Debatte um Übergewinnsteuer
So funktioniert die Steuer auf Krisengewinne

Während die hohen Energiepreise bei vielen Menschen in Österreich für Ratlosigkeit sorgen, fahren Energiekonzerne Milliarden an Übergewinnen ein.  | Foto: OMV Aktiengesellschaft
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  • hochgeladen von Katrin Pirzl

Viele Menschen wissen gerade nicht, wie sie die nächste Strom- oder Gasrechnung bezahlen sollen. Unterdessen verbuchen Energiekonzerne Milliarden an Übergewinnen. Im EU-Ministerrat einigte man sich daher kürzlich auf eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne sowie einen Preisdeckel für Strom. Nicht weitreichend genug, nicht zielführend, zu wenig ambitioniert lautet die breite Kritik auf die vorgeschlagenen Regelungen. Arbeiterkammer und ÖGB legten angesichts dessen nun ein Gutachten vor und argumentieren für ein alternatives nationales Modell. Ein Überblick zur aktuellen Debatte:  

ÖSTERREICH. Während die hohen Energiepreise bei vielen Menschen in Österreich für Ratlosigkeit sorgen, fahren Energiekonzerne seit geraumer Zeit enorme zusätzliche Gewinne ein. Laut einer Berechnung des Momentum Instituts stehen beim österreichischen Mineralölkonzern OMV nach den ersten drei Quartalen des Jahres Übergewinne von rund drei Milliarden Euro zu Buche. Ein ähnliches Bild gibt der heimische Stromerzeuger Verbund ab. Hier beläuft sich das Gewinnplus nach drei Quartalen auf rund 728 Millionen Euro. Bis Jahresende werden alleine für diese beiden Energiekonzerne Übergewinne von über fünf Milliarden Euro erwartet. 

Konzerne profitieren vom Krieg

Der Grund der massiven Gewinnsteigerung liegt aber nicht in außergewöhnlichen Investitionsentscheidungen oder einer vorbildlichen Unternehmensführung, vielmehr profitieren die Unternehmen vom Krieg in der Ukraine und der damit bedingten Energiekrise. So schlagen Mineralölkonzerne auf den Rohölpreis unverhältnismäßig hohe Gewinnspannen auf – bei einer Untersuchung des Treibstoffmarktes durch die Bundeswettbewerbsbehörde stellte diese eine "nicht erklärbare Entkoppelung" zwischen den Rohöl- und Verkaufspreisen fest.

Stromkonzerne wie der Verbund, der an sich unabhängig von fossilen Energieträgern ist, profitieren hingegen vom sogenannten "Merit-Order-System": Der Strompreis orientiert sich am teuersten nachgefragten Kraftwerk, in der Regel ist das ein Gaskraftwerk. Das bedeutet, Erzeuger von erneuerbarer Energie wie etwa der Verbund produzieren billigen Strom aus Sonne, Wasser oder Windkraft, verkaufen ihn aber zum Preis von teurem, aus Gas hergestelltem Strom.

Übergewinnsteuer und Preisdeckel auf EU-Ebene

Die Konzerne schütten zwar Sonderdividenden aus, davon profitieren aber vornehmlich Aktionäre. Auch bei teilstaatlichen Unternehmen kommt nur ein kleiner Anteil der Übergewinne der Allgemeinheit zugute – ein viel zu kleiner Teil, lautet die Kritik. Das sehen offenbar auch die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten so. Beim EU-Ministerrat Ende September einigte man sich jedenfalls auf eine Übergewinnsteuer für Mineralölkonzerne sowie einen Preisdeckel für Stromkonzerne – auch Österreich hat sich dazu bereit erklärt.

Der europäische Vorschlag: Stromproduzenten dürfen künftig nicht mehr als 180 Euro pro Megawattstunde (MWh) – das sind 18 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – einnehmen. Mineralölkonzerne sollen hingegen eine Solidaritätsabgabe von 33 Prozent auf ihre Übergewinne zahlen. Derzeit werden in den Mitgliedsstaaten die Details ausgearbeitet. Der Schritt der EU wird zwar von vielen Seiten begrüßt, aber auch Kritik an den angedachten Regelungen kam nicht zu kurz.

Sie seien nicht ambitioniert genug, so der Tenor. Die Übergewinne in der EU – die Internationale Energieagentur rechnet alleine im europäischen Stromsektor mit mindestens 200 Milliarden Euro – würden deutlich höher ausfallen als die Summen, die voraussichtlich aus der europäischen Übergewinnsteuer kommen werden. Neben internationalen Organisationen wie Greenpeace oder Oxfam meldeten sich wiederholt auch heimische Interessenvertretungen zu Wort. Sie argumentieren nun, dass die Vorgaben der EU nur eine Art Untergrenze darstellen würden – nationale Regelungen könnten die EU-Steuersätze deutlich überschreiten.

Gutachten attestiert fehlende Wirkung

Für Mineralölkonzerne falle der Steuersatz mit 33 Prozent sehr niedrig aus, für erneuerbare Stromerzeuger liege die Preisobergrenze mit 180 Euro pro MWh hingegen viel zu hoch, betont etwa das Momentum Institut. Die Arbeiterkammer (AK) und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) legten nun ein Gutachten der Steuerrechtsprofessoren Georg Kofler (WU Wien), Michael Tumpel und Peter Bräumann (beide JKU Linz) vor, dass die Wirkung sowie den nationalen Spielraum etwaiger Instrumente darlegt.

Darin wird u. a. festgehalten, dass der EU-weit vorgesehene Strom-Preisdeckel von 180 Euro pro MWh gar keine "Sperrwirkung" entfalten würde. Die Preisobergrenze ist schlichtweg zu hoch angesetzt, um etwas zu bewirken, so die Erkenntnis. Der AK-Steuerexperte Dominik Bernhofer kritisiert zudem, dass der Besteuerungszeitraum von Dezember 2022 bis Juni 2023 "viel zu kurz" angesetzt sei. Insgesamt bliebe so der Großteil der Übergewinne im Stromsektor unangetastet, erklärt der AK-Experte.  

90 Prozent auf kriegsbedingte Übergewinne

Die Juristen zeigen in dem Gutachten außerdem auf, dass Österreich den Übergewinn-Steuersatz deutlich über die von der EU vorgeschlagenen 33 Prozent anheben könnte – es wird argumentiert, dass die Vorgaben der EU nur eine Art Untergrenze darstellen würden. Ein von AK und ÖGB-vorgelegtes Modell sieht alternativ vor, dass die Übergewinne im Energiesektor in den Jahren 2022 bis 2024 mit 60 bis 90 Prozent besteuert werden. Für Investitionen in Erneuerbare Energieträger soll es einen Sonderabzug geben. Die geschätzten kumulierten Einnahmen zwischen 2022 bis 2024 belaufen sich auf gut fünf Mrd. Euro (mit Investitionsabzug) bzw. zehn Mrd. Euro (ohne Investitionsabzug).

Auch das Momentum Institut plädiert für eine höhere nationale Übergewinnsteuer. Die Empfehlung der ökosozialen Denkfabrik: Ein Steuersatz von 90 Prozent auf kriegsbedingte Übergewinne, zeitlich begrenzt für die gesamte Dauer der aktuellen Krise (Februar 2022 bis zum Ende der Gas- und Ölkrise).

Dass die eingebrachten Vorschläge bei der österreichischen Bundesregierung auf fruchtbaren Boden stoßen, erscheint eher unwahrscheinlich und es bleibt abzuwarten, ob ein von den EU-Mindest-Vorgaben abweichendes Modell überhaupt in Betracht gezogen wird.

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