Über 100 Traktoren auf dem Weg nach Deutschlandsberg

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Von Josef Fürbass

Die Bauernschaft setzte ein kollektives Zeichen

Wenn ein Berufsstand, der seinen Arbeitsplatz in der freien Natur hat, an einem prächtigen Spätsommertag eine Erntepause einlegt, um in die Bezirkshauptstadt zu tuckern, dann gibt es dafür einen triftigen Grund: Die Bauern formierten sich am 12. September 2015, um Solidarität einzufordern. „Viel Arbeit, wenig Lohn!“, „Handel lass uns leben!“ oder „Liebe Steirer, lasst uns nicht im Stich!“ stand unter anderem auf den Transparenten zu lesen. Dabei verdient Bauernfleiß einen fairen Preis!

Dass an diesem Samstagmorgen im Bezirk derart viele Zugmaschinen auf den Straßen unterwegs waren, war schon recht auffällig. Die rege Betriebsamkeit galt jedoch ausnahmsweise nicht dem Ernteeinsatz. Vielmehr wiesen die Bauern dabei auf ihre prekäre Situation hin.
Auf dem Gelände des Lagerhauses Graz Land in Deutschlandsberg begrüßte Kammerobmann Ök-Rat Karl Heinz Knaß die Teilnehmer: „Ich freue mich, dass viele dem Aufruf des Steirischen Bauernbundes gefolgt sind. Der soziale Friede ist uns sehr wichtig, trotzdem müssen wir auf die Straße gehen, um auf unsere Probleme aufmerksam zu machen.“ Faire Preise für ihre qualitätsvollen Erzeugnisse wollen die Bauern und „ernten“ mit dieser Forderung breite Zustimmung in der Bevölkerung. Denn immer mehr erkennen den Ernst der Lage. Stirbt der Bauer, stirbt das Land, lautet die wohl düsterste Prophezeiung.
Mit jedem Bauern, der aufgibt, gehen laut Knaß drei Arbeitsplätze verloren. Denn auch der Landwirtschaft vorgelagerte Servicebetriebe bekommen die Auswirkungen zu spüren. „Die Wirtschaft braucht uns Bauern, um den Motor wieder anzuwerfen“, betonte Kammerobmann Karl-Heinz Knaß unter Hinweis auf den drastisch zurückgegangenen Investitionswert. Und wer wird die Landschaftspflege übernehmen? Wenn Wiesen nicht mehr gemäht und Wälder nicht mehr nachhaltig bewirtschaftet werden, verliert die Steiermark rasch ihr schönes Kleid. Es ist ein „Dominoeffekt“, den das Bauernsterben auslöst. Um diese dramatische Entwicklung zu verhindern, sind Handel, Gastronomie, Politik und Konsumenten aufgerufen, die Notbremse zu ziehen, damit die Talfahrt der Schleuderpreise endlich gestoppt wird und die Bauern wieder faire Erlöse für ihre Lebensmittel erzielen. Ein „Runder Tisch“ mit Spitzenvertretern des Lebensmittelhandel ist im Sieben-Punke-Forderungs-Paket des Steirischen Bauernbundes verankert.
Die Anzahl der bäuerlichen Betriebe schrumpft kontinuierlich. Jeder zweite Hof ist vom Zusperren betroffen. Die Rinderhaltung im Bezirk Deutschlandsberg geht stark zurück. Mit Erhebungsstichtag vom 1. April 2014 gab es 357 Schweine haltende Betriebe. Im Jahr 1989 waren es noch 3.037.
„Ich bin schon in Pension, aber ich mache mir Sorgen um die Zukunft unserer Jugend“, meinte ein Bauer. In Abwandlung eines Zitats von Tirols Freiheitskämpfer Andreas Hofer „Mander – ’s isch Zeit!“ formulierte Knaß die gegenderte Aufforderung: „Liebe Bäuerinnen, liebe Bauern, liebe Jugend – es ist Zeit!“ Allerhöchste Zeit, um beim Handel, bei der Gastronomie, bei der Politik und den Konsumenten Fairness einzufordern, die das Überleben der Bauern und damit auch die des Landes ermöglicht.
Lippenbekenntnisse allein sind zu wenig. „Fairness, die nur auf dem Papier steht, nützt den Bauern nix“, argumentierte Karl-Heinz Knaß. „Noch sind wir friedlich...“ Auf Verständnis trafen die Anliegen der Bauern bei NAbg. Werner Amon. Für ihn hat der Konsument „eine wirkliche Macht in der Hand.“ Dazu Knaß.: Der Konsument ist unser Partner, wir setzen auf ihn!”
„Während auf den Feldern die Arbeit wartet, wollen wir nicht demonstrieren, sondern aufzeigen, dass es uns nicht besonders gut geht“, so LKR Gottfried Loibner. Er bedauerte, dass Lebensmittel zu einem Wegwerfprodukt geworden seien. Hochwertige und gesunde Lebensmittel müssten wieder einen Mehrwert bekommen. Christian Polz aus Frauental kritisierte die Preispolitik ebenfalls: „Die Bauern brechen weg, der Konsument zahlt im Supermarkt immer gleich viel!“
Nachdem man sich bei einer Kernöleierspeise gestärkt hatte, drückte man auf die Hupe Mehr als 100 Traktoren rollten durch die Frauentaler Straße, ehe man die Stadt über die Fabrikstraße wieder in geordneten Bahnen verließ. Vor den Geschäften der Einkaufsstraße verteilten Bezirksbäuerin Maria Ruhhütl mit ihren Berufskolleginnen regionale Produkte an die Kunden.

Fotos: Josef Fürbass

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