Abfallwirtschaftsgesetz
Umwelt-NGO fordern radikalen Kurswechsel

 Österreich liegt beim Plastikmüllaufkommen pro Kopf über dem EU-Durchschnitt. Von 2009 bis 2018 stieg die Menge an Plastikverpackungen um 18 Prozent.  | Foto: Alterfalter/Fotolia
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  • Österreich liegt beim Plastikmüllaufkommen pro Kopf über dem EU-Durchschnitt. Von 2009 bis 2018 stieg die Menge an Plastikverpackungen um 18 Prozent.
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Die Umwelt-NGO Greenpeace und Global 2000 fordern beim Entwurf des Abfallwirtschaftsgesetzes nachzuschärfen, sonst drohe eine teure und umweltschädliche Plastikkrise. Auch das EU-Kreislaufwirtschaftspaket werde im aktuellen Entwurf nur teilweise umgesetzt. Die Blockadehaltung von WKO und Handelsverband kritisiert Greenpeace scharf.

ÖSTERREICH. Bis zum 9. Juni kann noch Feedback zum neuen Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) abgegeben werden, Greenpeace und Global 2000 machten davon Gebrauch und warnen, dass ohne einen radikalen Kurswechsel in Richtung Kreislaufwirtschaft ein "Umweltkollaps” drohe. Für Greenpeace müssen die Mehrwegquoten für Supermärkte deutlich angehoben werden und schon im Jahr 2022 schlagend werden. Zudem sollen Mehrwegverpackungen auch im Onlinehandel, bei Lieferdiensten und Take-away verpflichtend sein, fordert die Umweltschutzorganisation. 

„Eine ambitionierte Kreislaufwirtschaft ist der einzige Weg, wie wir die Müllberge in den Griff bekommen. Der vorliegende Gesetzesentwurf ist in der Hinsicht komplett unzureichend: Abfälle müssen gezielt vermieden werden - mit hohen Mehrwegquoten, Abgaben für umweltschädliche Einwegverpackungen sowie Vorgaben für langlebige, reparaturfähige Produkte. Die Politik hat hier unter massivem Druck der Wirtschaftslobby über Jahrzehnte viel zu wenig getan, jetzt hat die Umweltministerin die Chance aufzuholen“, wird Lisa Panhuber, Konsumexpertin bei Greenpeace Österreich in einer Aussendung zitiert.

Die Müllmenge durch Plastik-Einwegflaschen habe sich in den letzten 20 Jahren von 21.000 Tonnen auf 49.000 Tonnen mehr als verdoppelt. ARA und WKO versprechen seit über 20 Jahren, dass sie die Sammel- und Recyclingquoten für Kunststoffe mit freiwilligen Maßnahmen erhöhen und den Mehrweganteil steigern. In der Realität ist der Mehrweganteil von 80 Prozent auf unter 20 Prozent gesunken, auch heute werden in Österreich nur 25 Prozent der Kunststoffe recycelt und die Sammelquote für Plastikflaschen ist laut ARA-Zahlen sogar gesunken - von 76 Prozent im Jahr 2001 auf 70 Prozent aktuell.

 Österreich liegt beim Plastikmüllaufkommen pro Kopf über dem EU-Durchschnitt. Von 2009 bis 2018 stieg die Menge an Plastikverpackungen um 18 Prozent.  | Foto: Alterfalter/Fotolia
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"WKO handelt realitätsfremd"

„Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte ist desaströs: Österreich produziert heute deutlich mehr Plastikeinwegmüll und recycelt gleichzeitig weniger als früher. Trotzdem macht die Industrielobby weiter gegen sinnvolle Maßnahmen wie Pfand und Mehrweg mobil. Angesichts der Klimakrise ist die Position von WKO und Handelsverband unzumutbar und realitätsfremd”, stellt Panhuber fest. Zudem brauche es härtere Sanktionen beim Verstoß gegen das Abfallrecht, denn „ein Gesetz ohne Sanktionen ist zahnlos, Placebo-Strafen reichen nicht aus". Panhuber erinnert daran, dass alle wichtigen Umwelterfolge - wie zum Beispiel das Verbot von FCKWs - nur durch verpflichtende Gesetze möglich wurden, damit für alle die gleichen Rahmenbedingungen gelten.

