Reisebüros kämpfen ums Überleben
"Wir fühlen uns vom Finanzministerium gefrotzelt"

Österreichs Reisebüros fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen. Trotz Reiseverbote und Reisewarnungen steht ihnen kein Umsatzersatz zu.  | Foto: yousef alfuhigi
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"Wir sind fassungslos, entsetzt und mehr als verzweifelt!"– In einem offenen Brief an die Regierungsspitzen machen die Branchenverbände ÖVT (Österreichischer Verein für Touristik) und ÖRV (Österreichischer ReiseVerband) am Mittwoch ihrem Ärger Luft. Die heimischen Reisebüros fühlen sich im Stich gelassen. Die Branche ist aus dem Umsatzersatz im zweiten Lockdown ausgeklammert. "Wir sind die Branche, die am stärksten von der Pandemie betroffen ist", sagt Richard Senft, Geschäftsfüher des Wiener Reisebüros "Enjoy Reisen" im Gespräch mit den Regionalmedien Austria (RMA). Man brauche jetzt dringend finanzielle Unterstützung. 

ÖSTERREICH. "Die Reisebüros sind zwar nicht behördlich geschlossen worden. Gleichzeitig darf man aber für touristische Zwecke nicht ins Ausland reisen. Auch im Inland gibt es keine Möglichkeit, weil die Hotels geschlossen sind", schildert Reisebürobesitzer Richard Senft die existenzbedrohende Lage. "Unsere Geschäftsgrundlage ist komplett weggebrochen. Das kommt einem Berufsverbot nahe". An Österreichs Reisebüros hängen laut den Branchenvereinen ÖVT und ÖRV 10.000 Arbeitnehmer, 2.500 Betriebe kämpfen ums Überleben. 

Finanzministerium verweist auf Gesundheitsbehörde

Es gebe jetzt mehrere offene Briefe, um sich bei der Regierung Gehör zu verschaffen, erzählt Senft. "Wir fühlen uns im Stich gelassen. Ich spreche da für eine ganze Branche mit 10.000 Mitarbeitern und einem Bruttoinlandsprodukt von 4,7 Milliarden." Das Finanzministerium erklärte am Mittwoch in einer Stellungnahme der APA, der Umsatzersatz sei nur für behördlich geschlossenen Unternehmungen gedacht. Schließungen obliegen dem Gesundheitsministerium. Im Gesundheitsministerium verwies man auf auf die rechtliche Begründung zur Covid-19-Notmaßnahmenverordnung. Laut dieser ist das "Betreten von Dienstleistungsunternehmen, die keine Freizeiteinrichtungen sind und keine körpernahen Dienstleistungen erbringen", nicht untersagt. Dienstleistungsbetriebe würden "fast ausschließlich" mit Terminvereinbarung arbeiten und könnten Kundenkontakte genau steuern. Dadurch seien dort vergleichsweise wenige Kunden gleichzeitig anwesend. 

Senft: "Haben 95 Prozent weniger Umsatz"

"Wir fühlen uns von den Ministerien gefrotzelt. Man kann ein Gewerbe nicht offen lassen und nicht behördlich schließen, wenn man laut Gesundheitsministerium gar nicht auf Urlaub fahren darf", reagiert Senft. "Das Außenministerium sagt uns wiederum, dass es unter gewissen Voraussetzungen möglich ist zu reisen. Es ist skurril."

"Die Identität der Kunden und die Dauer ihres Aufenthalts sind bekannt und nachvollziehbar, sodass allfällige Infektionen mittels Contact Tracing leicht nachvollziehbar sind", begründet das Gesundheitsministerium das Offenhalten der Reisebüros. Aber macht es so Sinn, offenzuhalten? "Das macht gar keinen Sinn. Wir haben seit März einen Umsatzeinbruch von 95 Prozent. Das hat sich bis zum heutigen Tag nicht geändert", entgegnet Richard Senft. Die Branche respektiere den Lockdown. "Ich hab mein Büro zugesperrt, weil ich respektvoll mit der gesundheitlichen Gefahr umgehen möchte". Das Argument mit der Terminvereinbarung stimme so auch nicht, erläutert Senft weiter. "Man braucht in einem Reisebüro keinen Termin, wie beim Arzt. Nur Stammkunden machen das ab und zu. Die Aussage vom Gesundheitsministerium ist Schwachsinn." 

Umsatzersatz gefordert

Der Reisebürobesitzer fordert vehement einen Umsatzersatz für die Branche. Wie hoch dieser sein soll, möchte er nicht festlegen, aber: "Wenn eine Geschäftsgrundlage komplett wegfällt, wie etwa bei der Gastro, die 80 Prozent Umsatzersatz bekommt, würde ich mir auch für uns einen ähnlichen Prozentsatz wünschen", so Senft. "Ich verstehe den Konsumenten vollkommen, wenn er momentan nicht auf Urlaub fahren will, mit PCR-Tests und Quarantäne. Dann muss aber der Staat, – wenn er der Gastronomie und anderen Branchen großzügig unter die Arme greift – jetzt für die Reisebranche etwas machen". 80 Prozent Umsatzersatz seien hochgegriffen, "aber wenn man sich in der Mitte trifft, dann wäre das für uns okay."

"Lassen uns nicht abspeisen" 

Wie es mit der Reisebranche weiter geht, ist auch für das Jahr 2021 mehr als unsicher. Es gebe vereinzelt noch Buchungen, die bereits vor dem ersten Lockdown gebucht wurden, erklärt Senft. "Studienreisen und Gruppenreisen werden sehr langfristig gebucht. Die Buchungen die wir als 'Enjoy Reisen' für 2021 haben, wurden alle schon vor dem März 2020 gebucht. Werden die Reisewarnungen nicht aufgehoben, und man nimmt nicht endlich bilaterale Gespräche auf, werden auch diese Reisen storniert werden". Alles hänge jetzt von einer möglichen Impfung ab, "und dann wird auch wieder gereist werden. Bis dahin können die Ministerien uns aber nicht abspeisen", betont Senft. 

Es gebe sowohl von Hotel und Fluglinien gute Hygienekonzepte im In- und Ausland. "Schön wäre es wenn die Menschen auch ihren Österreich-Urlaub im Reisebüro oder direkt bei den Hotels buchen und nicht auf ausländischen Buchungsplattformen", sagt der Reisebürobesitzer abschließend. Denn das seien Gelder, die nich in Österreich versteuert werden. 

Reisebüros fordern finanzielle Unterstützung
Österreichs Reisebüros fühlen sich von der Bundesregierung im Stich gelassen. Trotz Reiseverbote und Reisewarnungen steht ihnen kein Umsatzersatz zu.  | Foto: yousef alfuhigi
Foto: Benjamin Voros

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