Van der Bellen bei Antritt
"Politik muss Menschen die Wahrheit sagen"

Am Donnerstag wurde Alexander Van der Bellen zu seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident von Österreich angelobt.  | Foto: APA Picturedesk
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Am Donnerstag wurde Alexander Van der Bellen zu seiner zweiten Amtszeit als Bundespräsident von Österreich angelobt. In seiner Antrittsrede spricht er von Herausforderungen, Hoffnung, Demokratie, alternativen Fakten und die Klimakrise. Er bekennt sich zur Europäischen Union und fordert Verantwortung von der Politik ein.

ÖSTERREICH. Van der Bellen beginnt seine Antrittsrede mit Worten des Danks an seine Wählerinnen und Wähler. Auch seiner Frau dankt er: "Ohne deine Kraft und Inspiration stünde ich wahrscheinlich nicht hier." 

Der neu angelobte Bundespräsident sieht sich mit den Erwartungen konfrontiert, in seiner Rede zu amüsieren und nachdenklich, aber auch positiv zu stimmen. Sogleich stellt er sich selbstironisch die Frage, wie sehr er diese Erwartungen erfüllen kann.

"Laufen Gefahr, unsere Zukunft abzuschaffen"

Dann wird Van der Bellen jedoch sehr schnell ernst angesichts der Herausforderungen, aber auch der Stimmungslage in Österreich:

"Wir werden unseren gewohnten Alltag verändern müssen. Denn sonst laufen wir Gefahr, unsere Zukunft abzuschaffen. Genaugenommen sind wir schon dabei. Zu viele sehen unsere Zukunft nicht mehr als hoffnungsfrohen Ort, an dem unsere Kinder es einst besser haben werden als wir. Manche von uns glauben nicht mehr an eine Wendung zum Guten."

Einige seien der Meinung, dass Zukunft nichts für sie sei. Das wäre etwas für die Eltern gewesen, doch es gäbe "nur das Hier und Jetzt". Es gehe nun darum, das Bild einer Zukunft zu entwerfen, auf die man sich freuen kann. "Angst lässt uns erstarren. Angst kennt keine Zukunft", so Van der Bellen. 

"Können noch viel mehr schaffen"

Wie viele der befürchteten Katastrophen denn bisher eingetreten seien, fragt sich der Bundespräsident. "Nicht viel", so Van der Bellen. Im Vorjahr hätte es ein reales Wirtschaftswachstum von 4,7 Prozent gegeben, die Arbeitslosenquote sei die niedrigste seit 15 Jahren, die Gasspeicher seien aktuell voll. "Wer hätte das gedacht?" Es gab große Sorgen, doch gemeinsam hätte man diese Katastrophen abwenden können. Da ist sich Van der Bellen sicher:

"Wir alle. Nicht ein Politiker. Nicht eine Partei. Nicht eine Interessenvertretung. Nicht ein Wissenschaftler, eine Wissenschaftlerin. Nein. Das waren wir alle gemeinsam. Aber nicht, weil wir gemeinsam gejammert haben. Nicht, weil wir Schuldige gesucht haben. Nein! Weil wir etwas getan haben. Und wir können noch viel mehr schaffen. Wenn wir unsere Demokratie hochhalten und verteidigen. Denn sie ist das beste Instrument zur Willensbildung, das eine zukunftssichere Gemeinschaft nur haben kann."

Die Festlichkeiten zur Angelobung fanden im neu renovierten Parlament statt. | Foto: APA Picturedesk
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Daran, dass die Demokratie in der Krise sei, sei schon etwas dran, so der Bundespräsident. Das "Beharren auf dem eigenen Standpunkt" würde zu nichts führen, stattdessen wäre der Kompromiss etwas Gutes, der zu einer gemeinsamen Lösung führen würde. Und Demokratie sei das Finden einer gemeinsamen Lösung. Dafür benötige es jedoch auch korrekte Informationen.

Alternative Fakten "bestürzend"

Hier setzt Van der Bellen zur Kritik an "alternativen Fakten" und deren Verbreitern an. Noch vor zwanzig Jahren hätte er es selbst nicht für möglich gehalten, dass es alternative Fakten gebe, die gleichwertig neben "den Fakten" stehen würden. "Es ist bestürzend, dass schlichte Tatsachen oder bestimmte wissenschaftliche Erkenntnisse auch von manchen politischen Playern bisweilen geleugnet und sogar abgestritten werden", betont Van der Bellen.

