SPÖ-Chef im Interview
Andreas Babler: "Ich bin ein neuer Politiker-Typ!"

SPÖ-Chef Andreas Babler: Wir machen Politik, die die Bedingungen für 98 Prozent der Menschen in dem Land verbessert. | Foto: Roland Ferrigato
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SPÖ-Chef Andreas Babler im Gespräch mit MeinBezirk.at über seine Wahlziele, unser Gesundheits- und Pflegesystem, die Teuerung, Konzepte zum Umweltschutz und seine Familie.

ÖSTERREICH. Andreas Babler verrät im Gespräch mit MeinBezirk.at einige der Schwerpunkte, die er im April in einer Rede für die Partei setzen wird, und mit denen er in den Wahlkampf geht.

MeinBezirk.at: Laut Meinungsforscher Peter Hajek haben Sie als Person rund 40 Prozent Potenzial in der österreichischen Wählerschaft. Nahezu jeder Zweite in dieser Zielgruppe moniert jedoch Ihre zu linke Positionierung. Lässt Sie das kalt? Wie links sind Sie wirklich?
Andreas Babler: Laut anderen Umfragen wünschen sich zwei Drittel der Menschen die SPÖ in der Regierung. Das ist eine hohe Zustimmung. Wir machen Politik, die die Bedingungen für 98 Prozent der Menschen in dem Land verbessert. Da sind wir mit Abstand die stärkste Partei, weit vor allen anderen. Und wir werden jetzt Stück um Stück zeigen, wie wir die Bedingungen verbessern wollen. Ich will die Wahl-Auseinandersetzung gewinnen. Unser Ziel war im Juni, dass wir bei Umfragen von 19 Prozent um fünf bis sechs Prozent zulegen. Obwohl jetzt mehr Parteien im Rennen sind, liegen wir aktuell bei 25 Prozent. Wir werden auch unser Ziel schaffen, stärkste Partei zu werden, da bin ich mir ganz sicher. 

Sie haben vor wenigen Monaten die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich gefordert. Wie realistisch ist das Konstrukt angesichts der vielen fehlenden Fachkräfte?
Das muss ich konkretisieren: Ich habe seit meiner Vorwahlkampagne gesagt, dass wir uns an der letzten Arbeitszeitverkürzung vor 50 Jahren orientieren. Das heißt, alle Leser:innen, die heute in Pension sind, haben in den 1970er Jahren profitiert, weil die Normalarbeitszeit damals schrittweise über mehrere Jahre von 45 auf 40 Wochenstunden reduziert wurde. Das heißt, sie hatten mehr Zeit für Familie, Feuerwehren, Blasmusik, Sportvereine, also ehrenamtliche Tätigkeiten. Und wir haben von Anfang an gesagt, dass die Verkürzung branchenspezifisch sein soll. Aber das dauert. Man muss mit den Sozialpartner:innen über Kollektivverträge verhandeln. Wir werden bei der Pflege beginnen. Dort gibt es schon verkürzte Arbeitszeiten. Als in der Sozialwirtschaft bei der letzten Kollektivvertragsänderung von 38 auf 37 Wochenstunden reduziert wurde, sind auf einmal 13.000 neue Leute eingestiegen. Das heißt, wir müssen hier den Druck rausnehmen. Harte körperliche und psychische Arbeit ist Schwerarbeit. Man muss sich vorstellen: Wenn man einen zu Pflegenden mit 90 Kilo aus dem Bett in die Badewanne hebt, und zurück ins Bett, dann hat man 360 Kilo gehoben. Da bewegt man am Tag Tonnen.

Verbessert man also die Arbeitsbedingungen, wirkt sich das in der Beschäftigung positiv aus – die Produktivität steigt, und wir können in der Pflege den Supergau verhindern. Da geht es nicht nur um die fehlenden Pflegekräfte. Wir müssen die Leute halten, die jetzt in der Pflege sind. Wir haben nach sechs, sieben Jahren wahnsinnig hohe Dropout-Raten, weil es den Leuten zu viel ist. Fast zwei Drittel der Beschäftigten in der Pflege sagen, sie werden nicht bis zur Pension in diesem Job durchhalten. Auch die zu Pflegenden wollen gut ausgebildete, motivierte, und nicht ausgebrannte Pfleger:innen. Arbeitszeitverkürzung ist neben dem Geld – das nicht alles regeln kann – wichtig, um auch den Menschen Respekt zuzuerkennen. 

