Vom Vielflieger zum Bahnfahrer

Unser Mann aus Bruck in Graz: Landesrat Jörg Leichtfried (SPÖ) erklärt den Ausbau der S-Bahn. | Foto: Pashkovskaya
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  • Unser Mann aus Bruck in Graz: Landesrat Jörg Leichtfried (SPÖ) erklärt den Ausbau der S-Bahn.
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Herr Landesrat, als EU-Parlamentarier waren Sie ein Vielflieger, als Verkehrslandesrat sind sie zum Bahnfahrer geworden. Eine Umstellung?
Jörg Leichtfried: Im Grunde war es für mich keine gravierende Umstellung. Die Tätigkeiten ähneln sich. In der Landesregierung bin ich jetzt näher und unmittelbarer an der Umsetzung dran, als Europapolitiker dauert es oft drei bis vier Jahre bis zu einer Realisierung.
Umgelegt auf meine Reisetätigkeit: Ja, ich fahre immer wieder mit der S-Bahn nach Graz. Dabei kommt man schnell mit den Menschen ins Reden und man merkt schnell was beispielsweise beim Bahnfahren gut funktioniert und wo es noch hapert. Für mich sind die Zugfahrten sozusagen "rollende Sprechtage".

In der Obersteiermark wartet alles auf den zugesicherten Ausbau der S-Bahn. Wie kann man sich diesen Ausbau vorstellen?
Die S-Bahn geht mit der Fahrplanumstellung im Dezember auf Schiene. Die S8 verkehrt von Bruck bis Unzmarkt, die S9 von Bruck bis Mürzzuschlag. Im ersten Schritt wird es in der Kernzone zwischen Leoben und Kapfenberg einen 30 Minuten-Takt geben, außerhalb der Kernzone gibt es nur in den Stoßzeiten diesen Halbstunden-Takt. Im zweiten Schritt soll bis 2018 die Kernzone von St. Michael bis Kindberg ausgeweitet werden. Bis 2020 wird die S-Bahn bis Trofaiach gehen.

S-Bahn ist eine Sache, die Anbindung des öffentlichen Verkehrs als Zubringer für die S-Bahn eine andere, ebenso kostenintensive Sache. Was gibt es da für Möglichkeiten?
Hier arbeiten wir an einer kombinierten Verkehrslösung. Zubringerfunktionen können Autobus, Rufbustaxis, private PKWs mit Park & Ride-Systemen übernehmen, aber auch Fahrräder und E-Bikes. Wir wollen hier mit einer Pilotregion vorpreschen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich diese Modellregion um eine obersteirische Bezirksstadt bildet.

Mit dem Semmeringbasistunnel wird an der Beseitigung eines Nadelöhrs der Transitverbindung der baltisch-adriatischen Achse gearbeitet. Die ständigen Berufungen und Einsprüche vor allem der Naturschutzorganisation Alliance for Nature sorgen ständig für Unruhe. Warum lassen sich ÖBB, Ministerien und Länder von einer Ein-Mann-Organisation so vor sich hertreiben?
Wir leben gottseidank in einem Rechsstaat und es ist legitim rechtsstaatliche Mittel auszuschöpfen. Ich bin jedoch nicht überzeugt, dass die Alliance for Nature eine Ein-Mann-Organisation ist. Es würde mich schon interessieren, wer diese Organisation finanziell unterstützt. Ginge es dieser Vereinigung nur um den Naturschutz, dann muss ich fragen, wo waren sie, als die Straßentunnel über den Semmering gebaut wurden; das waren ähnlich massive Eingriffe in die Natur?

Wann werden wir durch den Semmeringtunnel fahren?
2026! Davon bin ich überzeugt.

Ein Thema, das vor allem vielen Bürgermeistern unter den Nägeln brennt, ist der Bereich Landesstraßensanierung. Es gibt für 2016 ein ambitioniertes Sanierungsprogramm mit 83 Millionen Euro für die Steiermark und 8 Millionen für den Bezirk. Ist das mehr als ein Notprogramm?
Notprogramm will ich es nicht nennen. Tatsache aber ist, dass wir sehr viel Einsatz aufbringen müssen – sei es finanziell oder in der Schaffung von kreativen Lösungen – um den jetzigen Straßenzustand einigermaßen aufrecht erhalten zu können. So arbeiten wir auch an neuen Verkehrsleitsystemen, um den Schwerverkehr von den Landesstraßen fernzuhalten, damit halten die Straßen auch länger.

Sie sind ja auch Regionsvorsitzender der SPÖ Bruck-Mürzzuschlag. Hat man Gemeinderatswahl und Landtagswahl bereits verdaut bzw. was sind die Konsequenzen aus den zum Teil doch deutlichen Stimmenverlusten der SPÖ?
In einer für die SPÖ sehr schwierigen Situation braucht es den Mut, festzustellen, dass die SPÖ nach wie vor die einzig wahre Obersteiermark-Partei ist. Wir müssen nur wieder stärker in die Offensive kommen, damit wir in der Region wirklich etwas bewegen können. Dazu erarbeiten wir gerade ein Kooperations-Gremium zusammen mit dem Bezirk Leoben. Geeint sind wir schlagkräftiger und können mehr erreichen. Auch innerhalb der Landespartei hätten wir dann wieder mehr Gewicht.

Als Bezirkspartei ist man doch auch den Bundes- und Landesströmungen ausgesetzt. Sind Sie mit der Performance der SPÖ zufrieden?
Mit der Performance auf Landesseite muss ich wohl zufrieden sein, ich sitze ja selbst in der Regierung. Ich denke aber schon, dass wir mit einer starken regionalen Basis - hier spreche ich wieder den kooperativen Schulterschluss mit Leoben an - die Richtung auf Landesebene entscheidend mitbestimmen können. Und was die Bundespartei betrifft: Es läuft halt im Leben nicht immer so, wie man es sich gerne wünschen würde.

Das Interview mit Jörg Leichtfried wurde fotografiert von Katarina Pashkovskaya

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