Gefragte Frau
Anna Wagner berichtet vom Leben einer Geigenbaumeisterin
Geigenbaumeisterin Anna Wagner berichtet im Interview von ihrem Werdegang, was den Beruf einer Geigenbaumeisterin ausmacht und warum bei ihr im Geschäft mitunter auch Tränen fließen.
GRAZ. Es ist ein kleines aber feines Geschäft: Im "AnnaChord" widmet sich Geigenbaumeisterin Anna Wagner der Reparatur und Restauration von Streichinstrumenten. Im Interview mit MeinBezirk.at erzählt sie über ihre Ausbildung, was Geigen in der Welt der Musikinstrumente besonders macht und über den emotionalen Wert der ihnen inne wohnt.
Gleich zu Anfang: Spielen Sie als Geigenbauerin auch selbst dieses Instrument?
Ja, ich spiele Geige und Kontrabass.
Wie essentiell ist das für ihren Beruf?
Ich finde das ist schon essentiell, man sollte schließlich eine Ahnung von dem Instrument haben, wie es klingt und was zu tun ist. Aber man muss es nicht perfekt beherrschen. Dafür gibt es die Profimusikerinnen und -musiker. Ich bin vordergründig Handwerkerin und nicht Musikerin.
Also ging bei Ihnen Geigespielen Hand in Hand mit Ihrem Gewerbe?
Ja, ich habe recht spät erst, also mit 14 Jahren, gemeinsam mit der Ausbildung angefangen. Es hat sich also gemeinsam entwickelt.
Wie kann man sich die Ausbildung zur Geigenbaumeisterin vorstellen?
Es ist eine sehr umfangreiche Ausbildung. Ich wurde mit Hackbrett, Zither, Gitarren, Drehleiern und vielem mehr ausgebildet. Zum Schluss kam dann die Königsdisziplin, eben die Geige oder die Familie der Streichinstrumente. Da war mir dann schon klar, dass ich in diesen Bereich will.
Was macht Geigen so besonders?
Eine Geige ist so aufgebaut, dass sie wieder repariert werden kann. Das ist bei einer Gitarre zum Beispiel anders. Eine Geige hat im Aufbau immer einen überstehenden Rand, sodass ich die Seite mit dem Messer öffnen kann. Daher gibt es heute noch 300, 400 Jahre alte Instrumente, die noch gespielt werden. Das ist bei einer Gitarre fast unmöglich.
Worauf haben Sie sich in ihrem Geschäft spezialisiert?
Mein Spezialgebiet sind Reparaturen und Restaurationen der Streichinstrumente beziehungsweise der Bögen. Bogenbau ist zwar ein eigener Beruf, aber zumindest die Wartung der Bögen macht der Geigenbauer mit.
Welche Aufträge bekommen Sie da in Graz?
Also zurzeit sind es vor allem Aufträge der Musikschulen. Diese lassen über den Sommer viel herrichten. Aber auch viele Musiker kommen privat mit ihren Instrumenten zu mir, oder ich habe Aufträge von Konservatorien, Opernhäusern und so weiter. Vor allem jetzt nach Corona merkt man, die Leute können und wollen wieder spielen und auftreten.
Wie lange dauert es im Schnitt eine Geige zu bauen?
Im Schnitt dauert es etwa 150 bis 180 Arbeitsstunden. Das ist auch von den individuellen Wünschen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers abhängig. Bei mir geht es sich zeitlich aus, dass ich pro Jahr ein Instrument, meist eine Geige, baue.
Wie alt war die älteste Geige, die Sie in der Hand hatten?
Ich hatte schon sehr wertvolle Instrumente in der Hand, wie Stradivaris. Stradivari ist 1737 gestorben, also diese sind mit die ältesten Geigen, mit denen ich arbeiten durfte. So ein Instrument zu halten, ist schon ein ganz eigenes Gefühl, da steckt eine lange Geschichte darin.
Bei so langlebigen Instrumenten dürfte wohl oft auch ein starker emotionaler Wert vorhanden sein.
Das stimmt. Zu mir kommen Menschen mit Geigen, die hundert oder mehr Jahre alt sind, und die oft Familien-, Kriegs- oder andere Geschichten damit verbinden. Da fließen mitunter schon einmal Tränen, wenn sie davon berichten. Für mich ist es umso spannender zu helfen diese Instrumente wieder ins Leben zurückzurufen.
Auch der Sammlerwert dürfte bei vielen eine große Rolle spielen?
Ja, es gibt Sammler, die haben ganz viele Instrumente. Aber ich habe das Gefühl die meisten Besitzerinnen und Besitzer von Streichinstrumenten wollen, dass die Instrumente weiter gespielt werden.
Und die Nachfrage ist auch in Graz gedeckt?
Graz ist klein, aber der Bedarf ist da. Es ist ein junge, moderne und immer noch aufstrebende Stadt. Sie bietet großes Potential und es findet sich hier viel Talent und Engagement.
Steckbrief Anna Wagner
Die ursprüngliche aus Kärnten stammende Anna Wagner absolvierte ihre Ausbildung zur Geigenbaumeisterin an der Fachschule für Streich- und Saiteninstrumenterzeugung in Hallstatt sowie an der "Internationalen Violinenbauer Schule von Cremona". Im Laufe ihrer Ausbildung war sie unter anderem bei einem Möbel-Restaurateur tätig und hat Architekturmodelle gebaut.
Ihre Gesellinnen-Zeit absolvierte Wagner überwiegend in Graz, allerdings haben sie ihre "Wanderjahre" auch nach Paris, Nottingham und Südamerika geführt. 2005 legte sie ihre Meisterprüfung in Innsbruck ab, 2008 eröffnete sie ihr eigenes Geigenbau-Atelier. Nach Graz hat es sie eigenen Worten zufolge der Liebe wegen verschlagen und diese Verbindung blieb bis heute erhalten.
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