Und wie soll es gelingen, neue Pflegekräfte nach Österreich zu holen?
Also, zuerst müssen die Arbeitsbedingungen passen. Die SPÖ ist die einzige Partei, die wirklich konkrete Vorschläge dazu macht. Wir haben beispielsweise vor zwei Wochen vorgeschlagen, dass man auch in der ein-, zwei- oder dreijährigen Pflegeausbildung 2.300 Euro brutto zahlt, analog zu Polizeischüler:innen. Derzeit muss man in der dreijährigen Diplomausbildung sogar noch dazuzahlen, nämlich Studiengebühren für die FHs in Höhe von 800 Euro jährlich. Das wollen wir abschaffen und die Ausbildung aufwerten. Man muss bei den Personalquoten auch die administrativen Tätigkeiten mitberechnen, und die Arbeitszeiten berechenbarer machen. Und genauso ist es bei der 24-Stunden-Pflege. Ich kenne das aus meiner kommunalpolitischen Tätigkeit, wo viele Menschen dringend einen Pflegeplatz suchen. In den Herkunftsländern muss man die Ausbildung begleiten, und die Qualitätsstandards sowie die Kontrolle stärken. 

Sie fordern in einer aktuellen Petition einen Rechtsanspruch auf einen „Arzttermin innerhalb von 14 Tagen“, und Wahlärzte für Kassenleistungen verpflichten. Das klingt nach einem sehr populistischen Schachzug – bis Reformen greifen, dauert es für gewöhnlich, das sollten Sie auch wissen…
Wir haben ein ganz umfangreiches Programm – die Wahlarztverpflichtung ist nur die Ultima Ratio, wenn innerhalb von 14 Tagen kein Facharzttermin im niedergelassenen Kassenbereich oder bei einer Einrichtung der Sozialversicherung über die Hotline 1450 vermittelt werden kann. 

1450 soll ja ohnehin ausgebaut werden…

Der springende Punkt ist der Rechtsanspruch auf einen Facharzttermin innerhalb von 14 Tagen, also die Termingarantie. Das ist nicht populistisch. In den skandinavischen Ländern gibt es eine solche Termingarantie. Das hat zu einer maßgeblichen Verkürzung bei den Wartezeiten geführt. Früher waren wir stolz auf unser Gesundheitssystem. Jetzt sind wir in einer Mängelverwaltung und die muss man langfristig angehen. Wir fordern die Verdoppelung der Medizinstudienplätze und eine Vorreihung bei der Zulassung für diejenigen, die sich verpflichten, der Allgemeinheit etwas zurückzugeben, indem sie sich für das öffentliche System verpflichten. Wir finanzieren das System jeden Tag mit unseren Steuern – über Monate, über Jahrzehnte. Nicht nur über die Arbeit, sondern bei jeder Konsumation, bei jedem Einkauf, den wir tätigen. Wir werden das auch wieder schaffen, die Bedingungen so aufzustellen, dass man dann, wenn man krank ist, einen Termin kriegt. Das ist eigentlich das Selbstverständlichste der Welt. 

Sind Vermögenssteuern für Sie Koalitionsbedingung?

Eine gerechte Verteilung der Steuerlast ist eine Hauptforderung der Sozialdemokratie. Man soll wissen, was man an Verbesserungen kriegt, wenn man die Sozialdemokratie wählt. Im OECD-Vergleich gehlören wir zu den fünf Ländern mit der niedrigsten Besteuerung von Vermögen. Wir würden für zwei Prozent der Superreichen das Vermögen ein bisschen begrenzen. Gleichzeitig würden wir sicherstellen, dass das Gesundheitssystem samt Pflegebediensteten finanzierbar bleibt, dass genügend Pädagog:innen für eine Bildungsinitiative und Bildungsgerechtigkeit vorhanden sind. Wir sind die Einzigen, die in Österreich über Finanzierungen sprechen. Wir wollen für 98 Prozent Verbesserungen, und, dass manche Wenige einen Beitrag leisten. Und die Sozialdemokratie hat auch ein gutes Konzept, was Standortpolitik und Standortattraktivität sowie Industriepolitik anbelangt. Das bescheinigen uns auch viele Experten in der Wirtschaft.

Verraten Sie die ersten Ergebnisse aus Ihrem Expert:innen-Team?

Das ist ein laufender Prozess. Ich werde Ende April in einer programmatischen Rede wichtige Leuchtturmprojekte aus den Expert:innen-Runden vorstellen. 

Der Streit mit Doskozil, zuletzt der Streit mit Gewerkschafter Muchitsch: Viele Wähler:innen wollen das Gezanke nicht mehr hören, sondern Inhalte und Lösungen. Man hat das Gefühl, Sie haben die Partei nicht im Griff. Wie wollen Sie diese Stimmung verändern?
Im Gegenteil. Es ist uns endlich gelungen, die Demokratisierung der Partei durchzusetzen. An diesem Vorhaben sind einige meiner Vorgänger schon gescheitert. Dass da jetzt einige wenige von 165.000 Mitgliedern sich erst noch an die Neuausrichtung der SPÖ gewöhnen müssen, überrascht mich nicht, wenn man eine Partei so von Grund auf verändert. Das ist völlig in Ordnung, wir sind eine Mitmach- und Mitredepartei. Aber ich beschäftige mich eigentlich, wie Sie sehen, mit inhaltlichen Schwerpunkten. 

