Wifo-Experte Josef Baumgarten
Die Energiepreise bleiben auf hohem Niveau

Josef Baumgartner, Wifo: "Sollte Russland den Öl- und Gashahn nach Europa abdrehen – oder die EU die Sanktionen auch auf Gas ausweiten, drohen uns eine zweistellige Inflationsrate und eine Rezession." | Foto: Wifo, Alexander Müller
4Bilder
  • Josef Baumgartner, Wifo: "Sollte Russland den Öl- und Gashahn nach Europa abdrehen – oder die EU die Sanktionen auch auf Gas ausweiten, drohen uns eine zweistellige Inflationsrate und eine Rezession."
  • Foto: Wifo, Alexander Müller
  • hochgeladen von Mag. Maria Jelenko-Benedikt

Inflationsexperte Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) im Gespräch mit den RegionalMedien Austria über die Auswirkungen der Teuerung auf das Leben der Österreicherinnen und Österreicher, und in welchem Fall uns eine Rezession droht.

ÖSTERREICH. Nicht nur die Pandemie, sondern auch der Krieg Russlands gegen die Ukraine fordert die Wirtschaft stark. Wirtschaftlich Leidtragende sind die Konsumentinnen und Konsumenten. Wie sehr, das versucht der Ökonom Josef Baumgartner, seit 1996 im Forschungsbereich "Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik" tätig, zu beantworten.

RegionalMedien Austria: Die aktuellen Daten der Statistik Austria zeigen eine Rekordinflation von fast sieben Prozent. Kann man Prognosen über die zeitliche Dauer stellen?

Josef Baumgartner: Wir können Einschätzungen unter bestimmten Annahmen machen. Laut unserer Prognose vom 25. März gehen wir für heuer von einer durchschnittlichen Inflationsrate von rund 6 Prozent aus. und für 2023 erwarten wir einen Inflationsrate von 3,5 Prozent. Diese Prognose unterstellt, dass russisches Gas und Öl weiter nach Europa fließt und dieses von Europa auch abgenommen wird. D.h. wird unterstellen höhere Preise, aber dass es keine Engpässe in den benötigten Mengen geben wird.

Noch hält sich Russland an die Lieferverträge bei Öl und Gas, somit ist das Angebot noch nicht geringer geworden. Es ist eine gegenseitige Abhängigkeit: für Russland ist Europa der wichtigste Absatzmarkt für Öl und Gas, der durch das Pipelineliefersystem kurzfristig auch nicht durch China oder Indien ersetzt werden kann.

"Sollte Russland aber den Öl- und Gashahn nach Europa abdrehen – oder die EU die Sanktionen auch auf Gas ausweiten, drohen uns eine zweistellige Inflationsrate und eine Rezession."

Wird sich Ihrer Meinung nach die Inflation in den Kollektivverhandlungen niederschlagen?
Ich gehe schon davon aus, dass von den Gewerkschaften ein Inflationsausgleich gefordert wird, weil es heuer einen sehr deutlichen Reallohnverlust geben wird. In welcher Höhe das sein wird, ist von einigen Faktoren abhängig, etwa, wie sich die Inflation bis zum Herbst tatsächlich weiterentwickelt. Denn sollten der Gas- oder Ölhahn für Europa abgedreht werden, dann werden wir im Jahresverlauf mit zweistelligen Inflationsraten konfrontiert sein, womit das Inflationsszenario für die Lohnverhandlungen ganz anders aussehen wird.

Weiters ist in punkto Kaufkraft zu beachten, ob die Bundesregierung noch weitere Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg bringt. Sollte es durch Steuersenkungen oder Direktzahlungen eine weitere Entlastung der Haushalte geben, dann hätten die Gewerkschaften auch einen Handlungsspielraum, geringere Lohnforderungen zu stellen, da das Nettoeinkommen dann trotzdem steigen würde. Das sind Dinge, die aus heutiger Sicht schwer vorherzusehen sind.

Hauptpreistreiber der Inflation sind die Energiekosten. Warum sind dann solch eklatante Preissteigerungen bei den Wohnkosten und Lebensmitteln bemerkbar?
In die Kategorie „Wohnkosten“ fallen Mieten, aber auch die Ausgaben für Haushaltsenergie, also für Gas, Heizöl und Strom. Und diese sind in den letzten Monaten besonders stark gestiegen. Ein weiterer Teil der „Wohnkosten“ umfasst Materialien und Dienstleistungen für die Instandhaltung von Wohnungen, insbesondere sind die Materialkosten von Holz, Zement, Ziegel uvm. Auch hier sind die Preise im letzten Jahr sehr stark gestiegen.

