Interview
Buntes Lernen im bunten Dorf

Freies Lernen mit viel Bewegung und Zeit im Freien – das vereint "das Bunte Dorf". | Foto: Das Bunte Dorf
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  • Freies Lernen mit viel Bewegung und Zeit im Freien – das vereint "das Bunte Dorf".
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Dass nicht alles nach vorgefertigten Regeln ablaufen muss, sondern Lernen auch viel freier möglich ist, das zeigt die neue Kinderbetreuungseinrichtung "das Bunte Dorf" in Etzersdorf bei St. Ruprecht/Raab.

Es braucht ein ganzes Dorf, um ein Kind optimal in seiner Entwicklung zu begleiten. Nach diesem Leitspruch ist im September 2018 die Idee der neuen Kinderbetreuungseinrichtung in Etzersdorf (St. Ruprecht an der Raab) entstanden – "das Bunte Dorf".  In diesem Verein für Lern-und Kinderbetreuung darf alles sein und alle sind herzlich Willkommen. "Wir wollten einen Ort erschaffen, in dem Menschen – klein und gross, jung und alt – zusammen kommen, ihr Potential entfalten, sich mit ihren Fähigkeiten einbringen und sich gegenseitig bei ihrer Bewusstseinsentwicklung unterstützen können", so die Vereinsgründer Petra Fuchs, Rebecca Spirk und Magdalena Kober.

Erfolgreicher Start

Seit September 2019 gibt es im "Bunten Dorf" in einer Spiel- und Lerngruppe eine andere Möglichkeit des Lernens. Der Fokus liegt dabei bei den Kindern und deren Umfeld, welche unsere Zukunft sind. Auch in der Erwachsenenbildung bieten sie Seminare und Vorträge.
Petra Fuchs, Obfrau des Vereins und für die Betreuung der Spielgruppe zuständig, erzählt vom Start des "Bunten Dorfes": "Wir haben ein kleines Vereinshaus und ca. 6.000 Quadratmeter Grund zur Verfügung. Wir hatten ganz viele helfende Hände die uns bei Umbauarbeiten, Renovierungen, Organisation und Finanzierung des Projektes unterstützten." Zusammen mit den Vorstandsmitgliedern Rebecca Spirk und Magdalena Kober erzählen Sie uns im Interview, was ihre Kinderbetreuung so einzigartig macht:

Im "Bunten Dorf" ist Zeit in der Natur, schmutzig werden und „gatschen“ an der Tagesordnung.  | Foto: Das Bunte Dorf
  • Im "Bunten Dorf" ist Zeit in der Natur, schmutzig werden und „gatschen“ an der Tagesordnung.
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WOCHE: Wie unterscheidet sich die Kinderbetreuung im "Bunten Dorf" von anderen Kinderbetreuungseinrichten?
BUNTES DORF: "Unsere Betreuung ist individuell auf jedes einzelne Kind und seine Bedürfnisse und Interessen abgestimmt. Unsere Begleiter sind Impulsgeber und stille Beobachter, wir wollen die natürliche Motivation und Begeisterung zum Lernen, jedes Kindes erwecken und fördern. Wir gestalten auch Gruppenübergreifende Tätigkeiten, wo unsere „Kleinen“ von den „Großen“ lernen und umgekehrt. Natürlich gibt es auch Rahmenbedingungen bzw. Regeln, welche gemeinsam mit den Kindern erarbeitet wurden. Emotionen dürfen gelebt werden und keiner wird z.B.: zu „Still sitzen“ oder „ruhig sein“ gezwungen, jedoch mit Achtsamkeit und Respekt allen anderen gegenüber, darf sich das Kind ein Plätzchen (Baum, Wiese, einfach in der Natur) suchen, um seine Emotionen auszuleben. Eine unserer häufigsten Fragen sind: „Was brauchst du?“ „Kann ich dir helfen?“

