Kultur
Omertà

Das Gleisdorfer Wappen handelt unter anderem vom Verhältnis zwischen Untertanen und Obrigkeit.
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  • Das Gleisdorfer Wappen handelt unter anderem vom Verhältnis zwischen Untertanen und Obrigkeit.
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Falls Sie Krimis lieben und jene mögen, die von der Mafia handeln, kennen sie den Begriff Omertà. Die Schweigepflicht. Keiner redet. Nichts wird verraten. Niemand muckt auf. Es herrscht Ruhe im Schuppen.

In der ständischen Gesellschaft der Feudalzeit war streng geregelt, in welcher Richtung sich Unmut entladen durfte. Ganz klar: von oben nach unten. Umgekehrt wäre das als etwas zwischen Unbotmäßigkeit und Rebellion bewertet worden. Das Stadtwappen von Gleisdorf erinnert an so eine Situation. Falls sie gelegentlich vor dem Rathaus stehen, blicken Sie nach oben!

Die rote Farbe im Wappen soll an ein spezielles Blutbad erinnern. Am Rennfeld, wo heute eine adrette Siedlung besteht, wurde 1515 ein Bauernheer in einer von drei wesentlichen Schlachten niedergeschlagen. Dazu sollte man wissen, daß Bauern völlig verzweifelt sein mußten, um sich aufzubäumen und den bewaffneten Verbänden der Herrschaft zu stellen. Das geschah, wenn die Abgabenlast zu groß wurde, wenn man sich bloß noch von Hungerrevolten eine Besserung der Verhältnisse versprechen konnte etc.

Kein Fürst konnte derlei Aufbegehren allerdings dulden, weshalb das von der Obrigkeit mit demonstrativer Gewalttätigkeit geahndet wurde. Franz Arnfelser notierte dazu in seiner Gleisdorf-Chronik von 1928:
Frondiensts Plage, elende Lage
Ward den Bauern zur Pein.
Da wurde sie alle rebellisch:
Es strafte sie Herberstein.

Der Aufstand begann in der deutschen Sprachinsel Gottschee erfaßte bald das gesamte Herzogtum Krain, reichte in die Steiermark. Die Bauern verlangten die „stara prava“, die „alte Gerechtigkeit“. Das bedeutet, die Grundherren sollten sich mit jenen seit alters in den Urbaren verzeichneten Abgaben zufrieden geben und nicht stets neue dazu erfinden.

Das ist zum Glück Geschichte. Doch noch meine Eltern und vor allem meine Großeltern lebten in Systemen, da konnte es noch harte Konsequenzen setzen, sogar das Leben kosten, wenn man die Herrschaft kritisierte. Die Habsburger verstanden dabei keinen Spaß, die Nazi noch weniger.

Heute sind wir es gewohnt, daß man seine Ansichten öffentlich äußern kann, daß auch Kritik möglich und im günstigsten Fall sogar erwünscht ist. Nun hat uns Österreichs Regierung in jüngerer Vergangenheit mit ihrer Praxis der Message Control nicht gerade ein rühmliches Vorbild gegeben. Wir konnten zum Beispiel in unzähligen TV-Gesprächen erleben, wie aggressiv Funktionstragende über Menschen mit anderer Meinung herfielen. Das erinnerte sehr an alte Hierarchien in einer ständischen Gesellschaft.

Aber wir kennen seit dem 19. Jahrhundert markante Beispiele von Intellektuellen, die sich in öffentliche politische Diskurse einbringen, ohne von Regierungen erwünscht zu sein. Schriftsteller, Journalisten, allerhand intellektuelle Kräfte, von denen die Deutungshoheit Herrschender angefochten wurde.

Das vermutlich schillerndste Beispiel ist der Schriftsteller Émile Zola, als er 1898 mit seinem „J’accuse …!“ („Ich klage an …!“) den Staat herausforderte. Seither machen unsere Leute höchst wechselhafte Erfahrungen, was passiert, wenn man Dinge offen benennt. Wie schon angedeutet, das ist alles keineswegs vom Tisch.

Was ich eben erst im Text Ein holperndes Hoppala berichtet hab, führte zu ein paar bemerkenswerten Reaktionen, vor allem aber zu gar keinen. Da war viel Schweigen unter den Kreativen der Region. Omertà?

Bei der Abschlußveranstaltung des Literaturwettbewerbes „Wortschatz 2019“ hatte man Künstlerin Herta Niederl-Lehmann vor Publikum ein eine demütigende Situation gebracht. Sie war fälschlich als Preisträgern hervorgehoben und auf die Bühne gebeten worden, mußte den Irrtum dort vor allen Leuten aussitzen, blieb dieser Unannehmlichkeit ausgeliefert, ohne daß jemand von offizieller Seite helfend eingegriffen hätte. Es war dann Schauspieler Peter Simonischek, der die Sache zu einem Ende brachte.

Aber auch hinterher fand es niemand nötig, sich etwa zu entschuldigen. Ehemann Winfried Lehmann teilte mir mit, es habe noch immer keine Stellungnahme oder Entschuldigung gegeben. Im Gegenzug rief mich Irmgard Eixelberger an, deren Text eigentlich prämiert worden war, die man aber einzuladen vergessen hatte. Sie ließ mich wissen, Simonischek werde im Herbst nach Gleisdorf kommen, um ihr den versäumten Preis zu überreichen.

Es gab übrigens kaum öffentliche Reaktionen auf den Bericht über diesen Vorfall. Die deutlichsten Worte fand Musiker Alex Deutsch, der meinte, man müsse „Verantwortung übernehmen und sich bei allen entschuldigen, ein Mindestaufwand, aber ein Fremdwort heutzutage – beschämend“. Darüber hinaus erreichten mich meist bloß persönliche Nachrichten. Darunter eine, die den Funktionstragenden zu denken geben sollte, lautend: „Danke, gehört ja auch Mut dazu, könnte ja auch geschäftliche Folgen nach sich ziehen, bzw. tut es eh...“

Falls es schon Mut bräuchte, um in so einem Fall die Faktenlage zu berichten, sollten wir uns um unsere Demokratie eventuell Sorgen machen. Ich fände es erfreulich, wenn Politik und Verwaltung verdeutlichen, daß uns diese Sorge nicht zu quälen braucht. Das wäre ein angemessener Dienst am Staat.

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