Die Nahrungsmittel sind im Jänner gegenüber dem Vorjahr um 4,9 Prozent und im Februar um 4,1 Prozent gestiegen. Jetzt beginnen die Konsumenten Preiserhöhungen zu spüren, die auf Preisanstiege im letzten Jahr bei Agrarprodukten aus internationaler oder österreichischer Produktion, , insbesondere bei Getreide, zurückgehen, sowie aus höheren Kosten in der Lebensmittelverarbeitung, im Transport und für Verpackungen herrühren.

Die vorhersehbaren Preissteigerungen plus dem Push bei Energiepreisen und Rohstoffen durch den Ukrainekrieg werden erst im Laufe des Jahres sukzessive in den Lebensmittelpreisen zu sehen sein.

Sofort spürbar war es bei den Treibstoff- und Heizölpreisen, bei anderen Produkten gibt es immer eine gewisse Verzögerung durch bestehende Lieferverträge, die eingehalten werden müssen. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die Energiepreise hoch bleiben. Am raschesten dürfte bei Nahrungsmitteln der Preisanstieg bei Ölsaaten und bei Pflanzenöl bei den Konsumenten und Konsumentinnen ankommen. Die Preissteigerungen bei Getreideprodukten, die wir momentan spüren, haben noch nichts mit der Ukrainekrise zu tun, sondern mit Preissteigerungen vom Vorjahr.

Hat der Ukrainekrieg auch Auswirkungen auf die Versorgung mit Lebensmitteln in Österreich?
Im Agrarbereich ist der Anteil der Eigenproduktion noch immer hoch, variiert zwar bei verschiedenen Produktgruppen, aber insgesamt ist die Eigenversorgung in Österreich recht gut. Daher werden wir durch Produktionsausfälle in der Ukraine nicht unmittelbar eine Einschränkung in unserem Angebot spüren, außer vielleicht beim Sonnenblumenöl, was aber mit anderen Ölen substituiert werden kann. Es wird jedoch trotzdem deutliche Preissteigerungen geben, da die Großhändler die Möglichkeit haben, die im Inland produzierte Ware entweder in Österreich zu verkaufen oder ins Ausland zu exportieren, und die höheren Preise vom Weltmarkt werden auch auf Österreich umgewälzt. Der internationale Zusammenhang wird spürbar sein.

Die aktuellen Daten der Statistik Austria zeigen eine Rekordinflation von fast sieben Prozent.  | Foto: grafikplusfoto/fotolia
  • Die aktuellen Daten der Statistik Austria zeigen eine Rekordinflation von fast sieben Prozent.
  • Foto: grafikplusfoto/fotolia
  • hochgeladen von Alfred Jungwirth

Was würden Sie Sparerinnen und Sparern derzeit raten? Sind Investitionen in Immobilien derzeit eine gute Idee?
Wir machen keine Anlageberatung, alles, was etwas höhere Erträge bringt, birgt auch höheres Risiko und das gilt es abzuwägen. Da momentan die Einkommen real sinken, werden auch die Ersparnisse kleiner. Aber Anlagetipps kann ich leider keine geben.

Steuern auf Sprit kommen dem Finanzminister zugute. Könnte der Staat nicht einfach die Steuern reduzieren?
Das ist bei der Mineralölsteuer bis zu einem gewissen Grad möglich, da könnte man auf das europäische Minimum gehen, wobei Österreich nicht so viel drüber liegt. Bei der Mehrwertsteuer gibt es ebenfalls europäische Regeln, die Steuersenkungen begrenzen. Hier müsste eine europäische Einigung erzielt werden. Aber bereits 2020 wurde in den Bereichen Gastwirtschaft, Beherbergung und Veranstaltungen der Steuersatz auf fünf Prozent reduziert, was nicht EU-konform war.

