Minister Totschnig
Strafen für Würstel im Mistkübel sind nicht geplant

Foto: Robert Ferrigato
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Österreich ist mit täglich 13 Hektar Bodenverbrauch Europaweltmeister beim Verbauen von Flächen. Rund die Hälfte davon wird auch versiegelt. Und: Etwa die Hälfte  der weggeworfenen Lebensmittel fallen in den privaten Haushalten an. Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig über Bodenschutz, Lebensmittelsicherheit, Gentechnik, Blackout und Wolfabschüsse.

ÖSTERREICH. Der Versuch der Österreichischen Rausmordnungskonferen (ÖROK), eine Bodenstrategie für Österreich zu beschließen, ist im Juni aufgrund von unterschiedlichen Auffassungen über darin enthaltene Daten und das Fehlen von Verbindlichkeiten gescheitert. Für den Landwirtschaftsminister unverständlich, da das Konzept, ein "echter Meilenstein" und aus seiner Sicht "vollständig" war. Was der Minister sonst noch zum Thema Boden, Umweltschutz und Wasser- bzw. Lebensmittelsicherheit zu sagen hat.

MeinBezirk.at: Im Juni ist der Versuch, die erste "Österreichische Bodenschutzstrategie" im Rahmen der österreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK) zu beschließen, gescheitert. Woran liegt das?
Norbert Totschnig: Bund, Länder, Städte- und Gemeindebund sowie alle Wirtschafts- und Sozialpartner haben an einer gemeinsamen Strategie gearbeitet. Knapp vor Beschlussfassung kam die Forderung, bei der Zielformulierung in der Strategie nachzubessern. Aus unserer Sicht wäre die vorliegende Strategie vollständig gewesen: Es gibt einen Aktionsplan, ein einheitliches Monitoring, und ein Berichtswesen bis 2030. Aber in der Raumordnungskonferenz braucht es für die Zustimmung Einstimmigkeit zwischen allen ÖROK Mitgliedern. Eine politisch-technische Arbeitsgruppe soll nun ein Ergebnis ausarbeiten. Ich bin zuversichtlich, dass dies gelingt und wir in diesem Jahr die Bodenstrategie beschließen können.

Experten fordern für die Maßnahmen für den Bodenschutz verbindliche Zahlen und Ziele. Kommen nun verpflichtende Maßnahmen hinein?
Man muss festhalten: Die Bodenstrategie ist ein echter Meilenstein. Die Raumordnungskonferenz hat erstmals eine Strategie mit konkreten Maßnahmen und einem konkreten Zeitplan ausgearbeitet. Beim Thema Zweitwohnsitze können die Länder zum Beispiel Einschränkungen vornehmen. Manche Bundesländer, wie Tirol und Salzburg, haben das bereits umgesetzt. Weiters soll es künftig nur noch mehrgeschossige Einkaufszentren geben. Auch Parkplätze sollen nicht mehr auf der grünen Wiese errichtet werden. In Tirol gibt es zusätzlich 350 Quadratkilometer geschützte landwirtschaftliche Vorrangflächen, die nicht weiter verbaut werden dürfen. Außerdem investieren wir 26 Millionen Euro, um Orts- und Stadtkerne wieder attraktiv zu machen. Auf diese konkreten Maßnahmen wird man mit dieser Strategie Verbindlichkeiten erzeugen. Will man verpflichtende Vorgaben umsetzen, was manche NGOs fordern, so braucht man eine Verfassungsänderung. Im Bund bin ich für das Forstgesetz zuständig. Ungefähr 50 Prozent der Fläche in Österreich sind Wald, das heißt, dort kann ich tätig sein. Die Raumordnungskompetenz liegt grundsätzlich aber bei den Bundesländern. Wir dürfen jedenfalls keine weitere Zeit verlieren, und müssen den Flächenverbrauch schnellstmöglich reduzieren. Das gelingt nur, indem wir die Strategie jetzt umsetzen. Eine Debatte über Kompetenzen und einer Staatsreform zu beginnen, finde ich wenig hilfreich. 

Die EU will ein Lebensmittelsicherheitspaket einführen, in dem der Rechtsrahmen für gentechnisch veränderte Pflanzen gelockert werden soll. Ihre Meinung dazu?
Zu den neuen Züchtungsmethoden haben wir eine klare Regierungsposition. Österreichs Landwirtschaft ist im Anbau gentechnikfrei, diese Vorreiterrolle wollen wir weiter absichern.
 
