Werner Kogler
Windräder – "Die Blockierer werden einfach umschifft!"

Werner Kogler im Interview: "Geht es nach Umfragen, dann wären wir bei der EU-Wahl und letzten Nationalratswahl immer irgendwo bei vier Prozent gelandet. Es waren aber dann um die 14 Prozent." | Foto: Roland Ferrigato
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  • Werner Kogler im Interview: "Geht es nach Umfragen, dann wären wir bei der EU-Wahl und letzten Nationalratswahl immer irgendwo bei vier Prozent gelandet. Es waren aber dann um die 14 Prozent."
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Werner Kogler, Vizekanzler und Grünen-Chef, im Gespräch mit den RegionalMedien Austria über die ÖVP, Teuerung, und die Ästhetik von Windrädern. 

ÖSTERREICH. Trotz seiner "Rede an die Nation", bei der Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer auch einige mit dem Grünen Regierungspartner divergente Themen für "Österreich 2030" gezeichnet hat, ist die Stimmung in der Koalition gut, wie Grünen-Obmann Werner Kogler im Gespräch mit den RegionalMedien betont: "Wir Grüne haben andere Schwerpunkte als die ÖVP, was ja durchaus spannend ist. Wenn es darum geht, Umwelt und Wirtschaft zu vereinen, passen wir ganz gut zusammen." 

Bei den letzten Landtagswahlen haben die Grünen nicht so gut abgeschnitten. Insgesamt verharren Sie nach der aktuellen profil-Umfrage bei zehn Prozent. Woran liegen diese schwachen Werte? Und was erwarten Sie für die Wahl in Salzburg?
In Kärnten erreichten wir tatsächlich zu wenige Stimmen, trotz einem kleinen Plus. Kärnten war für uns immer schon das schwierigste Bundesland. In Niederösterreich haben wir zwei Mandate dazu gewonnen und den Klubstatus erreicht. Im Übrigen haben die Grünen seit wir in die Regierungsverhandlungen im Bund eingetreten sind, bei allen Landtagswahlen dazu gewonnen, außer in Tirol. Dass die Zeiten durch Kriegs- und Krisenthemen schwieriger geworden sind, spüren vor allem kleine Parteien. In Salzburg wird es darum gehen, Wirtschaft und Umwelt unter einen Hut zu bringen, kombiniert mit der Frage, wie man den Haushalten in Zeiten der Teuerung unter die Arme greift. Unsere Spitzenkandidatin in Salzburg, Martina Berthold, strebt Konstellationen an, bei denen die Grünen Regierungsverantwortung übernehmen können. Geht es nach Umfragen, dann wären wir bei der EU-Wahl und der letzten Nationalratswahl immer irgendwo bei vier Prozent gelandet. Es waren dann aber um die 14 Prozent. 

Können Sie sich auf Bundesebene eine zweite Legislaturperiode mit der ÖVP vorstellen? Wo liegen die größten Divergenzen zwischen Grünen und ÖVP nach der Rede von ÖVP-Chef und Bundeskanzler Karl Nehammer?
Natürlich streben wir die Möglichkeit an mitzuregieren, auch in einer Dreier-Konstellation, weil Zweier-Möglichkeiten werden immer seltener. Es sind aber noch eineinhalb Jahre bis zur nächsten Wahl. Bis Herbst 2024 wollen wir die übrigen Vorhaben des Regierungsprogramms umsetzen - da sind ja noch große dabei. Da sind wir uns einig. Beispielsweise in der ökologischen Wirtschaftswende, wo viele hochwertige Arbeitsplätze drinnenstecken. Es geht da um den ökologischen Umbau der mittleren Firmen und Gewerbebetriebe sowie der großen Industriebetriebe. Das passiert ja nicht von allein. Wenn es darum geht, Umwelt und Wirtschaft zu vereinen, passen wir ganz gut zusammen.

Wir Grüne haben andere Schwerpunkte als die ÖVP, was ja durchaus spannend ist. Es gibt natürlich auch Punkte, wo wir uns unterscheiden. Aber wenn die ÖVP sich nicht auf ihre christlich-sozialen Wurzeln besinnt, sondern rechtspopulistisch wegdriftet, dann werden die Grünen diese christlich-sozialen Themen besetzen. Da sind wir auch sehr glaubwürdig.