Global 2000: "too late, too little"

Global 2000 kritisiert die steigende Anzahl der Plastikverpackungen. Von 2009 bis 2018 stieg die Menge an Plastikverpackungen um 18 Prozent. "Österreich hat einen hohen Plastikverbrauch und zählt gleichzeitig zu den Nachzüglern beim Recycling von Plastikverpackungen, da nur 26 Prozent recycelt werden. Innerhalb von nur mehr vier Jahren müssen wir das Recycling auf 50 Prozent verdoppeln, sonst drohen Strafzahlungen", heißt es in einer Aussendung.

Sinnvoll sei laut Global2000 eine Unternehmensmehrwegquote, die vom tatsächlichen Absatz der Getränke ausgeht. Deshalb brauche es eine langfristige und stufenweise Erhöhung der Mehrwegquote im Abfallwirtschaftsgesetz auf mindestens 50 Prozent bis 2030. Außerdem fehle es "an klaren Rahmenbedingungen, wie bis 2025 77 Prozent und bis 2029 90 Prozent der Plastikflaschen getrennt gesammelt werden sollen. Internationale Beispiele zeigen sehr deutlich, dass nur Länder mit einem Einweg-Pfandsystem diese hohen Quoten auch tatsächlich erreichen." Von den Pfand-Pilotprojekten, die das Umweltministerium angekündigt hat, hält die Umwelt-NGO wenig, da es nichts gebe, was jetzt noch erforscht werden müsste. In der EU würden bereits 130 Mio. Menschen in acht verschiedenen Ländern vorzeigen, dass ein Einweg-Pfand problemlos funktioniert.

"Geplante Mehrwegquote bis 2024 unmöglich"

Für den Handelsverband sei die geplante Mehrwegquote bis 2024 unmöglich zu erreichen. "Nicht nur die Abfüller, auch alle Lebensmitteleinzelhändler, insbesondere die Diskonter, stehen vor der Aufgabe, innerhalb kürzester Zeit alle Filialen mit Mehrwegpfandsystemen auszustatten oder auszubauen, von der damit verbundenen Logistik und Lager-Infrastruktur ganz zu schweigen. Es braucht daher realistische Übergangsfristen. Sinnvoll wäre eine schrittweise Erhöhung der Quoten auf freiwilliger Basis, um allen Betrieben die Möglichkeit zur Schaffung der notwendigen Infrastruktur zu geben", so Rainer Will, Sprecher des Handelsverbands.

Außerdem greife das Mehrwegsystem in das verfassungsrechtlich geschützte Grundrecht auf Erwerbsfreiheit ein. "An die Stelle des freien Marktes soll eine amtlich verordnete Quotenregelung zugunsten bestimmter Waren treten. Dadurch werden die heimischen Lebensmitteleinzelhändler in ihrer Berufsausübung beschränkt", so die Befürchtung. Die im AWG vorgesehene Angebotsquote wird auch mittelfristig zur Folge haben, dass Kleinstlieferanten (Startups, KMUs) im Handel ausgelistet werden müssen, da ansonsten die geplanten Quoten nicht erreicht werden können.

Update: Reaktion des Handelsverbands ergänzt

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 Österreich liegt beim Plastikmüllaufkommen pro Kopf über dem EU-Durchschnitt. Von 2009 bis 2018 stieg die Menge an Plastikverpackungen um 18 Prozent.  | Foto: Alterfalter/Fotolia
Greenpeace fordert beim Abfallwirtschaftsgesetz den Fokus auf Abfallvermeidung zu setzen und kritisiert klimafeindliche Querschüsse von WKO und Handel. | Foto: Pixabay/Didgeman (Symbolbild)

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