Die Verbauung führt auch in Österreich zu erhöhter Hochwasser-Gefahr, weil die Böden das Wasser nicht mehr ausreichend aufnehmen können. Zwar wird jetzt stark in Hochwasserschutz investiert. Experten fordern aber mehr in die Prävention zu investieren. Findet das auch Eingang in der Bodenstrategie?
Die Sicherheit der Bevölkerung hat höchste Priorität. Hochwasserschutzmaßnahmen verhindern nicht nur Personen- und Sachschäden sondern dienen auch der landwirtschaftlichen Versorgungssicherheit Wir sehen hier zwei Schienen: die Wildbach- und Lawinenverbauung, sowie schutzwasserbauliche Maßnahmen wie Rückhalteanlagen. Heuer werden rund 260 Millionen Euro in den Schutz vor Naturgefahren investiert. Darüber hinaus renaturieren wir viele Flussabschnitte. Auch das stellt einen Beitrag zum Hochwasserschutz dar und erhöht darüber hinaus den ökologischen Wert von Flusslandschaften.

Was sagen Sie zu den erneuten Protesten gegen das Kraftwerk an der Schwarzen Sulm in der Steiermark?
Wir müssen am Ende des Tages auch klar machen, dass es darum geht, die Abhängigkeit von fossilen Energieformen zu reduzieren, und das so schnell wie möglich. Dafür brauchen wir das gesamte Spektrum an erneuerbaren Energieträgern. Die Wasserkraft ist Teil davon. Das Kraftwerk wurde genehmigt. Nun geht es darum, dieses Projekt rasch umzusetzen. 

Im EU-Parlament wurde über ein Renauturierungsgesetz abgestimmt, die die EVP und auch die ÖVP, haben dagegen gestimmt. Warum, wenn wir doch bis 2030 dringend die Klimaziele erreichen wollen? 
Auf dem Tisch liegt der „Green Deal“ – ein politisches Programm, aus dem eine Serie an Strategien und Gesetzesvorlagen hervor geht. Die Wiederherstellung der Natur ist hierbei ein Aspekt der Biodiversitätsstrategie. Für uns ist die Vorlage in einigen Punkten überschießend und unklar. Wir haben auch bedenken, welche Einflüsse sie auf die Versorgungssicherheit hat, da es landwirtschaftliche Flächen betrifft. Im Rat der Umweltminister wurde diese Vorlage bereits beschlossen. Wir haben uns über den Agrarrat kritisch eingebracht. Sogar die österreichische Umweltministerin hat sich bei der Abstimmung im Umweltrat der Stimme enthalten, weil sich alle Bundesländer in Österreich dagegen ausgesprochen haben. Das heißt, es ist nicht nur ein Thema der EVP, das geht weit in andere Fraktionen hinein. Der Entwurf war anscheinend nicht gut genug, sonst hätte es nicht so viele kritische Stimmen gegeben. Nun muss man abwarten, was im Plenum des EU-Parlaments herauskommt. 

Österreich und Norwegen sind die einzigen EU-Länder, die ihre Trinkwasserversorgung ausschließlich aus Grund- und Quellwasser beziehen. Weil in Zukunft mit intensiven Trockenperioden stärker gerechnet werden muss, gewinnt die Wasserversorgung, bei allen Infrastruktur-Erneuerungen eine immer wichtigere Rolle. Wird im bundesweiten Notfallplan in Krisenfällen Wasser rationiert?
Wir haben eine Studie über die Wasser-Ressourcen bis 2050 ausarbeiten lassen, die Wasserschutzstudie. Sie zeigt: Wir werden in Zukunft um fünf bis sieben Prozent mehr Wasser brauchen. Durch die längeren Trockenphasen kommt es zudem zu einer Reduktion des verfügbaren Grundwassers für die Trinkwasserversorgung. Insgesamt wird es aber bis 2050 ausreichend Trinkwasser für alle geben. Die Trinkwasserversorgung in Österreich ist also gesichert. Unser Zugang ist, dass wir trotzdem weiter in die Trinkwasserversorgungsinfrastruktur investieren, indem neue Hochbehälter gebaut werden und das öffentliche Leitungsnetz mit Ring- und Verbundleitungen ausgebaut wird. Betroffen sind vor allem Gebiete, die unter Trockenheit leiden, zum Beispiel das östliche und südliche Niederösterreich. In der Buckligen Welt etwa wurde eine Ringleitung gebaut, um auch während längerer Trockenperioden die Trinkwasserversorgung sicherzustellen. Wir fördern auch tiefere Brunnen. Die Botschaft ist aber klar: Es braucht keine Einschränkung in Österreich. Die Versorgung der österreichischen Bevölkerung mit bestem Trinkwasser ist gesichert. Damit das auch langfristig so bleibt, haben wir gemeinsam mit den Bundesländern ein Maßnahmenpaket entwickelt, das es uns ermöglicht, bei Wasserknappheit rasch und koordiniert zu reagieren, um die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung reibungslos sicherzustellen. 

