US-Wahl 2020
Wiener Meinungsforscherin im Interview über die US-Wahl

Die Wiener Meinungsforscherin Laura Bronner lebt seit fast vier Jahren in den USA. Demokraten hätten die Briefwahl als Wahloption bei der US Wahl 2020 hochgehalten, weil unklar war, wie das Wählen in der Pandemie funktionieren würde. "Deshalb sehen wir, dass die Stimmen per Briefwahl wesentlich demokratischer sind, als jene, die am Wahltag abgegeben wurden".  | Foto: Laura Bronner
  • Die Wiener Meinungsforscherin Laura Bronner lebt seit fast vier Jahren in den USA. Demokraten hätten die Briefwahl als Wahloption bei der US Wahl 2020 hochgehalten, weil unklar war, wie das Wählen in der Pandemie funktionieren würde. "Deshalb sehen wir, dass die Stimmen per Briefwahl wesentlich demokratischer sind, als jene, die am Wahltag abgegeben wurden".
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Die Wienerin Laura Bronner ist Daten- und Politikwissenschaftlerin und lebt und arbeitet seit fast vier Jahren in den USA. Sie schreibt und analysiert für FiveThirtyEight (eine US-amerikanische Nachrichtenwebsite mit den Schwerpunkten Statistik und Datenjournalismus) aktuell vor allem die US-Präsidentschaftswahl. Im Interview mit RMA-Redakteur Ted Knops und RMA-Redakteurin Julia Schmidbaur erzählt die 31-Jährige, wie sie die Wahlen Vorort erlebt. 

Regionalmedien Austria (RMA): Frau Bronner, wie erleben Sie als Österreicherin aktuell die Stimmung in den USA? Der US-Wahlkampf läuft doch wesentlich anders ab, als Wahlen hierzulande. 

Laura Bronner: Ich arbeite wegen dem Corona-Virus immer noch von zu Hause und gehe nicht einmal ins Büro. Der Wahlkampf ist natürlich heftig und lange gewesen und war auch von der Pandemie überschattet. Ich lebe in New York, das ziemlich demokratisch ist. Hier ist es so, dass man auf der Straße von dieser Polarisierung nicht viel mitbekommt.

Warum ist die Briefwahl gerade so ein kontroversielles Thema in den USA? Präsident Trump spricht von "illegal votes" (Anm. d. Red, illegale Wählerstimmen)? Wahlbeobachterin in den USA haben aber eigentlich ein positives Fazit gezogen.

Kurz gesagt: Weil Republikaner beschlossen haben, dass sie es zu einem kontroversiellen Thema machen. Es gibt Studien dazu, dass die Briefwahl nicht notwendiger Weise einer Partei einen Vorteil gibt. In US-Staaten, die vor diesem Jahr die Briefwahl ausgeweitet haben, war das weder für die Demokraten noch für die Republikaner besonders gut. Menschen die per Briefwahl wählen sind normalerweise jene, die sowieso wählen gegangen wären. Es wählen mehr Menschen aber nicht notwendiger Weise anders. Es ist nicht eine andere Parteienzusammensetzung, als ohne Briefwahl. Dieses Jahr ist anders, weil Republikaner die Briefwahl bei ihren Wählern in Verruf gebracht haben. Demokraten haben hingegen die Briefwahl als Wahloption hochgehalten, weil unklar war, wie das Wählen in der Pandemie funktionieren würde. Deshalb sehen wir, dass die Stimmen per Briefwahl wesentlich demokratischer sind, als jene, die am Wahltag abgegeben wurden. 

Wieso dauert die Auszählung der US-Wahl so lange? Wann können wir mit einem endgültigen Wahlergebnis rechnen? 

Ein endgültiges Wahlergebnis gibt es es erst in einigen Wochen. Das ist aber immer so. Die Demokraten wollten die Wahlkarten schon vor dem Wahltag zählen. In machen Staaten durften sie das auch. In einigen Staaten wie Pennsylvenia, Wisconsin und Michigan durften sie diese erst nach dem Wahltag zählen. Daher passiert das, was wir jetzt sehen: Je mehr Briefwahlstimmen ausgezählt werden, desdo besser schneidet Joe Biden ab. Trump und einige andere Republikaner nützen das jetzt als Strategie, um zu sagen, dass die Wahlen nicht stimmen. 

In Georgia und Wisconsin dürften die Stimmen neu ausgezählt werden, in Georgia ist das Ergebnis sehr knapp. Aber das wird natürlich dauern. In einigen Staaten war es der Fall, dass die Trump-Kampagne versucht hat anzufechten, dass ihre Wahlbeobachter nicht nahe genug an der Auszählung waren. Ich nehme nicht an, dass das eine große Auswirkung hat, aber es verlangsamt alles. 

