"Graz persönlich" mit Helmut Konrad: Leidenschaft durch Zufall

- Familienmensch, Historiker, Professor, Koch, Fußballfan, Kaffee-Junkie und Radfahrer: Helmut Konrad meint, Geschichte habe das Ziel, die Welt besser, gerechter und humaner zu machen.
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Professor mit 35, Rektor mit 45 Jahren: Zeithistoriker Helmut Konrad über "seine" Universität und vieles mehr.
Einmal Professor, immer Professor: Zeithistoriker Helmut Konrad trifft man auch in den Ferien in seinem Büro am Institut und dies obwohl er – offiziell – schon emeritiert ist. Seine Unterlagen zeugen von viel Arbeit und unweigerlich tut sich die Frage auf, ob Professoren überhaupt emeritieren können. "Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich das kann", lacht Konrad und meint, dass er sich noch zwei oder drei Jahre geben möchte, ehe er sich – zumindest räumlich – von "seiner" Universität zurückzieht.
Campus als schönster Ort
"Ich sage immer etwas anmaßend ‚meine‘ Uni, denn der Campus ist für mich der schönste Ort von Graz", erzählt Konrad, der besonders den Punkt mag, wo die alten Gebäude auf das neue Resowi-Zentrum treffen. "Das ist für mich Tradition und Aufbruch in einem", so Konrad, der mit Freude auf seine Zeit als Rektor der Karl-Franzens-Universität Graz zurückblickt. "Rektor dieser wunderbaren Uni zu sein, war schon etwas Großes", meint er und erinnert sich gerne an die rund 4.800 Studierenden, denen er die Rolle übergeben hat. Als Professor und Dekan hat er über 350 Studierende zum Studienabschluss begleitet und aufgrund dessen auch seine Tätigkeit als Rektor zurückgelegt. "Ich bin leidenschaftlicher Lehrer und die Weitergabe von Wissen hat mir schon immer unheimlich viel gegeben", so Konrad, der selbst durch einen Zufall zu seinem Fach gekommen ist. "Damals hatte ich Germanistik inskribiert und brauchte ein Zweitfach. Ich entschied mich für Geschichte, was zur richtigen Leidenschaft wurde", so Konrad, der sub auspiciis promovierte. Dabei war das Studieren keine Selbstverständlichkeit in seiner Familie. "Ich komme aus bescheidenen Verhältnissen und die Promotion war speziell für meine Mutter ein aufregendes Erlebnis – dann auch noch mit dem Präsidenten", lacht Konrad, selbst Vater von zwei erwachsenen Kindern. In den 1960er-Jahren war er politisch aktiv und setzt sich auch heute für Bildung und Chancengleichheit ein: "Alle müssen die gleichen Möglichkeiten haben, jeder sollte seinen Lebensentwurf selbst wählen können und das ohne soziale Selektion."
In Graz heimisch
Obwohl er in Kärnten geboren ist, in der ganzen Welt, darunter lange Zeit in den USA, seine Zelte aufgeschlagen hatte, sieht er sich als Grazer. "Ich fühle mich hier heimisch – auch das Umland und die Südsteiermark mag ich sehr", erzählt Konrad, der gerne auf dem "Sauerstoffzelt" Kaiser-Josef-Platz einkauft. "Ich koche leidenschaftlich gerne", meint er weiter und führt aus, dass neben Fleisch, auf dessen Herkunft er achtet, Brot einen besonderen Stellenwert hat. Mit seiner Ehefrau ist er seit 43 Jahren in einer Partnerschaft, die ihn zu runden Geburtstagen mit einem besonderen Geschenk verwöhnt: dem Besuch eines Spiels seiner Lieblingsfußballmannschaft FC Barcelona. "Mein Herz schlägt für den FC Barcelona, aber auch Spiele des SK Sturm schaue ich mir an – in der Nordkurve."
Weltoffen und liberal
Auf die Frage, wie sich Österreich in den letzten 50 Jahren entwickelt hat, meint der Professor: "Österreich ist weltoffener und liberaler geworden. Wir sind ein Teil von Gesamteuropa und nicht mehr das kleine, isolierte Land." Als prägendste Persönlichkeit des 20. Jahrhunderts nennt er Mahatma Gandhi. "Er hat große Reformen, die bis dahin nur mit Kriegen gelöst wurden, gewaltfrei durchgesetzt, was sehr beachtlich ist." Und was wird über die heutige Zeit in den Geschichtsbüchern zu finden sein? "Das Spannende an der Zeitgeschichte ist, dass man nicht weiß, wie es weitergeht."
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