Frauen in der Wirtschaft
Goldschmiedin Katharina Reimann im Gespräch

Katharina Reimann ist Goldschmiedin und besitzt seit Jänner 2019 ein eigenes Atelier in der Bürgerspitalgasse 18/2 in der Bundeshauptstadt Wien. Als Goldschmiedin stellt sie Schmuck aus Edelmetall her, ihr Steckenpferd ist dabei das "Urban Mining". Hier steht die Nachhaltigkeit im Fokus – alter Schmuck wird eingeschmolzen und daraus werden neue Stücke hergestellt. 

ÖSTERREICH. Bereits 2004 kam die gebürtige Deutsche im Zuge eines Praktikums mit dem Goldschmieden in Kontakt. Nach dem Abschluss ihres Masterstudiums der "Fine Arts" an der Universität Trier zog es Reimann 2017 nach Österreich. Hier gründete sie nicht nur gemeinsam mit anderen Künstlerinnen das Kunstschmuckkollektiv "KollektivKraft", sondern erfüllte sich auch den Traum von ihrem eigenen Atelier. Im Gespräch mit MeinBezirk.at sprach Reimann über das Berufsbild "GoldschmiedIn", ihre Erfahrungen als Frau in der Wirtschaft und ihre beruflichen Ziele. 

MeinBezirk.at: Was für eine Ausbildung haben Sie absolviert, um Goldschmieden werden zu können?
Katharina Reimann: Ich habe eine dreieinhalb Jahre lange Lehre gemacht, die habe ich damals noch in Deutschland gemacht an der staatlichen Zeichenakademie in Hanau. Das ist eine der ältesten und renommiertesten Schulen in Deutschland eigentlich dafür. Hier in Österreich kann man sie bei einem Goldschmied machen oder auch zum Beispiel auf der Herbststraße (eine Modeschule in Wien, Anmerkung) oder am Evangelischen Gymnasium, glaube ich. Und ansonsten gibt es auch in Kärnten noch eine Goldschmiedeschule. Danach habe ich Edelstein- und Schmuckdesign studiert in Idar-Oberstein, das ist das europäische Edelsteinzentrum. Da habe ich den Bachelor und Master gemacht und danach bin ich über ein Stipendium nach Österreich gekommen. 

Wie sind Sie auf den Beruf Goldschmiedin gekommen?
Ich habe mit 14 Jahren mein erstes Praktikum gemacht, das mussten wir im Rahmen der schulischen Laufbahn machen. Das ging zwei Wochen und ich war so begeistert, dass ich dann nebenbei – bis zum Ende der Matura – immer noch bei einer Goldschmiedin gearbeitet habe. Das war für mich eigentlich klar; ich wollte nie irgendetwas anderes machen. Segen und Fluch sozusagen (lacht).

Reimann im Schaufenster ihres Geschäfts in der Bürgerspitalgasse. | Foto: Reimann
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Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag von Ihnen aus? 
Ich komme ins Atelier. Ich gehe meine Liste durch, was für Anfertigungen ich gerade fertigmachen muss – gerade ist Ehering-Saison, das heißt, ich habe sehr viele Deadlines (lacht). Und schaue dann, was ich gerade zu tun habe, und dann hoffe ich, dass alles glatt läuft, setze mich an den Werktisch, hole meine Sachen raus. Und ja, dann lege ich los – in der Hoffnung, dass alles glatt läuft und nicht mehrere Anläufe braucht. Dann schaffe ich eben meistens das, was zu tun ist, oder muss halt leider manches auf den nächsten Tag verschieben. Aber ich plane das auch so. Ich habe früher in einer Goldschmiede gearbeitet, die Fließband gemacht hat – also ich habe 200 Anhänger gemacht, 200 Ohrringe. Und deswegen kann ich recht gut meine Arbeit planen und mache das halt so – oder versuche es so zu machen – dass ich Tage habe, wo ich löte; Tage, wo ich schmelze; Tage, wo ich nur versäubere.

