100 Jahre Optimist geblieben
Als am 12. November 1918 die Gründung der Republik Österreich ausgerufen wurde, war Olga Pillwein ein Baby. „Ich habe in meinem Leben viel arbeiten müssen, auch viele Schicksalsschläge erfahren, aber fröhlich bin ich trotzdem geblieben, ich glaube, das sieht man mir an“, lacht die 100jährige.
Pillwein wurde am 9. August 1918 in Kalsdorf geboren. Die Großmutter kümmerte sich um Olga und ihre drei Brüder, die Eltern waren in der Arbeit. Oma hatte ein Schwein, zwei Ziegen und einen großen Garten, in dem angebaut wurde, was die Familie zum Leben brauchte. Der Schulweg war lang und die Winter kalt. „Wir haben Holzschuhe getragen, gingen bis in den Herbst hinein barfuß, aber im Winter hatte ich ein paar hohe Schuhe“. Die Taferlklassler bekamen in der Volksschule Kalsdorf täglich einen Milchreis, zu Hause standen Sterz, Erdäpfel oder Kraut am Speiseplan. „Die Großmutter hatte einen Ofen, der mit Holz beheizt wurde, auch im Sommer, sonst hätt‘ sie nicht kochen können, das Wasser holten wir vom Brunnen im Hof“. Das Plumpsklo stand im Freien, der Nachttopf unter dem Bett. „Ich hab bei den Eltern geschlafen, meine Brüder bei der Großmutter“. Statt Matratzen gab’s Jutesäcke, mit Woazfedern gefüllt.
Trotz der wirtschaftlich schlechten Zeit hat Pillwein ihre Kindheit in schöner Erinnerung. „Wir haben so viel Freiheit gehabt und gespielt im Wald und auf den Streuobstwiesen“. Die Lehrerin in der Schule war streng. „Schönschreiben war ganz wichtig, sie schaute genau auf die dicken und dünnen Striche, wir schrieben ja kurrent. Mein jüngerer Bruder war sehr gescheit, er hätte studieren können, aber das gab es damals nicht. Ich hab‘ mich in der Schule mehr plagen müssen“. Pillwein wäre gerne Köchin geworden, auch das vereitelte ihr der Zweite Weltkrieg. Mit 14 arbeitete sie in der Küche am Fliegerhorst. „Wir haben das Besteck mit Schmirgelpapier putzen müssen, das war nicht einmal rostfrei“, erinnert sie sich. Dort lernte sie auch ihren späteren Mann Willibald kennen, der sich in das hübsche Fräulein Rauch verliebte. „Mein Mann war immer ehrlich, das findet man selten. Das ist mehr wert, als Geld, wenn man Frieden im Haus hat“.
Bis vor einem Jahr lebte Pillwein noch im gemeinsam erbauten Häuschen, heute genießt sie die liebevolle Betreuung im Seniorenheim Kalsdorf. „Dieses Kleid hatte rote Blümchen“, sagt Pillwein und kramt eine kleine vergilbte schwarz-weiß-Aufnahme hervor, die sie als junge Frau zeigt. Die schönen Kleider aber sah man damals nur im Kino auf der Leinwand. „Wir haben nichts gehabt, die Männer waren alle im Krieg, wir Frauen haben auch die schweren Arbeiten gemacht“. Die wirtschaftlich besseren Zeiten kamen mit Bruno Kreisky (Bundeskanzler 1970-1983), erinnert sie sich. Auch im bescheidenen Wohlstand blieb sie sparsam. „Ich habe nie geraucht, lebe genügsam und mache noch immer Spaziergänge rund ums Haus. Ich bin überhaupt nicht streitsüchtig, ich komm‘ mit jedem aus, ich glaube das hält mich jung und fröhlich“.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.