Hintergrund
So entscheidet die Regierung über Farbe der Corona-Ampel

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), links, Ulrich Herzog (Gesundheitsministerium, Vorsitzender der Corona-Kommission), Epidemiologin Daniela Schmid (AGES). | Foto: RMA
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  • Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), links, Ulrich Herzog (Gesundheitsministerium, Vorsitzender der Corona-Kommission), Epidemiologin Daniela Schmid (AGES).
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Am Donnerstag Vormittag gaben Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) gemeinsam mit FachexpertInnen anwesenden Journalisten einen Einblick in die Funktionsweise der Schaltung der Corona-Ampel. Anschober kündigte an, dass sowohl der Prozess für die Entstehung der Entscheidung, als auch Hintergrundinformationen ab sofort auf der entsprechenden Seite des Gesundheitsministeriums stehen werden. 

ÖSTERREICH. "Die Corona-Ampel soll noch transparenter werden", kündigte Anschober an. Der Prozess der Entscheidungsfindung sei mehr als effizient: Die Expertenkommission tagt nach intensiven Vorarbeiten jeden Donnerstag. Sie spricht nach einem Konsens (kein Einstimmigkeitsprinzip, sondern es gilt eine Zweidrittel-Mehrheit) unter deren Mitgliedern der am Freitag Vormittag tagenden Regierung sowie den Landeshauptleuten eine Empfehlung in Form eines Sachverständigengutachtens für die Ampelfarben aller Bezirke Österreichs aus. Diese kann dieser Empfehlung nachgehen oder aufgrund weiterer Bedenken eigene Empfehlungen aussprechen. Die Regierung hat das letzte Wort. 

So tagt die Expertenkommission

Die Kommission besteht aus insgesamt 19 Mitgliedern und ihren StellvertreterInnen: neun VertreterInnen der Länder und insgesamt zehn Expertinnen und Experten des Bundes. Insgesamt sind 65 Personen involviert. Den Vorsitz führen der Tiroler Ulrich Herzog und Clemens Martin Auer, beide aus dem Gesundheitsministerium. Sprecherin ist die Epidemiologin Daniela Schmid (AGES). Jedes Bundesland kann bei Bedarf eine Sitzung beantragen, um die Akzeptanz der Maßnahme aus der jeweiligen Landessicht abzusichern. Das sei verfassungsmäßig vorgegeben.  

Die Kommission kann weitere BeraterInnen aus anderen Ministerien hinzuziehen. Bei den Entscheidungen werde die epidemiologische Situation in allen Bundesländern und Regionen einbezogen, sowie das jeweilige Risiko eingeschätzt. Dabei werde sowohl das Verbreitungsrisiko (Gefährdung der öffentlichen Gesundheit), als auch das Systemrisiko (Gefahr der Überlastung des Gesundheitssystems, zb. Sicherstellung von ausreichend Intensivbetten) berücksichtigt. Es gebe eine klare Verschwiegenheitserklärung der Einzelnen, um die interne Diskussion nicht nach außen zu tragen, sagte Herzog. Entscheidungen werden aber transparent kommuniziert, inklusive der Begründungen. 

So kommt die Empfehlung an die Regierung zustande

Die Empfehlung basiere auf einem präzisen Monitoring von  vier Schlüsselindikatoren auf Bundes-, Landes- und Bezirksebene:

  • Übertragbarkeit (Fälle): Dabei spielen die "7-Tages-Fallzahl", also neue aufgetretene Fälle der letzten sieben Tage, sowie eine Verhältniszahl (neue aufgetretene Fälle der letzten sieben Tage pro 100.000 Einwohner) eine Rolle. Auch die Mobilität der jeweiligen Bevölkerung würde man mit in die Beobachtungskriterien einbeziehen. Und schließlich werde auch das jeweilige Übertragungsrisiko untersucht.
  • Quellensuche (Cluster): Hier geht es um die Rückverfolgbarkeit der Übertragungskette. Dabei wird die Infektionsquelle analysiert: Handelt es sich um abgeklärte oder unabgeklärte Fälle? Ist die Ansteckung im In- oder Ausland passiert? Sind die Fälle symptomatisch oder asymptomatisch?
  • Ressourcen (im Gesundheitswesen): Aktuelle Belegung auf Normal- und Intensivstationen, aktuelle Auslastung der Spitalskapazitäten. 
  • Tests: Folgende Indikatoren kommen zur Anwendung: "Tests je 100.000 Einwohner", Tests der letzten 7 Tage und die Positivrate. Diese Indikatoren erlauben Aussagen über die Testaktivität und geben Hinweise auf das Übertragungsgeschehen in der jeweiligen Region.