Auch die Medienlandschaft nimmt er hier in die Pflicht: Es sei die Aufgabe der Politik, durch Finanzierungen die Rahmenbedingungen im Journalismus so zu ändern, dass Journalistinnen und Journalisten die Möglichkeit zu redlicher Recherche und Berichterstattung hätten. "Denn liberale Demokratie überlebt nicht ohne korrekte Information."

"Politik muss führen, nicht verführen"

Politik sieht Van der Bellen in der Pflicht, Orientierung zu geben und Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Bürgerinnen und Bürger sich selbstständig agieren und sich entfalten können. Dabei appelliert er an die Politiklandschaft Österreichs:

"Politik muss Lösungen vorschlagen. Sie muss die Agenda setzen und nicht nur surfen. Regieren. Nicht nur reagieren. Politiker müssen führen, nicht verführen. Meine Damen und Herren, Politik muss den Menschen die Wahrheit sagen, auch wenn sie unbequem ist."

In seiner Rede gibt sich Van der Bellen leidenschaftlich. Die Jugend müsse wieder an eine gute Zukunft glauben können, fordert er. | Foto: APA Picturedesk
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Im Bezug auf die Klimakrise verstehe der Präsident junge Menschen, die wütend und verzweifelt seien. Es sei eine naturwissenschaftliche Tatsache, die nicht ignoriert werden dürfe, da das lebensgefährlich für die nachfolgenden Generationen sei. Es ginge um die Zukunft der jungen Menschen, und für diese müsse etwas getan werden:

"Wir müssen etwas tun! Wir müssen so schnell wie möglich raus aus der fossilen Energie. Und wir können etwas tun. Ich will jedenfalls das Meinige dazu beitragen."

Auch der Angriffskrieg auf die Ukraine bleibt in Van der Bellens Rede nicht unerwähnt. Es sei herzzerreißend, nur daran zu denken, wie viele unschuldige Männer, Frauen und Kinder einfach nur in Frieden leben wollen würden. Es sei schrecklich und verachtenswert und es würde weiterhin europäische Solidarität benötigen. 

Bekenntnis zur Europäischen Union

An dieser Stelle legt Van der Bellen auch ein Bekenntnis zur Europäischen Union ab:

"Die Mitgliedschaft in der Europäischen Union steht nicht zur Debatte. Der Nutzen und Wert der Europäischen Union steht außer Frage. Die Europäische Vereinigung ist die beste Idee, die wir je hatten. Wer mit der Idee eines Öxit auch nur spielt, spielt mit der Zukunft Österreichs."



Nach seiner Antrittsrede gab es Standing Ovations für den frisch angelobten Bundespräsidenten. | Foto: APA Picturedesk
  • Nach seiner Antrittsrede gab es Standing Ovations für den frisch angelobten Bundespräsidenten.
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"Nie wieder!"

Mit einem leidenschaftlichen "Nie wieder!" erinnert Van der Bellen an die NS-Zeit und "die dunkelste Seite unserer Geschichte, der verheerende Nationalsozialismus mit seiner mörderischen Ideologie". Diese Zeit dürfe sich nie wiederholen. Das oberste Ziel sei es, dass die Jugend wieder an eine gute Zukunft glauben kann. Alles, das Kindern schaden würde, dürfe nicht zugelassen werden. Das betreffe insbesondere die Klimakrise. 

Van der Bellen schließt seine Rede mit folgenden Worten:

"Wenn Sie jetzt hinausgehen, dann bitte ich Sie, daran zu denken, dass das, was Sie tun, wie Sie miteinander umgehen, das Bild unserer Zukunft zeichnet. Bitte vergessen Sie das nicht. Ich werde Sie gerne daran erinnern. Nach bestem Wissen und Gewissen.

Ich freue mich, für weitere sechs Jahre Ihr Bundespräsident sein zu dürfen. Und danke Ihnen für Ihr Vertrauen. Es lebe die Republik! Es lebe unser wunderschönes Österreich! Es lebe unsere friedliche, europäische Zukunft!"

In der Präsidentschaftskanzlei empfing der Van der Bellen nach seiner Angelobung Menschen aus Kunst und Kultur. | Foto: Privat
  • In der Präsidentschaftskanzlei empfing der Van der Bellen nach seiner Angelobung Menschen aus Kunst und Kultur.
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Auf die hochoffizielle Angelobungszeremonie im neu renovierten Parlament folgte ein entspannteres zusammentreffen. Nach 15 Uhr empfing der frisch angelobte Bundespräsident Vertreterinnen und Vertreter aus Kunst, Kultur, Presse und Vereinen.

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