Wissenschaftlerin untersucht
Wie es Eltern und Kindern in der Corona-Pandemie geht

In ihrer qualitativen österreichweiten Längsschnittstudie „Eltern und die COVID-19-Pandemie“ beschäftigt sich die Familiensoziologin Ulrike Zartler mit den kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf Familien und gibt einen detaillierten Einblick in ihre Lebenswelten im gesamten Verlauf der Pandemie. | Foto: Luiza Puiu
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  • In ihrer qualitativen österreichweiten Längsschnittstudie „Eltern und die COVID-19-Pandemie“ beschäftigt sich die Familiensoziologin Ulrike Zartler mit den kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf Familien und gibt einen detaillierten Einblick in ihre Lebenswelten im gesamten Verlauf der Pandemie.
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Die COVID-19-Pandemie stellt Eltern vor enorme Herausforderungen. Wie gehen Eltern mit den COVID-19-bedingten Einschränkungen um? Wie organisieren sie Familienalltag, Kinderbetreuung und Berufsarbeit? Welche Veränderungen zeigen sich im Zeitverlauf? In ihrer qualitativen österreichweiten Längsschnittstudie „Eltern und die COVID-19-Pandemie“ beschäftigt sich die Familiensoziologin Ulrike Zartler mit den kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der Pandemie auf Familien und gibt einen detaillierten Einblick in ihre Lebenswelten im gesamten Verlauf der Pandemie.

ÖSTERREICH. Der Wecker läutet für Maria T. um 4 Uhr, damit sie, bevor die Kinder aufstehen, noch Zeit hat, drei Stunden an ihrem Pensum „wegzuarbeiten“, um sich am Nachmittag um das Lernen mit den Kindern kümmern zu können. Wie alle Mütter in Österreich muss die Alleinsorgenden mit zwei Kindern versuchen, ihren 40 Stunden Job im Homeoffice mit der Betreuung und dem Unterrichten der schulpflichtigen Kinder zu vereinbaren. Dass sie dabei völlig ausbrennt, ist offensichtlich. Anders bei Teresa F: Sie teilt sich die Betreuung ihres einzigen Kindes mit ihrem Mann, außerdem ist noch eine Oma da, die sich traut, auch in Coronazeiten auf das Enkerl aufzupassen. 

Mütter bezahlen Studenten, um mit Kindern zu lernen

Die Belastungen in den Familien in der Corona-Pandemie könnten unterschiedlich nicht sein, trifft aber jene, die über weniger Einkommen und Ressourcen verfügt in der Regel härter als jene, die über höheres Einkommen und Ressourcen verfügen: So haben sich zahlreiche besser gestellte Familien arrangiert und Mütter berichten davon, Studenten engagiert zu haben, die mit den Kindern zuhause das Distance-Learning machen, sprich: Studenten, die mit den Kindern den Schulstoff lernen, damit die Mütter ihrer Arbeit nachgehen können.

Distance Learning nach Belieben

Unterschiedlich ist auch die Art, wie jede Schule das Homeschooling durchführt wird: Während ein Gymnasium den Vorgaben des Ministeriums konform jede Stunde laut Stundenplan via Teams-Meeting oder via Zoom abhält, gibt es ebenso Schulen, an denen nur drei, vier Onlinestunden in der Woche abgehalten werden. Mütter berichten ebenso von Fällen, in denen das Kind noch nicht einmal in einem Hauptfach wie Englisch, Mathe, Deutsch im Distance Learning jemals den Lehrer online zu Gesicht bekommen hat.

Öffentliche Häme

Auch hier: Alles bleibt an den Eltern hängen. Und wäre das nicht schon Belastung genug, kommt dazu noch die öffentliche Häme der politischen Player dazu: Man erinnert sich an Bundeskanzler Kurz, der sich bei einer Pressekonferenz (am 21. April 2020) vor die Kamera stellte, und meinet, es sei „keine Schande“, seine Kinder in Betreuung zu geben, „wenn man es nicht mehr aushält“. Damit suggeriert er eine Geringschätzung von Bildungseinrichtungen und Bildungsberufen. Weiters lässt er damit auch jegliche Anerkennung den Eltern gegenüber vermissen, die in der Krise wichtige Aufgaben der Gesellschaft übernommen haben.

Stigmatisierte Eltern und Kinder

Wenige sprechen öffentlich darüber, noch wenigere forschen dazu: Die Familiensoziologin Ulrike Zartler ist eine jener, die das tut. Mit ihrer Arbeit leistet sie Pionierarbeit: Seit einem Jahr befragt sie in der Langzeitstudie „Familienleben und Corona“ Familien in Österreich. Ziel: Die Wissenschaftlerin will herausfinden, wie es Eltern und Kindern in der Pandemie geht und was sie brauchen würden. Denn auch ein Jahr nach dem ersten Lockdown leben Österreichs Familien noch immer in einem Ausnahmezustand. Die„neue Normalität“ hält sie in Unsicherheit. „Was die Familien brauchen? Mehr Klarheit, funktionierende Betreuungseinrichtungen und das politische Bemühen, diese zur Verfügung zu stellen, finanzielle, organisatorische und rechtliche Unterstützung wie Homeoffice-Regelungen. Aber auch etwas, was politisch schnell umsetzbar wäre: eine wertschätzende Kommunikation seitens der Politik“, so Ulrike Zartler in einem Artikel von scilog, dem Magazin des Wissenschaftsfonds FWF

Eltern müssen Kinder fürs Meeting vor TV parken

Welche Strategien wählten Eltern, um den Spagat zwischen Homeoffice, Homeschooling und Familienversorgung zu schaffen? Die Soziologin erzählt in scilog von Frauen, deren Arbeitstag um vier Uhr früh beginnt, damit sie schon einmal drei Stunden arbeiten können, bevor sie den Rest der Familie wecken. Sie berichtet von Müttern, die während ihrer Videokonferenzen die Kinder im Nebenzimmer vor dem Fernseher parken, um den Eindruck zu erwecken, alles laufe bestens.

Abwertung der Bildungsberufe

„Wenn dem aber so wäre, bräuchte man ja keine Schulen und Betreuungseinrichtungen“, so Ulrike Zartler und sieht in dieser Diskussion eine klare Abwertung der Bildungsberufe. Hier bringt sie folgendes Beispiel: „Würden Sie einer Kindergartenpädagogin vertrauen, die behauptet, sie könne ihre Kinder hervorragend betreuen, während sie nebenbei E-Mails beantwortet und ein paar Telefonkonferenzen führt? Das ist genau die Situation, in der die Eltern im Homeoffice waren.“

Betreuung und Bildung den Eltern aufgebürdet

Als Farce empfanden viele die Situation beim zweiten Lockdown im November: Ein Anspruch auf Sonderbetreuungszeiten war zwar medienwirksam von der damaligen Ministerin gesetzlich verankert worden. Den Eltern kam er dennoch nicht zugute: Denn da in den Schulen Betreuung angeboten wird, sind die Schulen nicht geschlossen. 

Eltern werden im Stich gelassen

Eltern standen also nun vor der Wahl: Entweder ihre Kinder zuhause lassen und sie jenseits des Onlineunterrichts, der in Länge und Qualität von Schule zu Schule sehr unterschiedlich war nebenberuflich selbst betreuen oder sie in die Betreuung geben, wo sie aber am Onlineunterricht nicht teilnehmen können. „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen sich alles individuell ausverhandeln und fühlen sich von der Politik völlig alleingelassen gefühlt“, so Zartler.

Quellen: scilog, das Magazin des Wissenschaftsfonds FWF

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