Steuersenkungen sind aber zum Einen das Prinzip Gießkanne und zum Anderen unterlaufen sie die Anreize für das mittelfristige Ziel, aus fossilen Energieträgern auszusteigen. Das WIFO hat deshalb vorgeschlagen, dass die öffentliche Hand Unterstützungen an Personen bzw. Haushalte mit niedrigen Einkommen gibt. Sollte die Inflationsraten über die für heuer prognostizierten 6 Prozent hinausgehen oder nächstes Jahr nicht deutlich zurückgehen, dann wären diese Unterstützungen auszuweiten auch Haushalte bis zu den mittleren Einkommen zu berücksichtigen.

Österreichs Tourismus hat unter der Corona-Krise schwer gelitten, konnte sich aber schnell erholen. Welche Unsicherheiten bringen der Ukraine-Krieg, sowie die enorme Energiepreissteigerung, die hohe Inflation und die anhaltende Pandemie?
Wir werden vermutlich auch heuer nicht auf das Niveau von 2019 zurückkehren, auch im Sommer werden Überseegäste, vor allem aus Asien, ausbleiben. Dieses Kundensegment wird nicht nur durch die Pandemie, sondern auch durch die Ukrainekrise abgeschreckt. Was für den Sommer zumindest gehofft werden kann, ist, dass ein Österreich-Urlaub für Gäste etwa aus Deutschland oder Holland weiter beliebt sein wird, wie auch schon in den letzten beiden Jahren. Wie es im Winter aussieht, kann man im Moment noch nicht abschätzen, da auch die Entwicklung von Covid-19 entscheidend sein wird.

Wir haben einen Rekordstand bei niedriger Arbeitslosigkeit, gleichzeitig fehlen der Wirtschaft und im Gesundheitsbereich Arbeitskräfte. Was macht die Regierung in der Lenkung des Arbeitsmarkts falsch?
Durch die demographische Entwicklung wird die Knappheit an Arbeitskräften in den nächsten Jahren noch weiter verschärft. Zudem haben wir durch die Pandemie auch eine Verstärkung in der Veränderung der Präferenzen der Arbeitskräfte und auch weniger Angebot an ausländische Arbeitskräften, und der Frage, ob es für diese noch interessant ist, künftig im Tourismus oder der Pflege in Österreich zu arbeiten. Die erwerbsfähige Bevölkerung – d.h. Personen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren – geht in ganz Europa zurück. Schon vor der Pandemie gab es in manchen Branchen Fachkräftemangel und das wird in den nächsten Jahren noch schwieriger.

Bei der Frauenerwerbstätigkeit ist momentan Teilzeitbeschäftigung im europäischen Vergleich sehr hoch – hier gäbe es grundsätzlich ein Potenzial um das Arbeitsangebot zu vergrößern. Hier müssen jedoch entsprechende Anreize gesetzt und Unterstützungen ausgeweitet werden, um Familie und Beruf leichter unter einem Hut zu bringen. Die Kinderbetreuung ist ein wesentliches Problem, in Wien ist diese derzeit noch am besten, in manchen Bundesländern ist es damit, im Besonderen für unter Dreijährige Kinder, schlecht bestellt – und ganztägige Kinderbetreuung ist oft auch nicht verfügbar.

Bei der Flexibilität muss aber auch von Arbeitgeberseite nachjustiert werden, damit das Arbeitsangebot erhöht wird. Auch das Arbeitsangebot bei älteren Erwerbstätigen ist relativ niedrig. Hier muss zum einen die Möglichkeit der vorzeitigen Alterspersonen unattraktiver werden, aber auch bei den Unternehmen ein Sinneswandel eintreten um es den Beschäftigten schmackhafte zu machen auch länger im Betrieb zu bleiben, und nicht bei der ersten Gelegenheit in Frühpension zu gehen.

Spürst du die hohen Energiepreise?


Das könnte dich auch interessieren:

Regierung will Entlastungsmaßnahmen präsentieren
Teuerungen um bis zu 70 Prozent für Private und Unternehmen
Energiepreise schlagen bei Wiener Haushalten auf

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

UP TO DATE BLEIBEN


Aktuelle Nachrichten aus Österreich auf MeinBezirk.at

Neuigkeiten aus deinem Bezirk als Push-Nachricht direkt aufs Handy

MeinBezirk auf Facebook: MeinBezirk.at/Österrreichweite Nachrichten

MeinBezirk auf Instagram: @meinbezirk.at


Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.