Österreichischer Buchpreis 2022
Diese fünf Bücher sind auf der Shortlist

Insgesamt wurden 133 Werke für den Österreichischen Buchpreis 2022 eingereicht – fünf davon hat die Jury nun auf die Shortlist aufgenommen. | Foto: Österreichischer Buchpreis
3Bilder
  • Insgesamt wurden 133 Werke für den Österreichischen Buchpreis 2022 eingereicht – fünf davon hat die Jury nun auf die Shortlist aufgenommen.
  • Foto: Österreichischer Buchpreis
  • hochgeladen von Dominique Rohr

Insgesamt wurden 133 Werke für den Österreichischen Buchpreis 2022 eingereicht – fünf davon hat die Jury nun auf die Shortlist aufgenommen. Der Sieger-Text wird im Rahmen der "Buch Wien 22" am 21. November 2022 gekürt.

ÖSTERREICH. Im siebenten Jahr des Bestehens des Preises reichten 58 Verlage 110 Titel für den Österreichischen Buchpreis ein – für den Debütpreis haben sich 18 Verlage mit 23 Erstlingstiteln beworben. Insgesamt sind damit 133 Werke, die zwischen 8. Oktober 2021 und 11. Oktober 2022 erschienen sind bzw. noch erscheinen werden, im Rennen.

Unter den 133 eingereichten Titeln aus den Bereichen Belletristik, Lyrik, Drama und Essay stammen 35 Verlage aus Österreich, 26 aus Deutschland und einer aus der Schweiz. Auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis 2022 sind folgende Werke bzw. Autorinnen und Autoren:

  • Helena Adler - Fretten (Jung und Jung Verlag) 
  • Reinhard Kaiser-Mühlecker - Wilderer (S. Fischer Verlag) 
  • Anna Kim - Geschichte eines Kindes (Suhrkamp Verlag) 
  • Robert Menasse - Die Erweiterung (Suhrkamp Verlag) 
  • Verena Roßbacher - Mon Chéri und unsere demolierten Seelen (Verlag Kiepenheuer & Witsch)
Diese fünf Werke haben es auf die Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2022 geschafft. | Foto: Österreichischer Buchpreis
  • Diese fünf Werke haben es auf die Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2022 geschafft.
  • Foto: Österreichischer Buchpreis
  • hochgeladen von Dominique Rohr

Die für den Debütpreis nominierten Titel sind:

  • Lena-Marie Biertimpel – Luftpolster (Leykam Verlag)
  • Sirka Elspaß – ich föhne mir meine wimpern (Suhrkamp Verlag)
  • Anna Maria Stadler – Maremma (Jung und Jung Verlag)
Das ist die Debüt-Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2022. | Foto: Österreichischer Buchpreis
  • Das ist die Debüt-Shortlist des Österreichischen Buchpreises 2022.
  • Foto: Österreichischer Buchpreis
  • hochgeladen von Dominique Rohr

Helena Adler - Fretten

Die Jury: „Die Ich-Erzählerin in Helena Adlers Roman „Fretten“ leidet an „Herkunftshader“ – und an der österreichischen Provinz, wo die Leichen des Ungesagten nicht im Keller liegen, sondern sich in der Stube stapeln. Es handelt sich dabei um eine Welt des Verschweigens und der Unschärfe, in der Trugbilder, Selbstlüge und Erinnerung ineinander verschwimmen. Zugleich aber ist es auch eine an ihrer Oberfläche scharf konturierte Welt, die sehr genau zwischen Dazugehörigen und „Unverwandten“ zu trennen weiß. Dagegen rennt Helena Adlers Erzählerin an, mit Unangepasstheit und vor allem mit Worten. „Fretten“ handelt vom ländlich Schönen der Kindheit, von jugendlichem Aufbegehren, Alternativlosigkeit, die sich in Gewalt entlädt, ebenso wie von Mutterschaft. Der Roman spielt mit den Elementen dessen, was seit Thomas Bernhard, Franz Innerhofer und Elfriede Jelinek als „Anti-Heimatliteratur“ gilt. Doch Helena Adler will die „Heimat“ und die Auswirkungen, die sie auf ihre Bewohner oder Insassen hat, nicht nur anklagen oder aufzeigen, sie will sie durch eine Überfülle von Sprache und Bildern neutralisieren. Besseres kann man von Literatur nicht erwarten, zumal dieser virtuose Roman nicht nur Risse in die Mauern des Schweigens sprengt, sondern weit über die vermeintliche Provinz hinausgeht, indem er von Randständigkeit, unstillbarem Verlangen und einem Schmerz erzählt, der sich der Gewöhnung verweigert.“