Was wollen Sie mit ihrer Kampagne "Mission Klimaglück" bezwecken?
Wir wollen die Zuversicht stärken. Trotz der großen Krisen – dem Krieg gegen die Ukraine, der Energieknappheit und der damit verbundenen Teuerung – gibt es auch Lösungen. Mit der Kampagne wollen wir zeigen, dass Vieles in Europa oder in Österreich gelöst werden kann. Wir möchten den Menschen vor Augen führen: Wir haben da eine Vision, bei der man mitmachen kann. Und wir haben auch den dazugehörigen Plan, die Tatkraft und den Willen. All das verbinden wir mit dem Begriff "Mission Klimaglück". Seit dem bestialischen Angriffskrieg von Putin gegen die Ukraine ist klar, dass Energieunabhängigkeit sehr viel mit Sicherheit und Freiheit zu tun hat. Da sind wir uns auch in der Regierung einig. Aber die Grünen sind bei der Energiewende ganz klar die treibende Kraft. Die „Mission Klimaglück“ ist der Schlüssel für viele Aktionen und Lösungen. 

Ist das auch ein Schlüssel für das Klimaschutzgesetz?
Dazu kommen wir noch. Es muss ja das Ziel von Politik sein, dass das größte Glück der größten Zahl relevant ist. Es ist unser Ziel, dass es wegen der Energieunabhängigkeit von fossilem Putin-Gas nicht mehr zu einer Vervielfachung der Preise über Nacht kommen kann. Dazu brauchen wir viel mehr Erneuerbare, in Europa, aber speziell in Österreich. Wir haben dafür die besten Voraussetzungen. Aber da gehört mehr getan und es gehört viel schneller gehandelt. Das ist der Plan. Da geht zwar schon jetzt so viel weiter, wie nie zuvor, aber wir wollen es noch weiter beschleunigen. 

Zurück zum Klimaschutzgesetz, weil Sie gesagt haben, Sie sind auf einem sehr guten Weg mit der ÖVP. Trotzdem wird immer wieder von Umweltschutzorganisationen kritisiert, dass da nichts weiter geht. Was sind da die größten Hindernisse?
Dieses Gesetz beschreibt einen Fahrplan, wann welche Bundesländer, bestimmte Wirtschaftssektoren sowie der Verkehr ihre Einsparungsziele von schädlichen Abgasen erreichen sollen. Nur, es gibt ein großes sprachliches Missverständnis. Wir haben schon einige Klimaschutzgesetze umgesetzt, die heißen nur nicht alle so. Es gibt das Gesetz für erneuerbaren Strom, das zugehörige Beschleunigungsgesetz, das Gesetz für Grüngas, das Gesetz für erneuerbare Wärme, welches gerade mit der SPÖ fertig verhandelt wird, – die Energieeffizienz, und die Novelle der Umweltverträglichkeitsprüfungen, die z.B. den Ausbau von Windparks beschleunigt. Das sind riesige Pakete. Wenn man die zusammenzählt, sind das sechs wesentliche Gesetzesvorhaben, die jedes für sich mindestens so viel zum Klimaschutz beitragen, wie das eine Gesetz, das so heißt. Das Klimaschutzgesetz benötigen wir aber, weil wir einen Fahrplan brauchen. Wir gehen davon aus, dass wir das in dieser Legislaturperiode zustande bringen. Es ist unsere ethische Verantwortung beim Klimaschutz Druck zu machen und auch wirklich etwas zu verändern. Ein Erfolg ist beispielsweise, dass wir die Photovoltaik ausgebaut haben. Seitdem wir regieren, ist mehr Photovoltaik gebaut worden, als vorher vorhanden war. Also in drei Jahren mehr als dreißig Jahre davor. 
 
