32-Stunden-Woche
Was eine Arbeitszeitverkürzung bedeuten würde

Andreas Babler brachte die 32-Stunden Woche aufs politische Tapet.  | Foto: SPÖ/David Višnjić
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Die Debatte um eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich hat zuletzt wieder an Fahrt aufgenommen. Die Argumente der Befürworter und Gegner sind dabei vielschichtig. Was die beiden Seiten ins Treffen führen und was eine aktuelle WIFO-Studie zu den Effekten einer Arbeitszeitreduktion sagt, liest du hier.  

ÖSTERREICH. Die 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist eine Kernforderung des neuen SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler. Auch Arbeiterkammer (AK) und Gewerkschaft machen sich schon seit Langem für eine Arbeitszeitverkürzung stark. Die Grünen sind ebenfalls für weniger Arbeitsstunden bei gleichem Lohn. Demgegenüber stemmen sich ÖVP, Wirtschaftskammer (WKÖ) und Industriellenvereinigung dagegen. Ablehnend zeigten sich in der Vergangenheit auch NEOS und FPÖ.

Was Babler fordert

Seine Vision sei, dass alle Menschen das Recht auf einen gesunden und gut bezahlten Arbeitsplatz haben, deswegen kämpfe er u. a. für eine 32-Stunden-Woche, betonte Babler bereits im internen Wahlkampf um den SPÖ-Vorsitz. "Wenn die Regierung das Geld in die Hand nehmen würde, das sie für die Senkung der Konzernsteuern ausgibt, könnte man kürzere Arbeitszeiten für 600.000 Menschen staatlich fördern", hielt Babler in seinem internen Wahlprogramm außerdem fest.  

Sein Anliegen nach "besseren Arbeitsbedingungen für die Vielen" hält Babler auch nach seiner Wahl zum Parteichef hoch. Konkret fordert er die schrittweise Einführung einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich – eine Vier-Tage-Woche, in die 40 Stunden gepfercht werden, lehnt er dezidiert ab.
 

Die Argumente dafür ...

Für Babler ist klar: Sinkt die Arbeitszeit, steigt die Lebensqualität. Daraus ergibt sich ein Mehr an Zufriedenheit und Gesundheit, ergo weniger Krankenstände und Ausfälle. So würden Angestellte und Unternehmen gleichermaßen profitieren. Zudem würden kürzere Arbeitszeiten unzählige neue Arbeitsplätze schaffen, sowie die Löhne für hunderttausende Teilzeitbeschäftigte erhöhen, betonte der SPÖ-Chef zuletzt immer wieder.

Auf seiner Seite hat Babler Arbeiterkammer (AK), Gewerkschaftsbund (ÖGB) sowie die Grünen. Auch sie treten für eine Arbeitszeitverkürzung ein. AK-Präsidentin Renate Anderl hielt unlängst fest, dass "eine neue, gesunde Vollzeit ein wesentlicher Beitrag zur Gleichstellung von Frauen und Männern" sei – immerhin stünden vor allem Mütter aufgrund unbezahlter Care-Arbeit vor einer Mehrfachbelastung. Zudem würde eine Attraktivierung der Vollzeitarbeit auch dem in Österreich grassierenden Fachkräftemangel entgegenwirken, sind sich die Befürworter und Befürworterinnen einig.

... und die Argumente dagegen

Ganz anders sehen das die Gegner und Gegnerinnen der Arbeitszeitverkürzung. Auf Unverständnis stößt die Forderung etwa bei der Wirtschaftskammer sowie Vertreterinnen und Vertretern der ÖVP. Sie führen u. a. ins Treffen, dass eine generelle Arbeitszeitverkürzung den Arbeitskräftemangel weiter verschärfen würde. Aus Unternehmenssicht würde sie die Arbeit außerdem verteuern und in Folge zur Abwanderung von Betrieben ins Ausland führen. Auch von einem durch die Arbeitszeitverkürzung steigenden Druck auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist die Rede. 

NEOS-Wirtschafts- und Sozialsprecher Gerald Loacker erklärte vor einigen Wochen in einer Presseaussendung, dass etwaige Arbeitszeitverkürzungen "in einer Phase, in der Österreich zunehmend an Produktivität verliert, geradezu verantwortungslos" seien. Nicht weniger ablehnend zeigte sich in der Vergangenheit die FPÖ. So sprach etwa die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch unlängst von "wirren Ideen", und hielt fest: "Es gibt wohl keinen Arbeitgeber, der einen vollen Lohnausgleich bei weniger Arbeitsleistung bezahlen kann."

Studie sieht geringe wirtschaftliche Folgen

Und was sagt eine aktuelle Studie zu der Debatte? Hält ein Modell mit verkürzter Arbeitszeit der Realität stand? Eine am Donnerstag veröffentlichte Erhebung des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) im Auftrag der AK deutet auf geringe wirtschaftliche Folgen. Demnach würde eine Reduktion der Arbeitszeit pro Kopf um 3,5 Prozent das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur marginal (um 0,9 Prozent) senken. 

Auf der anderen Seite würde sich laut dem WIFO-Modell ein unmittelbarer Anstieg der Beschäftigung ergeben. Damit einher ginge ein Rückgang der Arbeitslosenquote sowie eine Zunahme der Arbeitsproduktivität. Die Stundenlöhne wären real um bis zu 3,3 Prozent höher, das Budgetdefizit würde um 0,3 Prozent sinken.

Unterm Strich wären die gesamtwirtschaftlichen Effekte vernachlässigbar, sind sich WIFO-Studienleiter Stefan Ederer und AK Chefökonom Markus Marterbauer einig. "Etwas höhere Beschäftigung und Produktivität, etwas höhere Preise und geringere Produktion" – damit sei eine Arbeitszeitverkürzung mit der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung gut kombinierbar, fasst Marterbauer zusammen. 

Österreicher wünschen sich Reduktion

Als Basis für die Studie dienten Daten aus der Mikrozensus-Arbeitskräfteerhebung von 2019, um verzerrende Effekte der Corona-Pandemie zu verhindern. Dabei wurden 20.000 Haushalt in Österreich u. a. zu ihren Wünschen zur Arbeitszeit gefragt. Es zeigte sich, dass Menschen, die bisher weniger als 30 Stunden pro Woche arbeiten, ihre Arbeitszeit meist gerne aufstocken würden. Jene, die bisher schon mehr als 30 Wochenstunden arbeiten, wünschen sich tendenziell eine Reduktion.

Aktuell liegt die durchschnittliche Arbeitszeit der unselbstständig Beschäftigten in Österreich bei 36,1 Stunden pro Woche. Das bei der Befragung ermittelte gewünschte Arbeitsausmaß macht 34,9 Stunden aus. Die Österreicherinnen und Österreicher wünschen sich demnach im Schnitt eine Arbeitszeitreduktion um 1,2 Stunden pro Woche (minus 3,3 Prozent).
  

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