Sexualwissenschaften / Sexualpädagogik
Selbstbefriedigung bei Kindern und Jugendlichen ist normal
Auch Kinder haben autoerotische und kindlich-sexuelle Bedürfnisse. Selbstbefriedigung ist gesund und wichtig für die Entwicklung und schafft eine Basis für einen guten Zugang zum eigenen Körper und für die spätere erwachsene Sexualität.
Selbstbefriedigung und die kindliche Sexualität
Bereits vor über 100 Jahren machte sich Sigmund Freud viele Feinde, indem er öffentlich publizierte, dass schon kleine Kinder eine eigene, altersspezifische Sexualität haben, zu der auch das Erkunden und das lustvolle Spiel mit den eigenen Genitalien gehört. Jedoch sah auch Freud die Selbstbefriedigung als problematisch an, da sie seiner Meinung nach zu einer Verminderung der Potenz, zu Verweichlichung und Neurosen führte.
Heute noch ist es ein gewisses Tabu, zu fordern, dass Selbstberührungen und kindliche Selbstbefriedigung wichtige Entwicklungshilfen für jeden Menschen darstellen. Für das Kind ist Selbstbefriedigung eine notwendige Selbsterfahrung, um herauszufinden, was ihm körperlich angenehm oder unangenehm ist. Somit ist Masturbation eine natürliche Verhaltensweise, die von den Eltern sensibel, altersgerecht und behutsam, etwa durch Ermutigung, gefördert und nicht sanktioniert werden sollte - selbstredend mit viel Ehrfurcht vor der Integrität und Würde des Kindes.
Die drei großen Weltreligionen, aber auch unser ganzer Kulturkreis haben die Selbstbefriedigung seit je unter Strafe gestellt, sie sanktioniert oder Menschen Schuldgefühle oder Strafängste manipuliert. Einschüchterung, Bloßstellen, das Festbinden der kindlichen Hände an den Bettpfosten, aber auch das Zunähen der Vorhaut oder Schamlippen waren gängige Erziehungsmethoden der Schwarzen Pädagogik. Zudem redete (oder redet) man Kindern ein, dass sie krank, schwach, blind oder dumm werden, wenn sie sich selbst befriedigen. Dies ist schwere psychische Gewalt, schwerer Missbrauch an Kindern und Jugendlichen und eine Vergiftung der Psyche. Ich habe erwachsene Patient*innen, die immense Schuldgefühle haben, wenn sie sich selbst befriedigen oder ihre Sexualität ausleben. Diese negative und psychisch gewalttätige Grundhaltung zur Selbstbefriedigung ist eine menschlich-kulturelle Fehlentwicklung.
In der modernen Psychologie und Psychotherapie wurde die Selbstbefriedigung bis weit in die 1980er Jahre als „Perversion“ abgewertet. Sie galt als eine psychische Erkrankung, eine Pathologie, die es zu unterdrücken galt.
Lernen Kinder, lustvoll und selbstbefriedigend mit sich umzugehen, so ist das eine wichtige Basis für eine liebevolle, selbstfürsorgliche und positive Einstellung zu sich selbst und der späteren erwachsenen Sexualität.
Wird die Selbstbefriedigung der Kinder hingegen unterdrückt, bestraft oder manipuliert, so rebellieren viele Kinder. Exzessives Masturbieren im Kindesalter kann ein Hinweis auf eine lustfeindliche Erziehung sein, aber auch auf einen Mangel an bedingungsloser Liebe, Zuneigung und Zuwendung. Die Selbstbefriedigung ist dann ein kluges, resilientes Coping bzw. eine kompensatorische Krücke, um zumindest etwas Lust, Selbstfürsorge und Selbstliebe in das eigene Leben zu bringen. Umso wichtiger sind dann bedingungslose Liebe, Zuwendung und Förderung, damit das Kind eines Tages das exzessive Masturbieren nicht mehr benötigt.
Eine gesunde Haltung der erwachsenen Bezugspersonen zur Sexualität und zu kindlichen Selbstbefriedigung darf natürlich nicht falsch verstanden werden. In so mancher 1968er Kommune wurden Kinder auf übergriffige Weise schwer sexuell missbraucht, wenn die Eltern ihnen zeigten oder gar vorführten, wie Selbstbefriedigung geht. Kinder kommen schon alleine auf die Autoerotik und Selbstbefriedigung, und es reicht völlig aus, wenn sie spüren, dass die Eltern ihre Selbstbefriedigung gutheißen, bejahen und wertschätzen. Auch Grenzen können notwendig sein, etwa indem wir den Kindern behutsam und verständnisvoll vermitteln, dass es zuhause und alleine gesund und gut ist, sich zu masturbieren, dass dies aber nicht im öffentlichen Raum geschehen dürfe.
Hier finden Sie noch hilfreiche Links zur Vertiefung:
https://www.baer.bayern.de/entwicklung-von-0-bis-18/sexuelle-entwicklung/kindliche-sexualitaet/
Autor: Florian Friedrich
Psychotherapeut in Ausbildung unter Supervision
(Logotherapie und Existenzanalyse)
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