Reicht die Novelle zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), um die Länder dazu zu bewegen, noch mehr in den Ausbau von Windkraft zu investieren, um die geplanten Energieziele zu erreichen? 
Die UVP-Novelle führt sicher zu einer Beschleunigung. Der Engpass lag nicht bei den Investitionen, ganz im Gegenteil. Es gab ja Förderungen. Manche Bundesländer sind Komplettverweigerer, weil sie keine entsprechend ausgewiesenen Eignungsflächen haben, in manchen geht mehr weiter - etwa in der Steiermark. Während Wasserkraft bereits zu 80-95 Prozent ausgebaut ist, gibt’s beim Wind buchstäblich viel mehr Luft nach oben. Darum das Beschleunigungsprogramm - die Blockierer werden einfach umschifft. Wir werden ja nicht ganz Österreich zu einem Windpark machen! Es geht nur um ein paar Prozent Fläche, auf der Windräder stehen können. Windräder muss nicht jeder hübsch finden. Aber: Regionen, Gemeinden und Bevölkerung sollen profitieren. Je mehr Gemeinden und Regionen wir für den Ausbau gewinnen, je mehr Bürgerinnen und Bürger sich daran beteiligen können, umso mehr profitieren sie selber von günstigerem, hausgemachten Strom. Wir wollen ja nicht, dass große Energieunternehmen noch mehr abcashen und wir dann wieder eine Zufallsgewinnsteuer beschließen müssen. Wir wollen mehr autarke Inseln schaffen, wo Gemeinden sowie Bürgerinnen und Bürger den Strom in der Region produzieren und verbrauchen. 

Sie sind genauso wie Ihr Koalitionspartner für das viel kritisierte Gießkannenprinzip bei Förderungen verantwortlich.  Wie gestalten Sie künftig Förderungen?
Gießkanne stimmt für die meisten Fördersystematiken überhaupt nicht. Ich widerspreche dem vehement. Die großen Maßnahmen, die im Vorjahr beschlossen wurden und teils erst jetzt greifen, funktionieren genau umgekehrt – für die unteren Einkommen gibt es mehr, für die oberen weniger. Was stimmt, ist, dass den Klimabonus alle bekommen. Bei den Pensionserhöhungen sind wir sozial gestaffelt vorgegangen. Das obere Drittel der Pensionisten hat 5,8 Prozent bekommen, jene mit den geringsten Pensionen 10,2 Prozent. Wer am wenigsten Pension kriegt, erhält relativ am meisten dazu. Dazu kommen noch Absetzbeträge, bei denen die niedrigsten Einkommen ebenfalls am meisten profitieren. Das ist das Gegenteil von Gießkanne. In Deutschland hat das etwa nicht so gut und schnell geklappt. 

Ihren Vorstoß auf eine Mehrwertsteuersenkung gegen die Teuerung lehnt die ÖVP ab. Für welche alternativen Ansätze gegen die Teuerung sind die Grünen? 
Mein Vorschlag war auf Grundnahrungsmittel bezogen, wenn gewährleistet wäre, dass die Handelsketten das an die Konsumenten weitergeben. Jetzt müssen die Handelsketten beobachtet werden. Ich habe dem Wirtschaftsminister, der für Wettbewerbskontrollen zuständig ist, gesagt, wir müssen da schärfer hineinfahren. Die Preise könnten jetzt deutlich schneller sinken. Wirtschaftsforschungsinsitute können nachweisen, dass in immer mehr Branchen die Unternehmen der Verlockung nicht widerstehen, dass sie die Preise stärker erhöhen, als ihre Kosten sind.

Wir werden diese Spirale durchbrechen. Etwa mit der Stromkostenbremse, die den Haushalten einen Grundbedarf sichert. Die Kunden sollten schauen, was sie ohne Stromkostenbremse zahlen würden. Auch diese Maßnahme ist durchdacht. Wir wissen, dass Haushalte mit hohem Einkommen einen wesentlich höheren Energiebedarf haben. Deren Bedarf wird mit den „gebremsten“ 2.900 Kilowattstunden nicht abgedeckt. Wir sind da mit der "Gießkannendebatte" schon ein bisschen aufgeregt in Österreich. Wenn ich – wie manche sich das wünschen - jedem Haushalt 80 Prozent des Energieverbrauchs des Vorjahres zahlen würde, dann kriegen das auch die mit den beheizten Swimmingpools. Das wäre Gießkannenprinzip. 

