Kammer erleichtert, Umweltschützer nicht
EU-Kommission lehnt Glyphosat-Verbot ab

Glyphosat: Laut Landwirtschaftskammer ist der Einsatz in geringem Maß von Vorteil und dient der Nachhaltigkeit. | Foto: Stadtblatt Innsbruck
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Die Europäische Kommission hat laut Landwirtschaftskammer festgestellt, dass der Nationalratsbeschluss im Wahlkampf 2019 zum Totalverbot des Wirkstoffes Glyphosat nicht mit dem geltenden Unionsrecht vereinbar sei. Global 2000 interpretiert die "Stellungnahme" der EU-Kommission jedoch anders.

ÖSTERREICH. Das umstrittene Unkrautvertilgungsmittel Glyphosat erhietzt weiterhin die Gemüter: Die jüngste Entscheidung der EU-Kommission zum Thema Zulassung bzw. Verbot in Österreich: Da es in der EU eine gemeinsame Agrarpolitik und daher auch eine EU-weite Zulassung von Pflanzenschutzmitteln gibt, sind nationale Alleingänge laut einer aktuellen Stellungnahme der EU-Kommission verboten. Die Anwendung von Glyphosat bleibt bis zum Auslaufen der EU-Zulassung im Jahr 2022 also erlaubt.

In Österreich hätte das 2019 vom Nationalrat ohne die Stimmen der ÖVP beschlossene Glyphosatverbot mit 1. Jänner 2020 in Kraft treten sollen. Die ehemalige Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein machte das Gesetz wegen eines Formalfehler aber nicht kund. Erlaubt ist nach EU-Recht nur ein Verbot der Anwendung von Glyphosat in Bereichen, die nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, also etwa private Gärten. 

SPÖ weiter für ein Verbot

Umweltorganisationen sowie die SPÖ und Grüne wollen ein Verbot, weil Glyphosat in der von EU erlaubten Form der Anwendung gefährlich sei, und hinterfragten in der Vergangenheit auch wissenschaftliche Studien dazu. "Wir bleiben dran, die SPÖ kämpft weiter für ein Verbot von Glyphosat und anderer schädlicher Pestizide in Österreich und auf EU-Ebene", sagte SPÖ-EU-Abgeordneter Günther Sidl in einer Reaktion auf die Stellungnahme der EU-Kommission am Mittwoch. Den Verweis, dass die vorgebrachten Einwände bereits Teil des europäischen Zulassungsverfahrens waren, lässt Sidl so nicht gelten. "Schon im letzten Jahr wurde bekannt, dass bei einigen Studien, auf die sich die Wiederzulassung von Glyphosat stützt, manipuliert wurde. Eine krebserregende Wirkung oder ein Schaden für die menschliche Erbsubstanz ist wissenschaftlich nicht ausgeschlossen und das verletzt das europäische Vorsorgeprinzip. Mit dem Wissen von heute hätte die Wiederzulassung von Glyphosat 2017 nicht erfolgen dürfen, deshalb ist es notwendig, jetzt zu reagieren und nicht bis zum neuerlichen EU-Zulassungsverfahren im Jahr 2022 zu warten. Ein österreichisches Glyphosatverbot muss noch in diesem Jahr umgesetzt werden!" Die SPÖ will dafür einen runden Tisch auf die Beine stellen. "Wir wollen die Giftrückstände in unserem Essen loswerden. Wo ein Wille, da ein Weg", sagt auch Olga Voglauer, Landwirtschaftssprecherin der Grünen. Sie sieht die zuständige VP-Ministerin Elisabeth Köstinger gefordert. 

"Bauern brauchen Sicherheit" 

Das Landwirtschaftsministerium interpretiert die Bemerkung aus Brüssel im Einklang mit dem Bauernbund allerdings als klare Absage an ein Verbot.  Und auch die Landwirtschaftskammer (LK) Österreich sieht sich mit der Stellungnahme der EU-Kommission in ihrer Rechtsauffassung bestätigt. Die bäuerliche Interessenvertretung hatte mehrfach vor dem rechtswidrigen Beschluss des Totalverbots gewarnt und fachliche Bedenken dagegen geäußert. "Die EU-Kommission hat ihre Beurteilung auf Basis geltenden EU-Rechts getroffen. Der Beschluss bedeutet für die österreichischen Landwirte Rechts- und Planungssicherheit", hieß es am Mittwoch in einer Aussendung der Landwirtschaftskammer. Die Politik sollte sich in ihren Entscheidungen auf Wissenschaft und zuständige Behörden stützen und nicht dem Populismus und taktischen Überlegungen folgen, hieß es darin. Ein nationaler Alleingang in Form eines Totalverbots dieses Wirkstoffes hätte einen enormen Wettbewerbsnachteil für die heimischen Landwirte bedeutet, hätte aber Lebensmittelimporte, die unter Anwendung von Glyphosat produziert wurden, nicht verhindern können. "Unsere bäuerlichen Betriebe brauchen auf dem EU-Binnenmarkt faire Bedingungen, auch im Pflanzenschutzmittelbereich", so die LK Österreich.

