Gefragte Frau
Susanne Maurer-Aldrian im Interview über Vielfalt und Inklusion

Den aktuellen Herausforderungen begegnen, auf positive Entwicklungen schauen, aber auch Fehler einzugestehen und daraus zu lernen: Das sind wichtige Punkte bei der Arbeit von Susanne Maurer-Aldrian, Geschäftsführerin von LebensGroß. | Foto: LebensGroß
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  • Den aktuellen Herausforderungen begegnen, auf positive Entwicklungen schauen, aber auch Fehler einzugestehen und daraus zu lernen: Das sind wichtige Punkte bei der Arbeit von Susanne Maurer-Aldrian, Geschäftsführerin von LebensGroß.
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Die Notwendigkeit in der Behinderten- und Sozialhilfe am Puls der Zeit zu bleiben, ist Susanne Maurer-Aldrian, Geschäftsführerin von "LebensGroß", wohl bekannt. Im Interview mit MeinBezirk.at gibt sie einen Einblick in ihre Arbeit.

GRAZ. Erst unlängst haben die Lebenshilfen Soziale Dienste ihren Namen zu LebensGroß geändert (siehe: Lebenshilfen Soziale Dienste werden zu "LebensGroß"), um die sich fortlaufenden Veränderungen in der Gesellschaft und ihr seit der Gründung stark erweitertes Angebot widerzuspiegeln. MeinBezirk.at hat mit der Frau an der Spitze, Susanne Maurer-Aldrian, über die Herausforderungen der Inklusion in diesen Zeiten gesprochen.

  • Frau Maurer-Aldrian, wie erleben Sie Ihre Arbeit bei LebensGroß?

Susanne Maurer-Aldrian: Mir wird jedenfalls nicht langweilig. Zudem bin ich umgeben von engagierten, interessanten und offenen Menschen, die gemeinsam etwas Positives bewirken wollen. Es ist bunt und oft auch herausfordernd und ich schätze das sehr!
Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft. Klarerweise hat das massive Auswirkungen auf den gesamten Gesundheits- und Sozialbereich. An meinem Team, an der gesamten Organisation schätze ich über die Maßen, dass uns diese Veränderungen nicht starr werden lassen. Im Gegenteil die Offenheit, der Fokus aufs Positive und die Lösungsorientierung machen es möglich sehr flexibel zu bleiben.

  • Da dürften wohl auch die letzten Krisen nicht spurlos vorbei gegangen sein?

In den letzten Jahren hat sich, finde ich, in der Kommunikation schon viel verändert. Soziale Medien, Krisen und vieles mehr haben dazu beigetragen, dass es in Diskussionen Lagerbildungen, wenn nicht auch Spaltungen und immer wieder abrufbare Abwertungen gibt. In unserem Team halte ich es daher für wesentlich, dass man Gelingendes ebenso artikulieren kann, wie auch Fehler und diese auch dazu nutzt, um aus ihnen zu lernen. 

  • Wie erleben Sie da die Arbeit mit Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern?

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leisten wesentlich mehr als man erahnt. Es geht neben der direkten Sozialarbeit, professionellen Begleitung, Beratung, Assistenz, Pflege oder Verwaltung immer auch um die Fragen von Teilhabe, Inklusion und Gesellschaftspolitik, gleichzeitig auch um Entwicklung, permanente Verbesserung und Qualität und Innovation. Besonders freut mich, dass sich diese Organisation auch in Zeiten von Corona und anderer Krisen am Positiven orientiert. Wir fokussieren nicht auf das Defizit und werden nicht müde uns gesellschaftspolitisch zu engagieren. Das heißt nicht, dass wir alles mit der rosa Brille sehen. Wir erkennen Bedarfe, wir nehmen sie wahr, hören zu und versuchen Lösungen zu finden. Das gelingt oft, aber auch nicht immer.

  • Wie erleben Sie die Schnittstelle zwischen der Gesellschaft und Menschen mit Behinderung?

Menschen mit Behinderung sind viel zu wenig sichtbar. Das liegt an verschiedenen Exklusionstendenzen der Gesellschaft – sei es in Schulen, am Arbeitsmarkt und mehr. Wir haben in der Steiermark ein hohes Niveau und ein starkes soziales Netz und gleichzeitig bleibt diese etwas "gönnerhafte" Haltung. Wir leben nicht in Vielfalt, noch nicht.

Niemals langweilig wird Maurer-Aldrian eigenen Worten zufolge in ihrer Arbeit. An ihrem Team wie an den betreuten menschen schätzt sie die Vielfalt. | Foto: LebensGroß
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  • Was würde es noch brauchen?

