Kommunen untereinander, der Qualifizierung von Akteur:innen sowie der Entwicklung und Umsetzung lokaler und regionaler Projekte. Von den knapp 400 westfälischen Kommunen sind über 170 Mitglieder des Netzwerks.
Interessantes Detail zur regionalen Struktur des Bundeslands: NRW hat knapp 18 Millionen Einwohner:innen und gerade einmal 398 Kommunen. Im Vergleich dazu: Die Steiermark hat die Zahl der Gemeinden bekanntlich 2015 von 542 auf 287 geschrumpft.

Die steirischen Regionalentwicklungsverantwortlichen Kurt Wallner (Bgm. Leoben, Städtebund), LR Ursula Lackner, LR Barbara Eibinger-Miedl, Erwin Dirnberger (Bgm. Söding-St. Johann, Gemeindebund) mit der Coesfelder Stadtchefin Eliza Diekman | Foto: Land Steiermark/Purgstaller
  • Die steirischen Regionalentwicklungsverantwortlichen Kurt Wallner (Bgm. Leoben, Städtebund), LR Ursula Lackner, LR Barbara Eibinger-Miedl, Erwin Dirnberger (Bgm. Söding-St. Johann, Gemeindebund) mit der Coesfelder Stadtchefin Eliza Diekman
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"Man muss nicht alles neu erfinden"

Erste Station der Reise ist die Kreisstadt Coesfeld, eine kleine Mittelstadt - wie Städte rund um die 30.000 Einwohner:innen genannt werden – im westlichen Münsterland. Hier sitzt seit rund eineinhalb Jahren die junge Bürgermeisterin Eliza Diekman im Rathaus und krempelt die kleine Mittelstadt ordentlich um. Die rund 30 Teilnehmer:innen starke Delegation bekommt einen Einblick in die Stadtentwicklung der vergangenen zehn bis 20 Jahre. Nicht nur von Stadt zu Stadt zu denken, sondern über die Stadtgrenzen hinaus und vor allem vernetzend untereinander, das ist Vision und Mission. Ein Input, den auch die Steiermark noch weiter aufgreifen will und wird. "Bei uns hat es in den vergangenen Jahren viele Entwicklungen auf der grünen Wiese gegeben, während die Ortskerne austrocknen", bedauert Barbara Eibinger-Miedl. "Da möchten und müssen wir umdenken." Regierungskollegin Ursula Lackner ergänzt, dass "man bei diesem Prozess eben nicht alles neu erfinden muss". Es gehe auch darum, über die Gemeinde- und Ländergrenzen zu schauen und gegenseitig voneinander zu lernen. 

Die Berkel wurde in und um Coesfeld attraktiviert und hat somit das Stadtbild maßgeblich verändert. | Foto: Land Steiermark/Purgstaller
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Wasser als Lebensader wieder erwecken

In Coesfeld dreht sich in der Stadtentwicklung alles um die Berkel, den Fluss, der die Stadt seit Jahrhunderten prägt. Dieser wurde im Zuge verschiedener - aus heutiger Sicht falsch gelenkter - Entwicklungsmaßnahmen großteils schlicht und ergreifend unter der Stadt begraben. Nun gehe es darum, in einem auf lange Sicht geplanten Prozess, diese Lebensader der Stadt wieder freizulegen und erlebbar zu machen. "Das wollen auch die Coesfelder so", schildert Diekman. Das Ergebnis ist die Einbindung des Flusses im Zuge verschiedener Veranstaltungen, wie beispielsweise Flusswanderungen und Attraktivierung bereits bestehender Radrouten entlang des Gewässers aber auch als Freizeitoase mitten in der Stadt.
Eingebettet ist das Projekt in die sogenannte "Regionale", ein Förderprogramm des Lands NRW, das im Zyklus von drei Jahres darauf ausgerichtet ist, nachhaltige Siedlungs- und Raumentwicklung, zukunftsweisende Mobilitätsangebote oder auch innovative Wirtschafts- und Arbeitsformen im ländlichen Raum umzusetzen.

Radfahr:innen soweit die Augen reichen .... und die Radwege. | Foto: RegionalMedien
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Mit Wachstum Schritt halten

Von Coesfeld geht es weiter nach Münster. Die rund 300.000 Einwohner:innen zählende Stadt zeigt nicht nur hinsichtlich der Größe vielerlei Parallelen zur steirischen Landeshauptstadt: Sie ist ebenso Universitätsstadt. "Viele der jungen Menschen, die bei uns studieren, wollen auch hier bleiben", schildert Münsters Stadtbaurat Robin Denstorff. Was die Stadt vor enorme Herausforderungen stellt, da sie mit dem eigenen Wachstum nur schwer Schritt halten kann. Derzeit fehlen rund 3.000 Wohnungen. Die Konsequenz sind ausgefeilte Planungskonzepte in Richtung Verdichtung, aber auch Mobilität. Auf die Frage aus der Steiermark, inwiefern die Schaffung ganzer neuer Wohnquartiere an den Stadträndern bei den Münsteraner:innen ankommen, schmunzelt der Stadtbaurat. "Uns begegnet teils große Skepsis, aber auch Verständnis." Eine weitere Gemeinsamkeit, die man aus dem Großraum Graz kennt. 

In Münster ist Radfahren mittlerweile eine Lebenseinstellung: Auf rund 300.000 Einwohner:innen kommen mehr als doppelt so viele Fahrräder. | Foto: Land Steiermark/Purgstaller
  • In Münster ist Radfahren mittlerweile eine Lebenseinstellung: Auf rund 300.000 Einwohner:innen kommen mehr als doppelt so viele Fahrräder.
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Vorrang für das Fahrrad

Um mehr als eine Lenkstange voraus ist man in Münster in Sachen Mobilität, besonders jener auf zwei Rädern. In Zahlen gegossen: Auf rund 300.000 Einwohner:innen kommen mittlerweile mehr als doppelt so viele Fahrräder. "Wir haben ganze Straßen zu Fahrradstraßen gemacht", berichtet Denstorff. Es gebe überall Hauptstraßen für Autos, aber keine Hauptstraßen für Fahrräder. "Da läuft doch etwas falsch". In der Bismarckallee in Münster wurde der Spieß daher umgedreht, hier werden Autos gerade einmal noch geduldet. "Die Regeln hier machen die Radfahrer, wenn sie Händchen haltend fahren wollen, dann fahren sie so zu zweit nebeneinander."

Die Stadt Münster rollt den Radfahrer:innen den roten Teppich aus, eigene Fahrradstraßen wie hier in der Bismarckallee entstehen. | Foto: screenshot/Stadt Münster
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Wie sehr Radfahrer:innen der Stadt am Herzen liegen, zeigt sich auch an der technologisierten Ausstattung der Fahrradrouten: So ist die Kanalpromenade beispielsweise mit einer Sensor-gesteuerten Beleuchtung ausgestattet, die den Weg bereits beleuchtet, sobald sich ein Rad nähert.
Ebenso auf Erfolgskurs ist der Ausbau der S-Bahn, die die Stadt sternförmig erschließt, sowie das Car-Sharing-Modell LoopMünster, das seit September 2020 ein Angebot für den Nahverkehr auf Bestellung ist.

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