Von sieben Volksbegehren im Juni am erfolgreichsten war mit über 200.000 Unterschriften die Initiative "Lebensmittelrettung statt Lebensmittelverschwendung" mit der Forderung, das Wegschmeißen von Lebensmitteln mittels Gesetzen zu unterbinden, wie in anderen europäischen Ländern. Ist das auch in Österreich durchsetzbar?
Am meisten Lebensmittel, rund 50 Prozent, werden laut dem Verein „Land schafft Leben“ in den Haushalten verschwendet. Über Bewusstseinsbildung kann man da sicher mehr bewirken, als mit Verbot. Wie soll man überwachen, wenn Würstel weggeworfen werden? Wir engagieren uns für die Aktion „Spenden statt verschwenden“: Abgelaufene Lebensmittel werden im Einzelhandel, bevor sie weggeworfen werden, an soziale Märkte bzw. an jene Gruppen weitergegeben, die Unterstützung brauchen. In der Landwirtschaft haben wir das Thema, dass aufgrund fehlender Pflanzenschutzmittel viele Lebensmittel durch Fraßschäden kaputt gehen, bevor sie verkauft werden können. Im Vorjahr war 20 Prozent der Kartoffelernte betroffen. Reduziert man also Pflanzenschutzmittel, bedeutet das weniger genießbare Lebensmittel. Darüber hinaus hat auch der Handel angekündigt, einen Beitrag zu leisten, um die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. 

Der Rechnungshof (RH) sieht Österreich nicht ausreichend auf etwaige Krisen im Bereich Ernährungssicherheit vorbereitet. Krisenszenarien würden fehlen, heißt es in dem aktuellen Bericht. Ist ein Blackout-Szenario geplant?, und wenn ja, wann?
Der Rechnungshof prüfte den Zeitraum bis Mai 2022. Zwischenzeitlich haben wir sehr viel getan. Wir haben einen Fünf Punkte Plan beschlossen: Mein Haus wird mehr Gelder zur Verfügung stellen, damit sich Unternehmen in Krisen resilienter und Energie unabhängig aufstellen können. Wir haben einen Forschungsschwerpunkt gesetzt, um besser auf Krisen vorbereitet zu sein. Mit dem Beschluss der neuen Gemeinsamen Agrarpolitik können wir mehr Planungssicherheit und Stabilität für die Landwirtschaft herstellen. Außerdem diskutieren wir über einen Entwurf einer Novellierung des Lebensmittelbewirtschaftungsgesetzes. Das ist die gesetzliche Grundlage für den Fall einer echten Krise in Österreich. Und parallel haben wir Krisenpläne weiterentwickelt. Da geht es konkret um das Szenario „Blackout“. Da hat der Handel von sich aus schon einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Dabei geht es darum, welche Schritte man in den ersten 72 Stunden ganz konkret setzt. Wir arbeiten darüber hinaus weitere Krisenpläne aus.

Themenwechsel: Trotz EU-weiten Schutzes für Wölfe gibt es in Österreich regionale Abschussgenehmigungen. Warum? 
Betrachtet man die Risszahlen in Österreich, so gab es im Vorjahr 800 Risse, davor 500, zwei Jahre vorher 330, eine klar steigende Tendenz. Das wird zum Problem. Die Wolfspopulation in Europa ist nicht mehr vom Aussterben bedroht. Wir haben über 19.000 Individuen, die Anzahl nimmt jährlich um bis zu 30 Prozent zu. Es werden auch verstärkt Wolfsichtungen in Siedlungsgebieten wahrgenommen. Die Bevölkerung fühlt sich auch aufgrund von Rissgeschehen direkt in den Ortschaften unsicher. Unser Zugang ist Handeln, bevor etwas Schlimmes passiert. Das sehen auch die zuständigen Bundesländer so, und deswegen haben sie jeweils eine Verordnung beschlossen. Zum Beispiel Kärnten, Tirol, Niederösterreich und Salzburg nützen die Möglichkeiten, die das EU-Recht vorsieht, um Problemtiere, zu entnehmen.

Ist die EU-Kommission vielleicht zu streng mit den Vorgaben?
Deshalb haben wir beim Agrarministerrat einen Antrag eingebracht, in dem wir die Kommission auffordern, ein europaweites Wolfs-Monitoring aufzubauen. Er wurde von 17 Mitgliedsstaaten unterstützt. Die Kommission hat jetzt angekündigt, diesen Herbst eine Analyse bezüglich der Wolfsproblematik vorzulegen. Im Agrarministerrat vor zwei Wochen hat die rumänische Delegation eine ähnliche Forderung an die Kommission eingebracht. Der Handlungsbedarf ganz Europa bewusst, vor allem im Bereich Landwirtschaft.

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