Ein kleines Beispiel: Einer der wesentlichsten Hebel in der Klimapolitik ist der öffentliche Verkehr. Wir senken hier die Preise, schaffen Klimatickets, steigern damit die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Für viele Menschen mit Behinderung hat sich daraus ergeben, dass es schlicht keinen Platz im Bus und Zug mehr gab, weil diese überfüllt oder generell nicht barrierefrei sind. Ein schneller Griff zum Autoschlüssel ist aber hier keine Alternative. Inklusionspolitik ist also nicht nur eine Frage von Sozialpolitik. Und ich werde nicht müde zu sagen: Pflegende Eltern werden nicht gesehen.

  • Was läuft schon ganz gut?

Es gibt viele Beispiele des Gelingens. Es gibt inklusive Betriebe, es gibt Schulen, die es schaffen inklusive Settings herzustellen. Seit Anfang 2023 werden zum Beispiel auch die frühen Hilfen österreichweit ausgerollt, die ein von der ÖGK finanziertes Projekt sind, das Familien bereits rund um die Geburt begleitet.

  • Weil es ja immer wieder Diskussionen gibt: Darf ich eigentlich überhaupt „Menschen mit Behinderung“ sagen? 

So wie alle Menschen wollen auch Menschen mit Behinderung mit ihrem Vor- und Nachnamen angesprochen werden.

  • Der Betreuungs- und Pflegebereich ist immer noch sehr weiblich dominiert - wie erleben Sie das als Frau an der Spitze?

Auch wir sind zu 78 Prozent weiblich und wir leben das natürlich auch in den Führungsebenen. Zuschreibungen zu Frauen in Führungsebenen gibt es unendlich viele. Das ist natürlich manchmal persönlich sehr hart, aber die Erfahrung zeigt mir: Vom Wunden lecken, kommt man nicht weiter. Arbeiten wir doch bitte gemeinsam an jenen Themen und mit jenen Personen, die Energie und Interesse genau daran haben.

  • Der Angebotsbereich von LebensGroß geht ja weit über Menschen mit Behinderung hinaus - Was bieten Sie an und wo sehen Sie insbesondere Bedarf?

In den letzten 4 Jahren haben wir Angebote für Menschen mit Essstörungen entwickelt, für aus der Ukraine Vertriebene, für Autistinnen und Autisten und vieles mehr. Wir beschäftigen uns intensiv damit, wie man in einer so vielfältigen Gesellschaft miteinander sein und arbeiten kann und dabei die Vielfalt erhält und die vielen Chancen und positiven Effekte hebt.
Ich sehe einen großen Bedarf beim Thema sozialer Innovation. Wir müssen bei einer sich so rasch verändernden Gesellschaft neue Lösungen für neue und alte Herausforderungen finden und ausprobieren und weiterentwickeln können. Dazu brauchen wir Partnerinnen und Partner aus allen gesellschaftlichen Bereichen wie aus der Wirtschaft und Politik.

  • Was wünschen Sie sich für die Zukunft von LebensGroß und wo wollen Sie noch hin?

Wir müssen am Puls bleiben und auch die großen eher schwer zu lösenden Herausforderungen der Zukunft sehen. Das sind jene des Arbeitsmarktes und des Klimawandels.

Maurer-Aldrian zog es zunächst nach Wien, ehe sie aufgrund der Gründung ihrer Familie wieder in die Steiermark zurückkehrte. | Foto: LebensGroß
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Steckbrief Susanne Maurer-Aldrian

Susanne Maurer Aldrian hat in Graz maturiert und wollte dann, nach eigener Aussage, so schnell wie möglich nach Wien. Dort absolvierte sie das Studium der Soziologie und Gesundheits- und Sozialmanagement. Mit der Gründung einer Familie kam dann aber doch wieder der Wunsch in die Steiermark zurückzukehren. Bei LebensGroß ist Maurer-Aldrian seit vier Jahren als Geschäftsführerin tätig. Bei ihrer Bewerbung gefiel ihr vor allem der wertschätzende Vorstand, dessen Rückhalt sie vor allem bei großen Herausforderungen als ungemein wichtig einstuft. In ihrer Organisation beeindruckt Maurer-Aldrian vor allem deren Buntheit der Organisation und das Engagement ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
An Graz schätzt sie, dass alles mit dem Rad erreichbar ist und dass es hier "bunt und noch dann und wann grün" ist.

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