"Österreichs Landwirtschaft betreibt Pflanzenschutz grundsätzlich nach dem Prinzip 'so wenig wie möglich, so viel wie unbedingt nötig'." Sinnvoll und verantwortungsvoll eingesetzt, wie durch strenge österreichische Zulassungen sichergestellt, sei Glyphosat ein wertvolles Instrument für Bodenschutz, Ressourceneffizienz und damit Nachhaltigkeit. "Es ist gerade in Zeiten zunehmender Extremwetterereignisse ein unverzichtbares Instrument zur Verhinderung der Bodenerosion", wird vonseiten der Landwirtschaftskammer betont.

Global 2000 fordert Klarstellung

Die Umweltorganisation Global 2000 sieht die Auslegung der EU-Behörde differenziert und erwartet vom Landwirtschaftsministerium eine Richtigstellung, dass die EU-Kommission keine ‚Stellungnahme‘ abgegeben habe, in der dem österreichischen Glyphosat-Verbot eine ‘klare Absage‘ erteilt wurde. Tatsächlich habe die Kommission auf das rechtsverbindliche Instrument einer sogenannten ausführlichen Stellungnahme verzichtet und ihre Sichtweise lediglich in rechtlich nicht verbindlichen „Bemerkungen“ dargelegt. Auf der Webseite der EU-Kommission heißt es:

„Ausführliche Stellungnahmen“ können Kommission und andere Mitgliedstaaten dann abgeben, wenn sich herausstellt, „dass der notifizierte Entwurf Hemmnisse für den freien Warenverkehr oder für den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft oder für abgeleitete EU-Rechtsvorschriften schaffen kann“. Diese haben zur Folge, „dass die Stillhaltefrist bei Erzeugnissen um drei weitere Monate“ ausgedehnt wird. Wird eine ausführliche Stellungnahme abgegeben, dann „MUSS der betroffene Mitgliedstaat die Maßnahmen erläutern, die er aufgrund der ausführlichen Stellungnahme zu ergreifen beabsichtigt“.

GLOBAL 2000 erwartet von der österreichischen Bundesregierung, dass diese nach Ablauf der dreimonatigen Stillhalteperiode im November diesen Jahres das österreichische Glyphosatverbot ohne weitere Verzögerung in Kraft setzt. 

Erleichterung naturgemäß bei Industrie

Die IndustrieGruppe Pflanzenschutz (IGP) unterstützt die "Entscheidung" der EU-Kommission und sieht darin eine "Absage an Populismus und verantwortungslose Panikmache".Die IGP verweist auf die Erkenntnisse einer Machbarkeitsstudie der Universität für Bodenkultur in Wien und Europarechtsexperte Walter Obwexer.

Transparentes Zulassungsverfahren

Die IGP mahnt nun wieder zu mehr Sachlichkeit im Agrardiskurs. "Die Landwirtschaft und Eigenversorgung Österreichs sollten nicht für das Wechseln politischen Kleingelds missbraucht werden", so Christian Stockmar, Obmann der IGP. Er verweist dazu auf das laufende Wiederzulassungsverfahren für Glyphosat, das 2022 abgeschlossen sein wird. In dieses fließen alle wissenschaftlichen Erkenntnisse ein und es ist vollkommen transparent. In Studien und Sitzungsprotokolle kann jederzeit Einsicht genommen und die Abarbeitung nachvollziehbar mitverfolgt werden.

Glyphosat mit "hohem agronomischem Nutzen"

Unkräuter seien gemessen an den Ertragsverlusten der bedeutendste Schadfaktor, da sie Pflanzen Nährstoffe, Licht, Wasser und Raum nehmen. Auch für den Klima-, Boden- und Erosionsschutz leiste Glyphosat einen wichtigen Beitrag, indem es bodenschonende und humusbildende Anbauverfahren wie die Direkt- und Mulchsaat gewährleistet, so die IGP in einer Aussendung. Glyphosat werde dazu vor oder kurz nach der Saat ausgebracht und komme mit der Kulturpflanze nicht in Berührung.

Glyphosat: Laut Landwirtschaftskammer ist der Einsatz in geringem Maß von Vorteil und dient der Nachhaltigkeit. | Foto: Stadtblatt Innsbruck
Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat war in Österreich höchst umstritten | Foto: Foto: Mitja Kobal

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