Ärztemangel in Österreich
"System der Wahlärzte gehört abgeschafft!"

Der Obmann der ArbeitnehmerInnen in der ÖGK, Andreas Huss, und Tirols Vorsitzender des Landesstellenausschusses, Werner Salzburger | Foto: ÖGK
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  • Der Obmann der ArbeitnehmerInnen in der ÖGK, Andreas Huss, und Tirols Vorsitzender des Landesstellenausschusses, Werner Salzburger
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Immer mehr Ärztinnen und Ärzte wählen den Weg in den kaum regulierten Privat-/Wahlarzt-Bereich, der immer öfter auch abseits von evidenzbasierter Medizin agiert, weswegen immer mehr Kassenstellen unbesetzt bleiben, wie der Rechnungshof in einer aktuellen Analyse feststellte. Andreas Huss, Arbeitnehmervertreter und Vizeobmann der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), rüttelt erneut am System der Wahlärzte.

ÖSTERREICH. Um dem Problem des Ärztemangels zu begegnen, schlagen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der ÖGK schon seit längerer Zeit vor, sich ein Beispiel an erfolgreichen Maßnahmen aus Deutschland zu nehmen, allen voran bei der Landarztquote.

System der Wahlärzte abschaffen 

Huss plädierte in einem Interview mit dem Oberösterreichischen Nachrichten ebenfalls dafür, auf das deutsche System umzustellen, wo es entweder Ärzte im Kassensystem oder reine Privatärztinnen und -ärzte gebe. „Ich würde das System der Wahlärzte abschaffen – das passt nicht mehr“, sagte Huss, der damit den wachsenden Schwierigkeiten bei der Nachbesetzung offener Kassenstellen gegensteuern will.

„Zu wenige Mediziner im öffentlichen Gesundheitssystem“ 

Eingeführt worden seien Wahlärzte zu einer Zeit, als es mehr Mediziner als offene Stellen gab: „Da hat man gesagt: Bevor ausgebildete Ärzte Taxi fahren müssen, sollen sie lieber als Wahlarzt tätig sein.“ Das habe sich mittlerweile radikal geändert. „Wir haben zu wenige Mediziner im öffentlichen Gesundheitssystem“, schlägt der Vizeobmann der ÖGK Alarm.

Wahlärzte kriegen 80 Prozent des jeweiligen Kassentarifs

 
Patientinnen und Patienten, die in Deutschland einen Privatarzt besuchen, bekommen laut Huss keinerlei Kostenersatz von der Sozialversicherung. Bei Wahlärzten in Österreich erstatten die gesetzlichen Krankenkassen den Patienten 80 Prozent des jeweiligen Kassentarifs.

„Wenn Ärzte sich entscheiden, nur ihre eigenen Patienten zu behandeln, dann sollen sie auch bei uns keine Zahlungen mehr aus dem öffentlichen Gesundheitssystem beziehen“, bezog er sich auf dieses Vorbild: „Wenn wir das so ändern, werden wir auch genügend Ärzte im Kassensystem haben.“ Andernfalls werde die Zahl der Wahlärzte weiter zunehmen, die Zahl der Kassenärzte weiter abnehmen: „Dann haben wir irgendwann nur noch Wahlärzte.“

Unis sollen ihren öffentlichen Auftrag ernst nehmen

Die ÖGK hatte erst kürzlich gefordert, dass staatliche Universitäten ihren öffentlichen Auftrag ernst nehmen müssen und Hausarztquoten übernehmen sollen. Die Honorierung der niedergelassenen Kassenärztinnen und -ärzten wird vom Rechnungshof als besonders gut eingeschätzt, gerade im Vergleich zu anderen freiberuflichen Gruppen wie Rechtsanwältinnen und Anwälte, oder Steuerberaterinnen und -berater. Aber auch im Vergleich zu WahlärztInen- und ärzten und Spitalsärztinnen -und ärzte verdienen Kassenärzte besser.

Immer mehr Privatärzte

Auch die grundsätzliche Menge an öffentlich ausgebildeten Ärzten schätzt der Rechnungshof sehr positiv und ausreichend ein. Die Probleme liegen laut Rechnungshof in der Verteilung auf die unterschiedlichen Betätigungsfelder. Immer mehr Ärztinnen und Ärzte wählen den Weg in den kaum regulierten Privat-/Wahlarzt-Bereich, der immer öfter auch abseits von evidenzbasierter Medizin agiert, weswegen immer mehr Kassenstellen unbesetzt bleiben.

Um dem Problem zu begegnen, schlagen die ArbeitnehmerInnen in der ÖGK schon seit längerer Zeit vor, sich ein Beispiel an erfolgreichen Maßnahmen aus Deutschland zu nehmen, allen voran bei der Landarztquote.

Seit 2017 gibt es in Deutschland die Möglichkeit für Bundesländer, eine Landarztquote einzuführen. Ein Teil der zu vergebenden Medizin-Studienplätze wird dabei zeitlich vor den allgemeinen Zugangsprozeduren an Studierende vergeben, die sich verpflichten, nach dem Studium mindestens zehn Jahre in unterversorgten Regionen im öffentlichen Gesundheitssystem zu arbeiten. Bei öffentlich finanzierten Gesamtausbildungskosten von bis zu 600.000 Euro haben die Steuer- und BeitragszahlerInnen das Recht, dafür auch eine gute öffentliche Versorgung zu bekommen, ohne dafür auch noch privat tief in die Tasche greifen zu müssen.

In Österreich gibt es im Universitätsgesetz (§71c) die Möglichkeit, dass ab dem Studienjahr 2022/2023 bis zu fünf Prozent der ca. 2000 Medizin-Studienplätze über die Leistungsvereinbarungen der Universitäten für Studienplätze im öffentlichen Interesse vergeben werden können. Laut Gesetz muss sichergestellt sein, dass die AbsolventInnen die Aufgaben im öffentlichen Interesse nach dem Studium auch tatsächlich erbringen. Im Aufnahmeverfahren müssten die KandidatInnen natürlich auch eine Mindestleistung erbringen. Die 5 Prozent müssen jedenfalls erhöht werden, weil wir mit 100 ÄrztInnen pro Jahr das Nachwuchsproblem nicht lösen können.

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