Verschwörungstheorien

"Der Krieg in der Ukraine ist nur erfunden!"

Aus dem Bericht der Bundesstelle für Sektenfragen geht hervor, dass sich auch im Vorjahr, das noch stark von der Pandemie, aber auch vom Krieg Russlands gegen die Ukraine gekennzeichnet war, Verschwörungserzählungen weiter um Corona-Impfungen, aber vor allem um den Mysthos rankten, der Angriff Russlands sei gar nie passiert, sondern eine ukrainische Inszenierung. 

ÖSTERREICH. Zum Jahresbeginn häuften sich Anfragen zu Konflikten im familiären Umfeld, heißt es im Tätigkeitsbericht der Bundesstelle zu Sektenfragen. Noch stärker als 2021 machten sich Frustration und Aggression bemerkbar – Verständnis und Konsensorientierung wichen zunehmend dem Gefühl von Gereiztheit, das sich in gegenseitigen Beschuldigungen und Kontaktabbrüchen ausdrückte.

Russland-Krieg und Angst vor Blackout

Verschwörungserzählungen, die sich davor vor allem um Corona und die Impfungen drehten, reicherten sich mit einem neuen Thema an:  Die Verschwörungsgläubigen suchten nach Begründungen dafür, warum das Handeln der russischen Führung zumindest gerechtfertigt, wenn nicht sogar zwingend notwendig sei. Vorhandene Verschwörungsängste wurden – und das nicht nur bei jenen, die sich aufseiten Russlands sehen – durch die Angst vor Krieg, Wirtschaftskrise und Engpässen in der Energieversorgung (Blackout) noch verstärkt. Menschen, die zuvor coronabezogene Verschwörungstheorien geglaubt hatten, halten meist auch die Verschwörungstheorien rund um die Ukraine für wahr.

Xavier Naidoo klärte Irrtum auf

Es zogen sich allerdings auch Menschen aus Verschwörungstheorien zurück. Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist der deutsche Sänger Xavier Naidoo. Er verbreitete unterschiedliche Verschwörungstheorien, trat als einer der wohl prominentesten Leugner der Coronavirus-Pandemie, und später als Putin-Verehrer in Erscheinung, und sorgte darüber hinaus seit Jahren mit erschreckend radikalen Aussagen für Aufsehen. doch dann die Kehrtwende: Die "brutale russische Invasion in die Ukraine", die Russlands Präsident Wladimir Putin entfesselt hat, machte dem Sänger, der in erster Linie durch die Verbreitung von Verschwörungstheorien ins Rampenlicht gerückt war und nach einem verlorenen Rechtsstreit gar als Antisemit bezeichnet werden darf, zu schaffen. In einer Videobotschaft erklärte er, dass seine Frau aus der Ukraine stamme, dort Verwandte habe und er dadurch bemerkt habe, welchen Fehlinformationen er aufgesessen sei. Seinem Beispiel folgen aber nur wenige, heißt es in dem Bericht.

Weitere neue Themenfelder von Verschwörungstheorien sind Transhumanismus, Klimakrise und Nachhaltigkeitsprojekte, antisemitische Hetze wird um einschlägige Narrative rund um LGBTIQ+-Personen ergänzt.

Anastasia-Bewegung

Die Anastasia-Bewegung entstand in Russland und fasste 2012 in Österreich kontinuierlich Fuß.
Auch in Österreich bestehen Bestrebungen, Anastasia-Siedlungen zu errichten und zu Projekten ins Ausland auszuwandern. Sorge gilt Kindern und Jugendlichen, die aus dem regulären Unterricht genommen und von der als feindlich angesehenen Gesellschaft isoliert werden. Ein mittlerweile gescheitertes Projekt im Burgenland erregte besondere Aufmerksamkeit - MeinBezirk.at hat berichtet.

Frauenfeindlichkeit und Sexismus

Auch Angebote, die frauenfeindliche Ideologien vertreten oder zumindest konservativ-traditionelle Rollenbilder propagieren, lassen sich vermehrt beobachten. Manche verkaufen als „Pick-up-Artists“ sogenannte „Flirt-Coachings“ und verkaufen darin Stereotype und Rollenbilder von Frauen. Social-Media-Influencer wie Andrew Tate stoßen mit ihren offen chauvinistischen Aussagen auf Begeisterung bei ihrer fanatischen, meist jungen männlichen Anhängerschaft.

Staatsverweigerer

Erst im Umfeld der Corona-Demonstrationen erlebten einschlägige Forderungen und die typische Sprache der Staatsverweigerer eine Wiederbelebung. Seither nahmen auch Aktionen wie der sogenannte „Papierterrorismus“ zu, ebenso sind mehr Drohungen und Sabotageakte gegen Organe des Staates zu beobachten.

Man kann davon ausgehen, dass es einen regen Austausch zwischen Akteurinnen und Akteuren in Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt, vor allem über Online-Plattformen.

Pyramiden- und Schneeballsysteme

Pyramiden- und Schneeballsysteme, die sich häufig als Coaching- und Multi-Level-Angebote darstellen, verleiten besonders junge Menschen zu hohen Investitionen und führen zu Ausbildungsabbrüchen.

Eine wesentliche Rolle spielt dabei der Aufbau eines Netzwerks und das Anwerben von Vertriebspartnerinnen und -partnern. Besonders die IM Mastery Academy war für die Bundesstelle für Sektenfragen Thema.

2022 hat die Sektenstelle insgesamt 4.826 Informations- und Beratungsgespräche mit 2.013 Personen abgewickelt - bei 431 Fällen war eine umfassendere Beratung bzw. Begleitung notwendig. Insgesamt 236 unterschiedliche Gemeinschaften, Organisationen, Bewegungen und Einzelanbieter/innen, zB. Wunderheiler, wurden im Jahr 2022 thematisiert. Häufigste Themen: Verschwörungstheorien, esoterische Angebote, die zum Teil kostenintensiv, gesundheitlich problematisch sind und zu Trennungen innerhalb der Familie und dem sozialen Umfeld führen können sowie Fragen zu religiös-konservativen oder fernöstlichen Gemeinschaften.

Bundesministerin Susanne Raab:

„Verschwörungstheorien und Fake News haben durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine neu an Fahrtwind bekommen. Als Frauenministerin macht mir auch der Anstieg an frauenfeindlichem Content Sorgen. Daher ist es umso wichtiger, dass es seriöse Stellen wie die Bundesstelle für Sektenfragen gibt, die laufend wichtige Erkenntnisse über die wachsende Szene sammelt, dokumentiert und bewertet sowie auch Beratungen und Hilfestellungen für Betroffene und Hilfesuchende anbietet. Wir nehmen diese Entwicklungen sehr ernst und werden auch weiterhin mit allen zuständigen Stellen eng zusammenarbeiten, um gegen Verschwörungstheorien und andere brisante Entwicklungen anzukämpfen.“

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