Bericht
Rechnungshof kritisiert Mängel bei Vergabepraxis des WiGev
Ein Rechnungshof-Bericht kritisiert die Vergabepraxis des Wiener Gesundheitsverbundes (WiGev) und spricht von Intransparenz, fehlender Überprüfung, Nachvollziehbarkeit und einer hohen Konzentration bei den Beschaffungen der Medizintechnik auf wenige Auftragnehmer. WiGev setze bereits einige vorgeschlagene Maßnahmen ein und kündigt weitere an.
WIEN. Bereits im Sommer berichteten Medien über Ungereimtheiten bei Vergaben in den Bereichen Medizintechnik und Beratung im Wiener Gesundheitsverbund (WiGev). Der "Kurier" zitierte aus einem Rohbericht des Rechnungshofes, überwiegend wurde mangelhafte Dokumentation kritisiert. MeinBezirk.at berichtete:
Jetzt wurde der ganze Bericht vom Rechnungshof (RH) Österreich unter dem Namen "Wiener Gesundheitsverbund – Vergabepraxis im Bereich Medizintechnik und Beratung" veröffentlicht. Analysiert wurden Daten zu den WiGev-Auftragsvergaben von Jänner 2010 bis Ende März 2021. Das Ergebnis: Beanstandungen gab es bei 48 von 66 überprüften Verfahren, vor allem in Bezug auf Dokumentation.
In "keinem Fall" würde laut dem RH bei den geprüften Zukäufen von Beratungsleistungen vorab geprüft, ob diese von eigenen Bediensteten erbracht hätten werden können. Im Detail führte der WiGev im genannten Zeitraum 1.456 Beschaffungen durch, wobei die Vergabesumme jeweils mehr als 50.000 Euro betrug. Gesamtkosten: 484,7 Millionen Euro. Die Beratungsleistungen kosteten 145,44 Millionen Euro, wobei 44 Beratungen mit mehr als jeweils 190.000 Euro zu Buche schlugen, heißt es.
Transparenz und Nachvollziehbarkeit fehlten
Hier wird im Bericht kritisiert, dass die Zahlen erst nach Bereinigung durch den RH fest standen, denn der WiGev "hatte keinen vollständigen Überblick über die von ihm durchgeführten Vergabeverfahren im Bereich Medizintechnik und Beratungsleistungen". Und: Die Datenlage gewährleistete "nicht die notwendige Transparenz und Nachvollziehbarkeit". Der RH stellte auch Mängel in der Aufbau- und Ablauforganisation, denn es fehlten etwa "einheitliche Vorgaben für die Abwicklung von Vergabeverfahren".
Außerdem wurden rund zwei Drittel aller Aufträge über 50.000 Euro ohne vorherige Bekanntmachung vergeben, womit der WiGev den Bieterkreis reduzierte und mögliche wirtschaftliche und technologische Nachteile in Kauf nahm. "In diesem Zusammenhang sah der Rechnungshof dringenden Handlungsbedarf, um eine mögliche Umgehung des Bundesvergabegesetzes zu verhindern", heißt es.
Der RH stellte bei den Beschaffungen eine "hohe Konzentration auf wenige Auftragnehmer fest", da die zehn größten Auftragnehmer rund 52 Prozent des Auftragsvolumens erhalten hätten - das entspreche 37 Prozent der Aufträge.
WiGev kündigt mehrere Maßnahmen an
Der im Bericht mehrmals kritisierte Wiener Gesundheitsverbund teilte auf MeinBezirk.at-Anfrage, dass man "höchsten Wert" auf die "rechtskonforme Abwicklung von Vergabeverfahren und die lückenlose Einhaltung der zugrundeliegenden nationalen und europäischen Rechtsnormen" lege. Das Prüfverfahren habe man aufgrund des hohen Stellenwertes von einer internen Expertengruppe begleiten lassen.
Bereits seit 2018 habe der WiGev mit dem aktuellen Vorstand "umfangreiche Entwicklungen" eingeleitet und umgesetzt, die in der Vergangenheit "nicht ausreichend verfolgt wurden", damit künftig solche Mängel nicht mehr aufkommen. Schon vor dem Abschluss der Prüfung habe man erste Maßnahmen gesetzt: neue Leitlinien für alle Vergabeverfahrensarten, einheitlicher Prozess bei der Abwicklung und Dokumentierung aller Verfahrensschritte, Durchführung von vorherigen Markterkundungen.
Die RH-Feststellung der "hohen Konzentration auf wenige Auftragnehmer" erklärt eine WiGev-Sprecherin, dass der Markt in vielen Bereichen der Medizintechnik sehr klein sei, woraus auch die sinkende Bieteranzahl resultiere. Jenes Unternehmen, auf welches das größte Auftragsvolumen entfällt, hält 46 Prozent des globalen Marktanteils an Magnetresonanzgeräten, heißt es.
15 der 47 vom RH abgegebenen Empfehlungen seien bereits umgesetzt, der Rest befinde sich in Umsetzung. Geplant sei eine Etablierung einer neuen Bauherrenorganisation, Neuausrichtung der Aufbauorganisation der Generaldirektion, neues Compliancemanagementsystem und vollständige Beschaffungs- und Einkaufsorganisation.
Kritik von Opposition
Die Prüfung durch den Rechnungshof wurde von den Wiener Grünen sowie der ÖVP Wien beantragt. Der Bericht habe "nun offiziell eine dubiose Vergabepraxis im WiGev festgestellt", wird ÖVP Wien-Klubobmann Markus Wölbitsch zitiert.
Dass im Prüfzeitraum insgesamt 44 Beratungsleistungen um fast 150 Millionen Euro in Auftrag gegeben und in keinem einzigen geprüft wurde, ob nicht unter den "hervorragenden Mitarbeiter:innen des WiGev die Kompetenz vorhanden" sei, ist für den grünen Wiener Klubobmann David Ellensohn "nicht nur betriebswirtschaftlich verantwortungslos, sondern eine Geringschätzung des eigenen Personals".
Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sei gefordert, schnellstmöglich zu handeln. "Dieser Rechnungshofbericht muss die Verantwortlichen endlich wachrütteln. Korrekte Vergaben im Wiener Gesundheitsbereich müssen in jedem Fall sichergestellt sein. Im Sinne der Wienerinnen und Wiener darf hier keine weitere Zeit vergeudet werden", meint ÖVP Wien-Gesundheitssprecherin Ingrid Korosec.
Der RH-Bericht lese sich "wie ein echter Kriminalfall im tiefroten System der Ludwig-SPÖ", so FPÖ Wien-Chef Dominik Nepp. Aufgrund des "Megaskandals" fordert Nepp den Rücktritt von Hacker sowie des gesamten Direktoriums des WiGev.
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