MADSEN

Wir leben in aufgeladenen Zeiten, „statistisch aufgeladen", würde Dittsche sagen und tatsächlich trifft es das ziemlich gut. Wir leben also in Zeiten der Überwachung, doch es ist kein großer Bruder, der uns über die Schulter linst, sondern wir sind es selbst. Wir sind Selbstüberwacher. Wir achten peinlich auf unsere Kalorien, trinken Getränke zur Fettverbrennung und zählen Klicks und Likes und Freunde. All das tun wir im Zeichen der Perfektion.

Madsen haben schon auf ihrem ersten Album von ihm gesungen, vom optimalen Menschen, schön und konturlos, doch wahrscheinlich ist das einfach nicht aufgefallen. Denn eigentlich ist nicht nur dieses Lied die Gegenthese zu Selbstoptimierung und -zensur, sondern es ist die Band Madsen selbst.

Madsen ist eine Band, die vieles ist, auch vieles, das sich auf den ersten Blick ausschließen mag. So sind sie gleichermaßen vom Ernst wie der Komik Getriebene oder besser vom Blödsinn. Blödsinn nimmt im Kosmos von Madsen einen unschätzbar großen Platz ein und er ist immer wieder auch ein Garant für Leichtigkeit, für Angstfreiheit, dafür, dass in erster Linie alles erlaubt ist. Nun gehen aber 10 Jahre im Glamourlife auch an von der Provinz bestens geeichten Musikern nicht vorbei. Das eine oder andere Lied mag in der Vergangenheit wohl auch „statistisch aufgeladen" gewesen sein. Doch all die Spannung, die Angst, der so schädliche Ehrgeiz entladen sich nun auf ihrem neuen Album. Madsen machen auf in alle Richtungen, die Kompassnadel dreht sich wild. Sie sind mehr den je unzähmbar, lassen sich nicht auf ein Genre, nicht auf einen Themenkreis beschränken. Trotzdem wirkt das alles nicht wüst oder wahllos, denn alles atmet die gleiche Energie, trägt das gleiche Unmittelbare in sich. Madsen schaffen, mit ihrer wiedergewonnen Unbekümmertheit und einer Produktion, die gemeinsam mit Moritz Enders (u.a. Kraftklub, Bosse, Johannes Oerding) und Simon Frontzek (Thees Uhlmann, Kilians, ...) entstand, den Spagat zwischen Intimität und großer Geste.

„Kompass" ist ein Stadionkonzert in deinem Wohnzimmer. Der angesprochene Witz, erhält zwischen den Zeilen immer wieder Einzug, spätestens aber, wenn der Premiumbox ein Kochbuch nebst Schürze beigelegt wird. Wie kaum eine andere Band vermag Madsen es, ihre Kunst ernst, sich selbst aber nicht so wichtig zu nehmen. Ohne Zweifel verdanken sie dieses Zwanglose auch ihrer dörflichen Prägung. In der Kunst und in Prießeck ist alles erlaubt.

Trotzdem ist „Kompass" - wie alle Madsen-Alben - alles andere als ein Quatschalbum. Die Spielfreude täuscht nicht über Feinsinnigkeiten hinweg. So geht es auf dem Titelstück nicht etwa um innere Kompasse oder Kompai oder wie man das sagt, sondern um äußere. Um Menschen, die Impulse geben, die einen anstoßen, einem eine Richtung geben, wenn man strauchelt. Nicht selten ist es eine falsche Richtung, eine schmerzhafte, eine auszehrende, aber immer führt sie hier am Ende zum Menschen. Es geht um die Flucht aus der digitalen Welt, um das einfache
Leben im Schweren, um das eben kurz Austrinken, bevor alles anders wird und darum, dass Küsse immer besser sind als Worte.
Und das ist eigentlich der beste Anlass, diesen Text zu schließen. Denn „Alles was wir fühlen zerfällt im Augenblick, in dem wir es versuchen zu erklären.", wie es in der ersten großen groovy Single „Küss mich" heißt. Da will man gleich mitküssen. Und tanzen auch! In diesem Sinne. Alle Macht den Blödmännern. Sie dürfen die Band jetzt Küssen.

(Text: Max Lessmann)

Info & Tickets:www.spielstaetten.at

Wann: 13.12.2015 20:00:00 Wo: Orpheum, Orpheumgasse 8, 8020 Graz auf Karte anzeigen
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