Hilfe, mein Kind schwänzt die Schule!
Ihr Kind verlässt in der Früh das Haus, kommt aber nie in der Schule an? Dr. Streit weiß, wie Sie damit umgehen können.
Wer von uns hat früher nicht selbst daran gedacht, einmal die Mathestunde ausfallen zu lassen oder auf die Deutschschularbeit zu pfeifen? Überraschend ist aber eine Zahl: Über 12 Prozent tun dies regelmäßig.
Aber wer schwänzt eigentlich die Schule? Die Psychologie unterscheidet drei Typen:
1. Die Beschützer: Ihre Eltern trinken, sind psychisch krank oder drogenabhängig oder haben andere Probleme. Sie gehen nicht in die Schule, weil sie es als ihre Aufgabe sehen, ihre Familie und ihr Heim zu beschützen.
2. Die Lernschwachen: Sie bleiben oft aus Angst und Scham vor dem Versagen zuhause, weil sie mit den inhaltlichen Anforderungen in der Schule nicht zu Rande kommen oder alles aufschieben.
3. Die Außenseiter: Sie können sich nicht in die Klassengemeinschaft integrieren, sie werden Opfer von Mobbingangriffen und können sich nur schwer von ihrem Elternhaus trennen.
Warnhinweise
Das Schwänzen zeichnet sich fast immer schon im Vorhinein ab. Meist gibt es schon davor Trennungsprobleme oder Probleme zum richtigen Zeitpunkt die adäquate Leistung zu bringen. Das Wichtigste gegen das Schwänzen ist für Eltern daher präsent und wachsam zu sein, um von einem Fernbleiben nicht überrascht zu werden. Die größte Herausforderung ist es nämlich ruhig und gelassen zu bleiben, wenn Sie erfahren, dass Ihr Kind nicht in die Schule geht. Treiben Sie ihn oder sie nicht weiter in die Ecke und steigern so Ängste, Unsicherheiten oder Aggressionen.
So verhalten Sie sich richtig
Das können Sie tun, wenn der Verdacht des Schulschwänzens auftritt:
1. Gehen Sie in sich: Wann wollten Sie früher nicht in die Schule gehen? Wurden Sie bedroht? Hatten Sie Angst?
2. Beschreiben Sie die Schule als positive und herausfordernde Institution.
3. Suchen Sie Kontakt zu den Lehrern. Bitten Sie um Unterstützung bei der Bewältigung der schulischen Aufgaben. Bieten Sie stets Unterstützung an.
4. Vereinbaren Sie sich ein Informations- und Kommunikationsnetz, damit Sie frühzeitig erfahren können, ob Ihr Kind in der Schule anwesend ist oder nicht. Dies ist kein unnötiges Kontrollieren, sondern Bestandteil wachsamer Sorge.
5. Leisten Sie Widerstand gegen das Schwänzen. Kommunizieren Sie: Ich bin immer für dich da. Damit, dass du die Schule schwänzt, bin ich jedoch nicht einverstanden.
6. Jeder Tag des Fernbleibens senkt die Schüleridentität. Verweigert Ihr Kind die Schule, halten Sie zu Hause auf jeden Fall den Schulalltag aufrecht. Aufstehen, frühstücken, Hausübungen machen. Gibt Ihr Kind vor, krank zu sein, klären Sie dies in einem Arztbesuch ab.
7. Holen Sie sich Hilfe, etwa beim Institut für Kind, Jugend und Familie, damit Sie wissen, um welche Art von Schulverweigerer es sich bei Ihrem Kind handelt.
8. Halten Sie den Kontakt mit der Schule und bitten um Unterstützung. Besonders toll ist es, wenn die anderen Schüler und der Lehrkörper klar machen, dass der Betreffende einen Platz in der Schule hat und erwartet wird.
9. Bleiben Sie dann Hand in Hand beharrlich dran.
10. Bleiben Sie stets in Dialog und Beziehung, dann kommen Sie gar nicht in die Verlegenheit einen Schulschwänzer zu haben, weil die Begeisterung Neues zu erlernen dominiert.
Der Experte
Dr. Philip Streit ist klinischer Gesundheitspsychologe, Psychotherapeut, sowie Lebens- und Sozialberater.
Seit 1994 leitet er das „Institut für Kind, Jugend und Familie“ in Graz, das größte Familientherapiezentrum der Steiermark.
Tel.: 0316/77 43 44, Web: www.ikjf.at
Im Jänner 2016 hat er das „M42“, das neue Begegnungs- und Therapiezentrum des Institutes in der Moserhofgasse eröffnet.
Jede Woche beantwortet er in der „WOCHE“ eine Frage aus dem Themenfeld Erziehung und Beziehung.
Ihre Anregungen und Fragen richten Sie bitte an die Redaktion. Die E-Mail-Adresse lautet: elisabeth.poetler@woche.at
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