Für Österreich sind die USA die zweitwichtigste Exportdestination. Wie würde sich die Außenpolitik Bidens von der Donald J. Trumps unterscheiden? 

Wahrscheinlich würde sich einiges unterscheiden. Biden ist was die EU betrifft ein ganz anderer Politiker, ein relativ traditioneller Demokrat. Ich nehme an, dass das eine große Auswirkung auf Amerikas Beziehung zur EU hätte und zu Russland vor allem. Mit "America First" hat Biden nichts zu tun. Ich nehme an, dass er außenpolitisch näher an Clinton und Obama anknüpft, als Trump. Biden hat ja bereits angekündigt, wieder in das Pariser Klimaabkommen einzusteigen zu wollen. 

Hat Präsident Trump Ihrer Meinung nach Chancen, mit seiner Klage gegen die Stimmauszählung? Es gibt bereits erste Klagen gegen den Auszählmodus. Könnte eine Klage bis zum obersten Gerichtshof gehen?

Es ist relativ unwahrscheinlich, dass eine Klage bis zum obersten Gerichtshof geht. In Pennsylvania z.B. dreht sich die Frage darum, ob die Wählerstimmen, die nach dem Wahltag ankommen, aber vor dem Wahltag abgeschickt wurden, ausgezählt werden dürfen. Der oberste Gerichtshof hat entschieden, dass die Stimmen, die bis Freitag ankommen, sofern sie vor der Wahl abgegeben wurden, legitim sind. Es scheint aber in Pennsylvania, dass der Vorsprung Bidens auch ohne diese stimmen halten würde. Das würde dann wahrscheinlich auch nicht bis zum obersten Gerichtshof kommen. 

Können Sie bereits einschätzen, welche Wählergruppe dieses mal Trump bzw. Biden gewählt haben? 

Das ist noch relativ unklar. Aber: Trump konnte vor allem bei seinen Wählern -weiße Wähler ohne Hochschulabschluss, Männer - wieder punkten. Er dürfte auch von Latino-Männern mehr Stimmen, als bei der letzen US-Wahl, bekommen haben. Vor allem in Florida und Texas. Das ist aber noch unklar, weil viele Leute per Briefwahl gestimmt haben. Daher waren die Menschen, die man am Wahltag befragen konnte, nicht eine repräsentative Auswahl der Wähler.

Seit März ist Joe Biden in bundesweiten Umfragen immer vor Trump gelegen. Tatsächlich scheint es aber ein sehr knappes rennen zu werden. Warum lagen die Meinungsforscher bei der Vorhersage des Wahlergebnisses wieder daneben?

Auf nationaler Ebene könnte Biden vermutlich zwischen 5 und 7 Prozentpunkten vorne liegen. In den Umfragen lag er am Ende circa 9 Prozentpunkte vorne. Die nationalen Umfragen werden also nicht so falsch gelegen haben. In Kalifornien wird z.B. noch Wochen ausgezählt und dort wird Biden sehr viele Stimmen bekommen. Die Umfragen scheinen aber in einigen Staaten ziemlich falsch gelegen zu sein. In Florida lag Biden circa 2.5 Prozentpunkte vorne und Trump wird es klar gewinnen. Dort lagen die Umfragen circa 5 Prozentpunkte falsch. In Ohio ist das noch ärger. Aber in anderen Staaten werden die Umfragen richtiger liegen. 2016 haben sich Meinungsforscher nach der US-Wahl damit auseinandergesetzt, was bei den Umfragen schief gelaufen ist. Es gab wenig Beweise dafür, dass es an Trump-Wählern gelegen hat, die sich in Umfragen nicht dazu bekannt haben. Damals wurde spekuliert, dass nicht nach Bildung gewichtet wurde. Das wurde bei dieser Wahl gemacht. Wir werden uns ansehen müssen, was diesmal das Problem war. Es könnte mit Latino-Wählern zusammenhängen, die vielleicht anders gestimmt haben, als es in Umfragen schien, oder die schwerer zu erreichen waren.

Auf Fivefirtyeight wurde Biden eine Chance von 90 Prozent gegeben, Trump 10 Prozent. Bleiben Sie dabei ? 

Es stand auf unserer Seite 89 Prozent. Das heißt nicht, dass Biden haushoch gewinnen wird. 89 Prozent heißt, dass er eine sehr gute Chance hat, zu gewinnen, aber diese Wahrscheinlichkeit beinhaltet sowohl einen Erdrutschsieg wie auch ein knapperes Ergebnis.

Wie wird es für Sie nach der US-Wahl weiter gehen?

Ich werde viel schlafen. Darauf freue ich mich persönlich schon. Und vielleicht auch ein paar Bücher lesen, die nichts mit Politik zu tun haben.

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