Graz 2020
Prometheus in Ketten
Um menschliche Gemeinschaft zu festigen, nutzen wir Übereinkünfte bezüglich verschiedener Codes und Konventionen, geben wir Erzählungen weiter, um daraus größere Narrative herzustellen, einigen wir uns auf Mythen. Das ist alles stets vieldeutig und verhandelbar, auch wenn so mancher Schwätzer gerne von „ewigen Werten“ schwafelt.
Ewige Werte sind ja nichts anderes als der Ausdruck eines Machtanspruches. So versucht jemand, für seine Position Legitimität herzustellen: „Das war schon immer so.“ Gerade an solchen Leuten kann man mitunter feststellen, daß sie von diesem „Ewigen“ recht wenig Ahnung haben und oft nur die jüngsten Deutungen dessen kennen, von dem sie sich bestätigt fühlen, aber vom größeren Zusammenhang keine Ahnung haben.
Das ließe sich kaum deutlicher darstellen, als am Beispiel eines Politikers, der mit einem Kreuz in der Hand vor Kameras auftritt, mit dem Symbol herumwedelt und das „christlich Abendland“ beschwört, um unsere Kulturgeschichte in einer Kurzfassung für Deppen auf das Maß zusammenzustutzen, das er sich bei zwei Bier kurz durchgesehen hat.
Ich bin schon geraume Zeit in diese Zusammenhänge verstrickt: Europas Mythen und was davon in unserer aktuellen Politik auftaucht, was davon durch die Kunstgeschichte geistert, wie sich all das auch in unserem Alltagsleben zeigen mag.
Ich hab schon mehrfach erwähnt, daß es vermutlich keiner Renaissance bedarf, keiner „Wiedergeburt von Werten der Antike“, weil sie nie weg waren. Es stellt sich eher die Frage, welche aktuellen Deutungen sich davon gerade durchsetzen, also auch: welche Interessenslagen regieren?
In meinen Betrachtungen, worin Volkskultur, Popkultur und Gegenwartskunst verbunden sein mögen, führen einige Wege unausweichlich quer durch die griechische Mythologie und deren Adaptionen im alten Rom, deren Reise durch die Zeiten.
Im 2020er Abschnitt von „Tesserakt“ bin ich damit beim Teilprojekt „Prometheus in Ketten“ (Himmelsstürmerei und die Folgen) angelangt. Nach Ikarus steht nun Prometheus im Fokus. Dieses Projekt ist übrigens komplementär zu einem anderen Vorhaben angeordnet und damit verknüpft. Graz hat nämlich 2020 zu einem speziellen Kulturjahr erklärt und dazu ein imposantes Programm erarbeitet. Aber dazu demnächst mehr.
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