Reinhard Kaiser-Mühlecker - Wilderer 

Die Jury: „Oberflächliche Effekte sind Reinhard Kaiser-Mühleckers Sache nicht, vielmehr interessieren ihn Tiefenstrukturen und Atmosphäre. Obwohl noch jung an Jahren verfügt dieser 1982 in Oberösterreich geborene Schriftsteller mit mehr als einem halben Dutzend Romanen und einem Erzählband bereits über ein umfangreiches Werk, das Motive wie existenzielle Verlorenheit, fragile Zweisamkeit von Frau und Mann sowie das Schweigen über die Vergangenheit grundieren. Ort der Handlung ist oft das bäuerliche Umfeld, aus dem Kaiser-Mühlecker stammt. Es wird allerdings nicht als antiurbane Idylle beschworen, auch nicht als Unort verdammt, sondern als Bestandteil einer sich auch ökologisch im Umbruch befindenden Kulturlandschaft und Gesellschaft gezeigt. Das ist auch in „Wildern“, seinem achten Roman, nicht anders, der aus der Er-Perspektive vom Jungbauern Jakob erzählt. Dieser Jakob ist ein Befremdeter, vielleicht auch ein Lebensfremder, der den heruntergewirtschafteten Hof vom Vater übernimmt und ihn mit seiner Frau Katja auf Vordermann bringt. Ein Kind wird geboren, Erfolg stellt sich ein. Alles sieht bestens aus und ist doch zum Zerbrechen verurteilt. Das „Warum“ ist in diesem Roman, der um einen dunklen Kern kreist, wichtig, noch überzeugender ist, wie Reinhard Kaiser-Mühlecker erzählt und in ruhigem Ton ein komplexes Netz abgründiger Handlungsfäden auswirft, dem man sich nicht entziehen kann.“

Anna Kim - Geschichte eines Kindes

Die Jury: „Anna Kims „Geschichte eines Kindes“ ist eine eindringliche literarische Auseinandersetzung mit den Themen Rassismus, Herkunft und Zugehörigkeit sowie den damit verbundenen Vorurteilen. Der spannungsreich aufgebaute Roman basiert auf zwei Erzählsträngen. Zum einen handelt er von einem USA-Aufenthalt einer österreichischen Schriftstellerin im Jahr 2013. Zum anderen wird ausführlich aus den Akten des Sozialdienstes der Erzdiözese Green Bay aus den Jahren 1953 bis 1959 zitiert, in denen es um ein uneheliches Kind und den hindernisreichen Weg bis zu seiner Adoption geht. Was diesen Prozess so kompliziert macht, ist der Verdacht, dass das Kind einen schwarzen Vater hat – in einer homogen weißen Umgebung wird das als Skandal betrachtet. Kim hat diesen Erzählstrang auf tatsächlichem Aktenmaterial aufgebaut und die ausführlichen Zitate daraus machen auf eindrucksvolle Weise den obsessiv rassistischen Blick der zuständigen Behörden deutlich, denen es um die Vermessung aller körperlichen Details des Kindes geht, als ob das etwas über seinen Charakter und sein Wesen aussagen würde. Der Roman macht den Trugschluss, von äußerlichen Merkmalen auf Zugehörigkeit und Identität zu schließen, aber auch in der gegenwärtigen Gesellschaft sichtbar. So schafft es die Autorin, ein aktuelles Thema nicht nur mit historischer Tiefenschärfe zu behandeln, sondern es auch in eine überzeugende erzählerische Form zu bringen.“