Dann reden wir noch über Inhalte. Teuerung: Mit welchen zwei Maßnahmen würden Sie als Bundeskanzler hier entgegenwirken? Und damit verbunden auch die Armut. Was sind die wichtigsten Maßnahmen?
Eingriffe, wo es notwendig ist – so wie es in Deutschland und in anderen europäischen Ländern passiert ist. Beispielsweise das temporäre Aussetzen der Mehrwertsteuer bei Grundnahrungsmitteln ist ein wichtiger Eingriff. Das Aussetzen der Mietpreis-Erhöhungen wäre wirklich ein wichtiger Eingriff gegen die Teuerung. Es ist zwar gut, dass laut Regierung künftig Geld für ein Baukonjunkturpaket zur Verfügung stehen soll, das hilft aber den Millionen von Menschen nichts, die jetzt die Miete zahlen müssen. 

Wobei der Wohnschirm ja jetzt auch verlängert wird…
Ja, aber als alleinstehende Pensionistin auf durchschnittlich 64 Quadratmetern mit 240 Euro mehr im Monat als vor zwei Jahren durchzukommen, wird schwierig. Das sind zweieinhalbtausend Euro im Jahr. Da haben wir noch nicht über Energie oder den Supermarkteinkauf geredet, wo sie auch hunderte Euro mehr zahlt im Jahr. Da ist auch kein Theater- und Hallenbadbesuch oder eine Reise mitberechnet. Das nimmt der Pensionistin die Würde! Man muss eingreifen, damit sie den Enkeln zu Ostern, Weihnachten und am Geburtstag auch noch was schenken kann. Da geht es um Respekt. Wenn wir von Prozenten sprechen, dürfen wir das Menschliche nicht vergessen. Das ist doch eine politische Verpflichtung. Ich komme aus der Mitte der Lebensrealitäten und denke auch so. Das ist ein anderer Politikzugang als wir gewohnt sind. Ich sehe es als meine Aufgabe, die Bedingungen der Menschen zu verbessern. 

Thema Umwelt. Die drei wichtigsten Maßnahmen, um die Klimaziele zu erreichen?
Der erste Punkt betrifft moderne Standorte, was Beschäftigung und Industrie anbelangt, um in der Schwerindustrie die Emissionen zu reduzieren. Da braucht es Dekarbonisierungsmaßnahmen. Hier versagt die Regierung aktuell. Zweitens müssen wir attraktive Alternativmöglichkeit für den Umstieg auf den öffentlichen Verkehr anbieten. Wir haben am letzten Bundesparteitag sogar die Zielsetzung für die Taktung in den Regionen definiert. Drittens muss man die Bodenversiegelung in den Griff kriegen. Der Kampf gegen die Erderwärmung muss neben der Teuerung oberste Priorität haben. Wenn ein Gletscher verschwindet, ist das irreparabel. Mit Folgen für Fauna und Flora, wie das Verschwinden von Wildtier- und Pflanzenarten. Das heißt auch für die Trinkwasserreserven nichts Gutes in diesem Land. Ich glaube, dass die Sozialdemokratie die einzige Partei ist, die Klimapolitik als Teil eines sozialen Verteilungskampfes sieht. Die Pendler:innen, die derzeit mit Diesel fahren müssen, haben ja auch ein Interesse an einem intakten Planeten. Sie können sich halt keine Elektroautos leisten, sie haben auch keine idealen Infrastrukturbedingungen, die es ihnen ermöglichen, umzusteigen. Ich komme selbst aus einer Pendlerfamilie. Auch die Dieselfahrer und Pendler haben Interesse, dass ihre Enkel Gletscher in Österreichund Trinkwasser zur Verfügung haben und dass es Bären und Eisvögel gibt. Man muss weg von dieser Spaltung: entweder Autofahrer oder Klimaschutz.

Sie haben einmal die Legalisierung von Cannabis gefordert. Selbst haben Sie ja zugegeben, als Junger gekifft zu haben. Hängt das zusammen?
Es geht um Regulierung, nicht Legalisierung. Die SPÖ-Position ist seit ewigen Zeiten eine Entkriminalisierung von Cannabis, so wie das auch andere Parteien sehen.. 

Wie ist Andi Babler privat? Sie sind Hundebesitzer, verheiratet, haben eine achtjährige Tochter. Wo haben Sie Ihre Frau kennengelernt und wie oft erlaubt es Ihr Alltag, Ihre Tochter zu sehen?
Meine Frau habe ich in Innsbruck kennengelernt. Sie war ÖH-Vorsitzende und auch politisch in der Sozialdemokratie aktiv. Ich bin ein neuer Politiker-Typ, einer meiner Grundbedingungen der Kandidatur war, dass ich Zeit für meine Familie habe und mich auch an der Care-Arbeit beteilige, das lebe ich auch so. Das heißt auch, Freiräume zu schaffen, und nicht nur jemand zu sein, der berufstätig ist. Ich halte nichts davon gscheite Reden zu halten und sich vor der Verantwortung im realen Leben zu drücken. Ich versuche, meine Überzeugungen auch zu leben.

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