Wie funktioniert eine Kinderbetreuung ohne Klassensystem? 
"In der Spielgruppe (1 bis 5 Jahre) können sich die Kinder nach der Begrüßung im Morgenkreis in einer vorbereitenden Umgebung (Schüttspiele, Basteln, Bücher, allg. Spielsachen) frei bewegen. Durch die Freifläche mit Bäumen, Sand-/Erdhaufen, Pflanzen, Tieren (wir haben Hühner, Hasen und Ziegen) können die Kinder auf Entdeckungsreise gehen. Schmutzig werden und „gatschen“ ist bei uns an der Tagesordnung.
In der Lerngruppe (6-10 Jahre) gestaltet sich der Tagesablauf sehr flexibel. In der Morgenrunde wird besprochen was wir vorbereitet haben und wie wir es umsetzten wollen. Wir erarbeiten mit den Kids Projekte über z.B.: die Planeten, unser Land Österreich, Tiere, uvm. Hier wird das Thema gemeinsam erarbeitet in Verbindung mit der Natur und dem „Unterricht“ im Freien.
Grundsätzlich orientieren wir uns nach dem gesetzlichen Volksschul-Lehrplan, was die Bereiche Rechnen, Schreiben und Lesen betrifft. Die Kinder müssen am Ende des Schuljahres eine Externistenprüfung ablegen.
Wir begleiten die Lernkinder nicht leistungsorientiert sondern motivieren sie mit Einfühlungsvermögen und ihrer natürlichen Begeisterung. Aus unserer Erfahrung will jedes Kind lernen. Wir versuchen die beste Möglichkeit visuell, akustisch, mit den verschiedensten Materialien, spielerisch, für jeden einzelnen zu finden. Zusätzlich gibt es Ausflüge, Pferdeeinheiten, Sporteinheiten usw. die unsere freiwilligen Experten begleiten."

Was versteht ihr unter „freies Lernen" und wie funktioniert es?
"Wir verstehen darunter, dass in einem gewissen Rahmen, dem Kind die Freiheit gelassen wird in dessen Geschwindigkeit und derzeitigen Entwicklung lernen zu dürfen. Mit dem Leitsatz: Was ich verstehe, brauche ich nicht auswendig zu lernen. Wie bereits erwähnt, haben die Kinder einen natürlichen Drang lernen zu wollen und die Herausforderung liegt darin, gemeinsam mit dem Kind herauszufinden wie es am besten und vor allem mit Spass und Leichtigkeit, sich Wissen aneignet."