Robert Menasse - Die Erweiterung

Die Jury: „Die EU gilt als schwervermittelbar. Eine Institution ohne Glamour, dafür mit Demokratiedefizit, wie es oft kritisch heißt. Und überhaupt lässt sich schwer sagen, wer genau eigentlich das Gesicht der EU sei. Das hat Robert Menasse schon in seinem ersten von drei geplanten EU-Romanen umgetrieben. In „Die Hauptstadt“ ging es um das irrwitzige Vorhaben, aus dem polnischen Auschwitz die politische und symbolische Mitte Europas zu machen. In „Die Erweiterung“ nun wird ein zweites heißen Eisen angefasst: das der EU-Beitrittskandidaten. Ausgerechnet Albanien soll den Mitgliederstatus erhalten. Naturgemäß hat das Projekt in der EU mehr Feinde als Freunde. Und Robert Menasse wäre nicht Robert Menasse, würde er diese politische Abenteuergeschichte nicht mit einem ebenso packenden wie witzigen Plot auskleiden. Ein Nationalheiligtum wird gestohlen. Zwei alte Solidarność-Kämpfer bekriegen sich. Und ein österreichischer EU-Beamter verliebt sich heillos in seine albanische Kollegin. „Die Erweiterung“ ist ein furioser zweiter Roman über die ach so langweilige EU. Furios, weil Robert Menasse eine europäische Liebesgeschichte erzählt, eine absurde Kriminalgeschichte in ihr entrollt und zudem allerhand gewieftes Politpersonal auftreten lässt. Nach dieser Lektüre kann keiner mehr behaupten, die EU habe kein Gesicht.“

Verena Roßbacher - Mon Chéri und unsere demolierten Seelen 

Die Jury: „Charly Benz: Anfang vierzig, Langzeitsingle, ernährt sich von Fertiggerichten, raucht Kette, hört in ihrer Freizeit Bibi Blocksberg Hörspiele und öffnet aus Angst vor schlechten Nachrichten ihre Post nicht. „Ja, das war das Problem, ich musste immer alles alleine machen, Essen kochen und Musik machen, mich vor meiner Post fürchten, einfach alles. Ich seufzte. So wie es aussah, würde ich auch meine Kinder in Eigenregie zeugen müssen, sollte ich je welche haben wollen. Ich musste mir eingestehen: Die Zeit arbeitete gegen mich.“ Das also ist die Romanheldin! Eine desolat-komische Frauenfigur und damit literaturgeschichtlich eine Rarität. Denn komische Frauen haben es schwer bei der Leserschaft. Verena Roßbacher ist es gelungen, mit ihrer Charly Benz nicht nur eine Figur zu schaffen, die man nie mehr vergisst. Sie gesteht ihr auch eine geradezu unglaubliche Persönlichkeitsentwicklung zu. Aus der schrulligen Außenseiterin mit einem Faible für Werbeclips aus den neunziger Jahren (Mon Chéri!) wird im Verlauf dieses rasant lustigen Romans eine Vorreiterin alternativer Lebens- und Liebesmodelle. Nicht nur gibt es auf einmal drei potenzielle Väter für ein Baby. Auch wird ein schwerkranker Mann angstfrei in den Tod begleitet. „Mon Chéri und unsere demolierte Seelen“ erzählt eine Geschichte vom Loslassen. Zwischendrin gibt es Slapstick vom Feinsten. Lustige Frauen, das lernen wir mit Verena Roßbacher, sind einfach unwiderstehlich!“

Die Jury

Die Jury für den Österreichischen Buchpreis setzt sich 2022 aus Bernhard Bastien (Buchhändler, Buchhandlung Lerchenfeld), Edith-Ulla Gasser (Redakteurin, Ö1), Stefan Gmünder (Literaturkritiker, Der Standard und Volltext), Katharina Teutsch (Literaturkritikerin, FAZ) und Günther Stocker (Literaturwissenschaftler, Universität Wien) zusammen.

Preisverleihung am 21. November

Erst am Abend der Preisverleihung am 21. November 2022 erfahren die fünf Autorinnen und Autoren der Shortlist sowie die drei Autorinnen und Autoren der Debütpreis-Shortlist, wem der Österreichische Buchpreis und der Debütpreis zuerkannt werden. Die Preisträgerin bzw. der Preisträger erhält 20.000 Euro – die vier anderen Finalistinnen und Finalisten jeweils 2.500 Euro. Der Debütpreis ist mit 10.000 Euro dotiert – die beiden weiteren Debütpreis-Finalistinnen und Finalisten bekommen ebenfalls 2.500 Euro.

Das könnte dich auch interessieren:

Xaver Bayer erhält den Österreichischen Buchpreis
Ana Marwan erhält Bachmann-Preis 2022

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.