Was hat ihr persönliches Umfeld davon gehalten, dass Sie sich in dieser Sparte selbstständig machen wollten?
Also mein Papa fand das ganz grauenhaft (lacht). Das war dann lustig, weil ich bin mit ihm zum Tag der offenen Tür in Hanau gegangen und er hat gesagt 'Na, wenn du den Beruf schon lernen musst, dann mach's wenigstens hier, weil das hat Hand und Fuß' (lacht). Und ansonsten gab es einige, die es noch gar nicht kannten. Und ja natürlich viele, die dann ankommen und sagen: 'Hey, ich habe einen Ohrring, kannst du mir den reparieren?' oder 'Ich brauche xzy'. Prinzipiell sind die Leute schon ganz happy darüber, dass ich das mache.

Wie haben Sie es geschafft, erfolgreich Karriere zu machen? Was sind Ihre Geheimnisse?
Sollte ich das wirklich verraten, was meine Geheimnisse sind? (lacht) Ich glaube, das gute an dem, was ich mache, ist erstens Mal, dass ich eine sehr fundierte Ausbildung habe und deswegen recht umfangreich aufgestellt bin, auf der einen Seite; aber auf der anderen Seite eben auch meine Sparte gefunden habe. Natürlich habe ich Laufkundschaft, die reinkommt und Reparaturen haben möchte oder Anfertigungen, die gar nicht meinen Stil entsprechen; was aber kein Problem ist, weil ich einfach gelernt habe, im Stil von anderen Menschen zu designen. Aber auf der anderen Seite habe ich natürlich auch so ein kleines Steckenpferd und das ist eben das Recyceln von Gold und Silber. Und das trifft, glaube ich, so ein bisschen den Zahn der Zeit heutzutage. Also es gibt viel Schmuck, der in vielen Kästen rumliegt und nicht getragen wird; und das finde ich schade, weil das ist auf der einen Seite eine Ressource und auf der anderen Seite ist es auch ein Erinnerungsstück. Ich finde, Schmuck sollte immer getragen werden, weil Schmuck hat keinen anderen Daseinsgrund, als den Menschen zu schmücken. Und ich finde es immer schön, wenn man alten Stücken wieder neues Leben einhauchen kann. Das ist das, was ich am liebsten mache. Das ist mein Geheimnis, vielleicht.

Welche Hürden sehen Sie in Österreich, um sich selbstständig zu machen?
Also, es ist manchmal ein bisschen schwierig mit der Selbstständigkeit in Österreich, einfach wegen der ganzen Regulatoren. Also zum Beispiel gibt es in Österreich einen Meister-Zwang, was ich an sich nicht schlecht finde – also, dass Goldschmieden ein reglementiertes Gewerbe ist, das du nur ausüben kannst, wenn du deinen Meister hast. Weil ich meinen Meister auf universitärer Laufbahn gemacht habe, musste ich den hier noch mal nachmachen. Das wäre natürlich in Deutschland etwas einfacher gewesen, oder in anderen Ländern. Ja, aber ansonsten finde ich das auch ganz cool, man kennt sich in der Goldschmiede-Szene, man hilft sich, oder man hilft sich nicht – je nachdem, ob man sich mag (lacht). Aber prinzipiell habe ich schon das Gefühl, dass es auch durchaus Vorteile gibt.

Was braucht es Ihrer Meinung nach noch in Österreich, um sich leichter selbstständig machen zu können?
Ich finde, eine Selbstständigenförderung wäre cool, also im größeren Maße. Und vielleicht auch Steuererleichterungen und auch das mit der Krankenversicherung ist immer etwas hakelig am Anfang. Ja, das wären, glaube ich, coole Sachen, um das einfacher zu gestalten. Und vielleicht auch die Möglichkeit, gerade für Absolventinnen und Absolventen der Herbststraße oder so was, sich einfacher selbstständig zu machen, auch wenn man keinen Meister hat. 

Sind Sie für die Einführung einer 32-Stunden-Woche?
Ja, total. Also auch wenn ich jetzt noch keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habe, ich habe ab morgen (4. Juli, Anmerkung) eine Praktikantin. Tatsächlich brauche ich auch irgendwann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber ich bin vollkommen dafür. Ich bin sogar für eine Viertagewoche; vollkommen dafür. Weil ich habe das Gefühl, dass Menschen einfach motivierter sind und ausgeglichener und entspannter. Ja, es hat sehr viele Benefits auch für das Zusammenarbeiten. Und auch wenn es bei uns mal stressig wird, finde ich das total super, wenn dann die Person auch genug Ausgleichszeit hat. 