Sensibler Umgang mit Daten

Insgesamt würde man keine "punktuelle" Beobachtung vornehmen, sondern man sehe sich immer auch die Zahlen der Vergangenheit an, so Experte Herzog. Wichtig seien laut Vorsitzendem der Kommission auch die Antworten auf die Fragen: Woher kommen die Daten her? Wie werden sie interpretiert? "Wir wollen die Daten nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ beleuchten und sie mit den Informationen, die zum Ausbruchsgeschehen vorhanden waren, verknüpfen, um zu Entscheidungen zu kommen. Wir müssen begründbare Entscheidungen treffen. Wenn man sich nur auf die Rohdaten der jeweiligen 7 Tagen bezieht, wird es eine schnell schaltend wirkende Ampel. Dann ist das Vertrauen in dieses System bei der Bevölkerung und bei der Wirtschaft nich gegeben." Und Professor Herwig Ostermann dazu: "Wir haben beobachtet, dass sich sogenannte Peer-Gruppen am ehesten anstecken, also Kinder stecken Kinder an, Gleichaltrige ihre Freunde..."

"Einzigartiges Überwachungssystem"

Laut Kommissionssprecherin Daniela Schmidt basiert das weltweit führende System für die Datengrundlagen auf folgenden Parametern:

• Das Elektronische Melde System (EMS) arbeitet seit 2009, ist Grundlage aller anzeigepflichtigen Infektionskrankheiten
• es ist rein digital-webbasiert, und digital verschnitten mit allen Infektionskrankheiten diagnostizierenden Laboratorien
• Innerhalb 24 Stunden muss das Labor einen Test melden. Alle Gesundheitsbehörden auf Bezirks, Landes und Bundesebene wissen dann innerhalb 24 Stunden über einen positiven Test Bescheid.

Fallspezifische Daten im Rahmen sämtlicher Überwachungssysteme erfolgen nach drei Definitionen:
• 1. Definition: Zeitlichkeit: Der Fall wird zeitlich nach seiner Labordiagnose festgehalten
• 2. Definition: Örtlichkeit: Fall wird nach seinem Wohnort festgehalten
• 3. Definition: Person per se: Alter, wie ein bestimmter Fall zustande gekommen ist: "Das bilden wir mit der Quelle der Infektion ab", so Schmidt. Und weiter: "Das Besondere des österreichischen Überwachungssystems ist, dass wir so viel wie möglich hinsichtlich der Quelle identifizieren können". Das erfolge durch ein Contract-Tracing Programm. So sollen mögliche Folgefälle vermieden werden. Es gilt: Je mehr Fälle ich einer Übertragungskette „Cluster“ zuführen kann, desto besser verstehe ich die Viruszirkulation und desto eher kann ich die Wahrscheinlichkeit mit dem Virus in Kontakt zu treten, einstufen. Denn: Die Covid-19-Pandemie laufe in Clustern, was positiv iei, im Gegensatz zu anderen Influenza-Viren: "Das ermöglicht uns das Risikoverhalten der Bevölkerungsgruppen einzustufen , sowie die Aktivität des Virus!"

Mehr Informationen aus dem Gesundheitsministerium gibt es hier
Informationen der AGES

Große Video-Umfrage: Wie findet ihr die neue Corona-Ampel?
664 Corona-Neuinfektionen in Österreich
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), links, Ulrich Herzog (Gesundheitsministerium, Vorsitzender der Corona-Kommission), Epidemiologin Daniela Schmid (AGES). | Foto: RMA
Gelb bedeutet "mittleres Risiko". Wie die Farben der Corona-Ampel zustande kommen, erklärten Mitglieder der Experten-Kommission sowie Gesundheitsminister Rudi Anschober (Grüne). | Foto: Koch

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