Hundstage. Wann wird´s mal wieder richtig Heute?
Ja: ich habe bereits darauf gewartet! Darauf, dass ich zum ersten Mal im Jahr die Klage höre: "Nicht auszuhalten, wie heiß es heute ist! Viel zu heiß! Ein normaler Sommer ist das nicht!"
Und ich höre diesen Satz seit vielen Jahren. Irgendwann im Mai zum ersten Mal, dann den Sommer über immer wieder. Und ich höre ihn von Leuten, die (wie ich) dort aufgewachsen sind, wo sie diese vorgeblich unerträglich wilde Hitze von heute zu ertragen hätten.
Wie an den Umstand, dass die Sonne bei uns im Land morgens auf- und abends wieder untergeht, konnten wir alle, die Geplagten und ich, uns von klein auf an Temperaturunterschiede zwischen plus dreißig im Sommer und minus zwanzig im Winter gewöhnen. Ein 3. Juni mit siebenundzwanzig, ein 8. August mit zweiunddreißig und ein 24. Februar mit minus achtzehn Grad also sollten uns nicht vor Verwunderung aus den Socken hauen.
Jedes Jahr aber beglückt Vater Zufall mich mit den wehklagenden, lamentierenden vierzig- oder fünfzigjährigen Gegenwartsgenossen, denen der erste Sommertag zu heiß und der erste wirkliche Wintertag zu kalt gestaltet sei. Von wem auch immer - "normal jedenfalls ist das nicht!"
Und justament diesen erstaunten und entsetzen Hitze- und Kältegeplagten aber seien unsere Sommer im Allgemeinen zu wenig Sommer und demnach nichts im Vergleich zu denen von früher, und die Winter seien ihnen auch keine richtigen mehr, früher seien diese um Welten härter gewesen!
Auch die "Weihnacht" sei ohne wirkliches Weiß überhaupt zu einem nichtssagenden, endungslosen Substantiv verkommen. Zwar ist die Sache mit dem Schnee an Heiligabend seit der Zwischenkaltphase im 18. Jahrhundert in Österreich nur mehr eine Angelegenheit mit einer Wahrscheinlichkeit von zwanzig Prozent, die selbst die Christmondfeiertage in den Wintern der kühleren Neunzehnfünfziger- und -sechzigerjahre grün bleiben ließ, und unser "Dreaming of a white Christmas" geht letztlich auf idealisierende Adventslieder und Postkartenbilder aus den 1860er-Jahren mit schon damals schneelosen Weihnachten zurück, aber trotzdem seien die heutigen Winter im Vergleich zu denen von früher zu mild und zu gnädig.
Der einzelne Wintertag jedoch sei, wenn es nach den Seufzern geht, in der Gegenwart dann doch viel zu kalt und schon im Februar habe man da genug vom Schnee, der allen verklärenden Rückblicken nach aber früher noch dichter, noch weißer und noch großflockiger gewesen sei. Und die Sommerhitze sei heute unerträglich und eine einzige Ozonloch-, Klimawandelkatastrophe, obwohl aber nur im glorifizierten Einst die Sommer wirklich richtige gewesen seien. Auch damals hat ein Rudi Carell sich musikalisch zwar gefragt, wann es denn "wieder mal richtig Sommer" werde, "so, wie es früher einmal war", so "mit Sonnenschein von Juni bis September", aber die Sommer seien damals immer noch besser gewesen als die heutigen, obwohl die heutigen andererseits viel zu heiß seien und viel zu sonnig und kaum auszuhalten …
So werden meine Sommer und Winter wohl auch in Zukunft beginnen mit Nörgeleien der Weise "viel zu heiß" und "viel zu kalt". Bleibt zu hoffen, dass ich mich das nicht irgendwann einmal selber sagen höre. Wo doch die Sommer heute noch wirklich richtige sind, wirklich heiß und wirklich sonnig, nichts gegen die nämlich, die irgendwann einmal kommen werden, die mir dann aber dennoch zu heiß sein dürfen. Und zu kalt. Und zu heiß. Und zu kalt. Im Vergleich zu heute. Zu früher also.
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