Personalnot
Streit um Pflegelehre

Immer mehr Menschen brauchen Pflege, doch es gibt nicht genug Personal.  | Foto: iStock
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Die Personalknappheit bei Pflegekräften ist hoch und das Problem droht sich künftig noch zu verschärfen. In der Branche streitet man darüber, ob eine Pflegelehre eingeführt werden soll. Rechtlich könnte dies problematisch sein.

ÖSTERREICH. Rund 450.000 Personen erhalten in Österreich Pflegegeld. Eine wichtige Säule für die Pflege der Betroffenen sind neben den Angehörigen die professionellen Pflegekräfte. Prognosen legen nahe, dass der Anteil der zu Pflegenden weiter zunehmen und somit auch der Bedarf an Pflegepersonal wachsen wird.

Keine validen Zahlen 

Unklar ist, wie hoch der Bedarf künftig sein wird. Belastbare Daten gibt es dazu nicht, weshalb das Sozialministerium Anfang des Jahres eine Studie in Auftrag gegeben hat, die den Pflegepersonalmangel  genau erheben soll. Klar ist, dass bereits heute ein akuter Personalmangel herrscht.

Ruf nach Pflegelehre

Um das Problem in den Griff zu bekommen, werden in der Branche unterschiedliche Lösungsansätze diskutiert: eine Imagekampagne für Pflegeberufe, Förderungen für die Ausbildung von Quereinsteigern oder Immigranten für Berufe im Pflegebereich gewinnen. Immer lauter wird jedoch die Forderung nach einer Pflegelehre.

Mindestalter für Pflegekräfte: 17 

Doch das ist besonders heftig umstritten. Laut Gesetz dürfen Personen erst ab 17 Jahren mit Patienten arbeiten. Eine Lehre beginnt in der Regel aber bereits mit 15 Jahren. Gewerkschafter Josef Zellhofer warnt vor einer Pflegelehre: "Es ist grob fahrlässig, junge Menschen ans Bett schwer kranker und pflegebedürftiger Menschen zu lassen", so der Bundesvorsitzende ÖGB ARGE Fachgruppenvereinigung für Gesundheits- & Sozialberufe zu meinbezirk.at.

Zellhofer: "Jugendliche nicht verheizen"

Die Arbeit sei psychisch sehr belastend. „Kranke und ältere Menschen haben es verdient, von erwachsenen und gut ausgebildeten Personen gepflegt zu werden und die Jugendlichen dürfen nicht als billige Arbeitskräfte in diesem sensiblen Bereich verheizt werden.“ so Zellhofer.

Der Masterplan Pflege

Auch die nunmehr ehemalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein soll gegen die Einführung der Pflegelehre gewesen sein. "Das hat sie am 9. April vor über 100 Experten gesagt", so Zellhofer. Auf Nachfrage von meinbezirk.at wurde das vom Sozialministerium weder bestätigt noch dementiert. Im Antwortschreiben an uns hieß es: "Die Bundesregierung hat am 05.12.18 den Masterplan Pflege im Ministerrat beschlossen. Davon ausgehend wird bis Ende des Jahres ein Gesamtkonzept präsentiert werden, welches auch die Ausbildung der Pflegeberufe beinhalten wird." Durch die Ausrufung der Neuwahlen ist unklar wie es eine künftige Regierung mit der Pflegelehre halten wird. 

Pilotprojekt Pflegelehre

In einigen Bundesländern hat man sich diesbezüglich schon seit längerem positioniert. So wird in Vorarlberg seit einigen Jahren ein Pilotprojekt Pflegelehre durchgeführt. Als Vorbild wird hier die Schweiz genannt, wo es den Lehrberuf "Fachangestellte Gesundheit" gibt. Auch in Oberösterreich gibt es ein Pilotprojekt. Die Landesregierungen beider Ländern stellen sich hinter die Forderung, die Pflegelehre auch bundesweit einzuführen

Alternative: Das BHS-Modell

Gegner der Lehre wie etwa Zellhofer befürworten eher eine Ausbildung zur Pflegeassistenz an einer Berufsbildenden Höhere Schule. Markus Mattersberger, Chef des Bundesverbands der Alten- und Pflegeheime, glaubt, dass das nicht ausreichen werde. "Wir brauchen ohnehin mehrere Wege. Die Frage ist, ob wir es uns leisten können, den Lehrberuf auszublenden", sagte er im Gespräch mit meinbezirk.at.

Stadt-Land-Unterschied

Er weist auch darauf hin, dass das Lager der Lehre-Befürworter eher aus dem ländlichen Bereich kommt und das der Gegner eher aus dem städtischen. "Am Land ist die Lehre im Gegensatz zu den Städten positiv besetzt." so Mattersberger. Außerdem müssten Jugendliche am Land, die eine Lehre machen, für die Ausbildung nicht in Ballungszentren ziehen, sondern könnten in ihren Heimatorten bleiben. 

Ethiker befürchtet Ökonomisierung 

In die Diskussion hat sich auch der Ethiker Andreas Klein eingeschaltet. Er argumentierte in einem Text, der in der Reihe "Laut gedacht" im März erschien, aus mehreren Gründen gegen die Pflegelehre. Neben der gesetzlichen Inkompabilität wegen des Mindestalters in Gesundheitsberufen befürchtet er durch die Pflegelehre einen weiteren Schritt in Richtung Ökonomisierung des Gesundheitswesens, da Lehrberufe dem Wirtschaftsministerium untergeordnet sind. Ex-Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck hat sich in der Vergangenheit bereits offen für eine Pflegelehre gezeigt. Ethiker Klein nennt stattdessen das BHS-Modell als bessere Alternative zur Pflegelehre.

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