Was halten Sie von der von der ÖVP angestoßenen Debatte um Sozialkürzungen für freiwillige Teilzeitarbeit?
In den nächsten Jahren haben wir die Situation der Knappheit von Arbeitskräften, nicht zuletzt aus demographischen Gründen. Unser Ansatz ist, vor allem Frauen, die derzeit auf Grund des nicht vorhandenen Kinderbetreuungsangebots nicht oder nur Teilzeit arbeiten, voll in den Arbeitsmarkt zu holen, wenn sie das wollen. Darum werden wir das Angebot flächendeckend ausweiten. Dann orientieren sich die Menschen von selbst. In der ÖVP gibt es bei der flächendeckenden Kinderbetreuung jetzt auch ein Umdenken. Deshalb werden wir ordentlich investieren. Besser in die Kinderbetreuung investieren, als in neue Autobahnkilometer. 

Herr Bundeskanzler Nehammer hat in seiner Rede zur Nation angekündigt, Zugewanderten, die unter fünf Jahre in Österreich sind, die Sozialleistungen zu halbieren. Was ist Ihre Meinung dazu?
Dazu gibt es aufgrund von internationalem und europäischem Recht kaum Möglichkeiten. Ähnliche Vorhaben von Türkis-Blau hat der Europäische Gerichtshof und der österreichische Verfassungsgerichtshof gekippt. In der Pflege, wo wir dringend Leute brauchen, hatte man mit der Indexierung der Familienleistungen für Menschen aus dem Ausland genau das Problem noch größer gemacht. Die haben weniger bekommen, obwohl sie gleich viel einzahlen. Der Europäische Gerichtshof hat das aufgehoben. Es ist auch völlig unklar, welche Sozialleistungen gekürzt werden sollen. Versicherungsleistungen kann man nicht kürzen, dann bleibt aber nicht mehr viel übrig. Gesundheitsminister Johannes Rauch hat das perfekt argumentiert. Wir wollen ja möglichst viele Menschen in den Pflegebereich holen. 

Die Ski-WM in Salzburg wird ja an umfangreiche Förderungen geknüpft sein, weil sie auch als nachhaltiges Green-Event geplant wird. Warum nicht jedes ausgetragene Sportevent in Zukunft in Österreich für finanzielle Unterstützung mit Nachhaltigkeitspflichten? 

Es geht eindeutig in diese Richtung. Wir machen Nachhaltigkeit zunehmend zur Förder-Voraussetzung. Es gibt aber keine Verpflichtung, dass jedes Event von vornherein ein Green-Event ist. Aber die Förderkriterien werden strenger . Was mir wichtig ist: kleine Vereine sollen weiterhin ihre Veranstaltungen durchführen können, selbst wenn es ihnen beispielsweise nicht gelingt, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit einem E-Auto oder mit den Öffis zum Event kommen. 

ORF Sport Plus: Wird das abgestellt oder gibt es da noch Gespräche?
Das ist in erster Linie eine Entscheidung des ORF. Ich mache keine Zurufe an den Stiftungsrat, der muss das mit dem Management regeln. Wir loten gerade mit Sport Austria aus, wie es weitergeht. Laut ORF-Gesetz kann man den Sender nicht einfach abdrehen. Zudem will man innovativ bleiben. Man kann viele Sportarten digital und außerhalb der Prime-Time ausstrahlen. Unser Ansatz ist aber, dass der ORF nicht eine solche Unsicherheit hinterlassen darf, auch nicht gegenüber den Sponsoren. Die Verpflichtungen reichen ohnehin bis ins Jahr 2026. Man kann beispielsweise bis 2027/28 die Digitalisierung für die Streaming-Plattformen fertig erarbeiten. Für internationale Bewerbe in Österreich ist die mediale Sichtbarkeit meistens Voraussetzung. Das sollte man nicht leichtsinnig und verantwortungslos verspielen. 
 

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