Welche Hürden sehen Sie in Österreich für Frauen in der Wirtschaft?
(lacht) Ja, also das schöne am Goldschmieden ist eigentlich, dass es ein Beruf ist, den immer mehr Frauen ausüben. Das heißt, ich persönlich habe jetzt nicht mehr so viele Hürden wie vielleicht in anderen männerdominierten Berufen. Trotz allem ist es natürlich so, dass gerade im Goldschmieden es so ist, dass jeder sein eigenes Wissen anhäuft und jeder auch gerne mit dem Wissen angibt (lacht) und man auch vielleicht das ein oder andere Mal mit Wissen konkurriert. Und das bekommt man natürlich als junge Frau dann auch zu spüren. Da muss man sich dann eben behaupten und muss sagen 'Ja, ich weiß das, oder ich kenn mich mindestens genauso gut aus'. Oder ja, eben auch annehmen, weil es ist halt auch cool, wenn man von jemandem, der lange im Business ist, noch den einen oder anderen Tipp bekommt.

Haben Sie jemals Erfahrungen damit gemacht oder das Gefühl gehabt, es als Frau in der Wirtschaft schwerer zu haben als Männer?
Ja, total. Also es gibt ja auch verschiedene Studien, dass man als selbstständige Frau weniger für die eigenen Dienste verlangt als Männer für die vergleichbare Anfertigung. Und das merke ich oft. Und auch, dass man als Frau öfter, ja vielleicht, die Kompetenz abgesprochen bekommt. Es gibt halt oft Menschen, die dann sagen 'Ja, können Sie das überhaupt?' oder 'Das ist ja so eine schwere körperliche Arbeit' oder 'Das (die hölzerne Ziehbank im Atelier, Anmerkung) ist ja doch bestimmt nur zur Deko da, oder verwenden Sie das wirklich?' (lacht). Dann sage ich immer, 'Ja, mache ich' (lacht). 'Und das ist auch vollkommen okay so, ich habe mir das ausgesucht'. Also ja, das spüre ich durchaus. 

Das Atelier in der Bürgerspitalgasse. | Foto: Reimann
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Haben Sie Kinder? Und wenn ja, wie schaffen Sie die "Doppelbelastung"?
Nein. Also ich habe ein Kind, mein Atelier (lacht).

Welche Tipps haben Sie für junge Frauen, die Erfolg haben wollen?
Ich glaube, das kommt auf die Branche ganz stark an. Ich kann jetzt auch nur von meiner Branche reden. Ich würde sagen, dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben, dranbleiben; durchbeißen. Trotzdem auch Pause machen, weil sonst ist man am Ende der Kräfte, bevor man überhaupt angefangen hat. Ich bin ja auch seit 2019 hier und während der Corona-Zeit habe ich mein Atelier renoviert. Das waren alles Ausgaben, wo ich nicht wusste, ob sich das wirklich irgendwann rentiert. Aber ja, es ist wunderbar, wenn dann die ersten Kundinnen und Kunden am Fenster vorbeigehen, stehen bleiben, reinkommen und sich für die Schmuckstücke interessieren, die man selber entworfen hat. Und ja, durchhalten ist wirklich schwierig, aber es zahlt sich aus. Und wenn man eine Möglichkeit hat, sollte man Kredite aufnehmen (lacht)

Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie noch in Ihrem Berufsleben?
Ich würde extrem gerne selber ausbilden, weil ich gesehen habe... also ich habe immer wieder junge Menschen hier im Atelier stehen, die nach einem Ausbildungsplatz fragen. Und ich finde, es ist so ein schöner Beruf und das ist so viel Wissen, das man weitergeben kann. Und ich finde, wir haben hier auch so eine super Konstellation, weil ich auch noch eine zweite Meisterin mit hier drinnen habe. Und wir könnten superviel den Menschen beibringen – oder den Auszubildenden, die wir dann hoffentlich irgendwann haben. Wir müssen aber beide, weil wir beide den Meister woanders gemacht haben, müssten wir noch die Ausbilderprüfung machen. Aber dann irgendwann werden wir hoffentlich auch ausbilden können. Das ist auf jeden Fall ein großes Ziel von mir. Und das andere ist natürlich, dass ich davon leben kann, und gut leben kann; dass ich angenehme und freundliche KundInnen habe, denen ich eine Freude machen kann und die dann ihre Stücke tragen können.

Infos zu Katharina Reimann gibt es auf www.katharinareimann.info

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