Gibt es Erfahrungswerte oder Rückmeldungen von Eltern?
Feedback Mutter 1: "Im Regelschulsystem verlor mein Sohn (8 Jahre) innerhalb kürzester Zeit jegliche Freude am Lernen. Es war ein wirklich herausforderndes erstes Volksschuljahr für ihn und uns als Familie. Mein Sohn wurde immer unglücklicher und verschwand in den Unterrichtszeiten in eine Traumwelt. Schnell war für uns klar, dass wir so nicht mehr weiter machen wollen und meldeten ihn für das nächste Schuljahr für den häuslichen Unterricht an.
Da die Entfaltung der sozialen Kontakte zu Hause schwer organisierbar ist, sind wir über die Gründung des Vereins „ Das bunte Dorf“ so dankbar. In der kleinen Lerngruppe ließ man meinen Sohn alle Zeit die er benötigte, ohne etwas von ihm zu erwarten. Durch diese Herangehensweise kam er nach vielen Monaten, auch in den dortigen Lernzeiten endlich wieder aus seiner Traumwelt zurück und nimmt aktiv und voller Freude wieder am Lernen teil. Ich muss ehrlich sagen, ich bin den Tränen als Mutter nahe, so glücklich bin ich (wir) über diese Entwicklung unseres Sohnes."
Feedback Mutter 2: "Mein Sohn ist 4 Jahre alt und ist seit Anfang im „ Das bunte Dorf“ dabei. Mit Ruhe und Einfühlungsvermögen wird das Loslassen des Elternteils leichter gemacht. Jederzeit kann man sich mit Fragen oder mit einem persönlichen Gespräch an das Team wenden und wenn es zeitlich einmal enger wird, wird schnell eine Lösung gefunden. Ich schätze es sehr, dass sehr viel im Freien gespielt wird (und viele tolle Fahrzeuge) und auch der Umgang mit den Tieren ist eine tolle Sache. Ausserdem finde ich es gut, dass es eine kleine Gruppe ist. Mein Sohn freut sich jedesmal auf die „Kindergarten“ Tage."
Feedback Mutter 3: "Ich als Mutter habe die Erfahrung gemacht, dass ich bei meinen Söhnen (5 Jahre und 7 Jahre) sehr viel Bewegung und Weiterentwicklung im Bereich soziale Kompetenzen beobachten kann. Das Zusammenspiel von Spiel- und Lerngruppe und wie jeder seine Fähigkeiten hat und darin unterstützt wird finde ich ganz toll und wertvoll. Das altersübergreifende Lernen hat sich bei meinen Jungs sehr positiv gezeigt, mein 5-Jähriger interessiert sich schon für Rechnen und Schreiben und somit darf er immer wieder bei der Lerngruppe mitarbeiten und zuhören. Diese Möglichkeit finde ich ganz toll."
Feedback Mutter 4: "Mit dem Bunten Dorf haben Petra und Ihr Team mit viel Enthusiasmus Ihren Traum verwirklicht und eine Umgebung geschaffen, in der jedes Kind besonders ist uns sich fernab von Bewertung und Leistungsdruck frei entfalten kann. Es gibt viel Raum um zu spielen und zu entdecken und die Gruppen verbringen viel Zeit im Freien."

Gibt es bei euch häuslichen Unterricht? Und wie funktioniert der?
"Grundsätzlich ist häuslicher Unterricht eine Form der Bildung und Begleitung der Kinder von zu Hause oder an anderen Orten ausserhalb der Regelschule, die von Eltern oder privaten Personen unterrichtet werden. Schulpflichtige Kinder sind bei uns zum häuslichen Unterricht angemeldet. Dies muss bei der Bildungsdirektion Steiermark eingereicht werden. Kinder im Pflichtkindergartenjahr sind bei der zuständigen BH zur häuslichen Betreuung anzumelden."

Was ratet ihr Eltern, die gerade Zuhause selbst den häuslichen Unterricht übernehmen müssen?
"Sich und dem Kind die Zeit geben, um sich auf die neue Situation einzustellen. Gemeinsam einen Weg finden wie das Lernen gelingen kann und viele verschieden Möglichkeiten ausprobieren. Man kann alles in Spiele verpacken. Für Kinder ist spielen und lernen dasselbe, wenn es auf natürliche und selbstständiger Weise beruht. Es ist nicht ganz einfach in diesem Sinne Eltern etwas zu raten, da die Kinder den Frontalunterricht gewohnt sind. Das natürliche Lernen muss in seiner Ganzheit verstanden werden und bringt sicher ein „in sich wachsen“ als Erwachsener auch mit sich."

Was hat das "Bunte Dorf" sonst noch zu bieten? 
"Wichtig zu erwähnen ist auch, dass wir keine Ferien haben. Die Betreuung ist ganzjährig möglich, das spielerische Lernen erfolgt damit das ganze Jahr. Die Eltern können nach Absprache, ihre Kinder jederzeit zum Urlaub herausnehmen. Auch bei den Betreuungszeiten sind wir flexibel, ab 7 Uhr können die Kinder gebracht werden, wenn es gewünscht ist, gibt es ein Mittagessen und eine Nachmittagsbetreuung bis ca. 17 Uhr. Jedoch ist bei uns in Absprache alles möglich."

Interview: Nadine de Carli
Mehr über das "Bunte Dorf".

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Im "Bunten Dorf" ist Zeit in der Natur, schmutzig werden und „gatschen“ an der Tagesordnung.  | Foto: Das Bunte Dorf
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