Interview mit Thomas Brudermann
Darum fällt uns klimafreundliches Handeln so schwer

Im Interview mit MeinBezirk.at erläutert Psychologe Thomas Brudermann unter anderem, wann Vorsätze erfolgreich umgesetzt werden können. | Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos
4Bilder
  • Im Interview mit MeinBezirk.at erläutert Psychologe Thomas Brudermann unter anderem, wann Vorsätze erfolgreich umgesetzt werden können.
  • Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos
  • hochgeladen von Kristina Sint

In seinem zuletzt erschienenen Buch "Die Kunst der Ausrede" erklärt Psychologe Thomas Brudermann, warum wir uns lieber selbst täuschen, anstatt klimafreundlich zu leben. Anlässlich des Jahresbeginns haben wir den Autor zum Gespräch gebeten, um mit ihm über (ökologische) Neujahrsvorsätze zu sprechen. 

GRAZ. Die Zeit rund um Neujahr stellt für viele eine Gelegenheit dar, um Vorsätze zu fassen und den eigenen Lebensstil zu überdenken. Warum Neujahrsvorsätze trotzdem regelmäßig scheitern und Klimaschutzziele nur selten die Ebene der persönlichen Vorhaben erreichen, verrät der promovierte Psychologe Thomas Brudermann im Interview mit MeinBezirk.at. Außerdem berichtet der an der Uni Graz tätige Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung von einem eigenen Neujahrsvorsatz, den er nun schon seit einigen Jahren "durchhält". 

  • Aus psychologischer Sicht: Welchen Sinn hat es, Vorsätze an Neujahr zu knüpfen?

Thomas Brudermann: Wir Menschen sind immer in Gewohnheiten verfallen. Es ist für uns relativ schwierig, Dinge zu ändern, wenn sich am Drumherum nichts ändert. Für das Ändern von Gewohnheiten gibt es aber Gelegenheitsfenster: Das kann sein, dass sich irgendetwas in meinem Leben ändert, wenn ich in eine neue Stadt ziehe, einen neuen Job beginne oder Kinder kriege. Zu Neujahr ändert sich nicht viel an den äußeren Umständen, aber es ist dennoch eine Zeit, in der man Gelegenheit hat, zu reflektieren und nachzudenken. Es ist somit ein Zeitfenster, in dem man sich mit solchen Dingen auseinandersetzen kann.

  • Sind Neujahrsvorsätze erfolgreicher als andere?

Laut Studien nicht. Die meisten Vorsätze scheitern, weil sie oft unrealistisch oder zu groß gegriffen sind und die Lebensrealität außer Acht lassen.

Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben? Dieser Frage geht Thomas Brudermann in seinem Buch "Die Kunst der Ausrede" nach. Am Foto: Illustratorin Annechien Hoeben und Autor Thomas Brudermann. | Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos
  • Warum wir uns lieber selbst täuschen, statt klimafreundlich zu leben? Dieser Frage geht Thomas Brudermann in seinem Buch "Die Kunst der Ausrede" nach. Am Foto: Illustratorin Annechien Hoeben und Autor Thomas Brudermann.
  • Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos
  • hochgeladen von Kristina Sint
  • Nehmen Sie wahr, dass Neujahrsvorsätze vermehrt den Klimaschutz betreffen? 

Es wird vielleicht mehr, ist derzeit aber noch ein Minderheitenthema. Die meisten Neujahrsvorsätze betreffen gesunde Ernährung, Sport und Geld sparen. Klima kommt leider nur selten vor. Wenn man Schlagzeilen liest wie „80 Prozent der Österreicher wollen im nächsten Jahr nachhaltiger leben“, dann hat das mit suggestiven Fragestellungen zu tun. „Wollen Sie nachhaltiger leben?“ – „Ja natürlich.“ Das ist aber methodisch nicht seriös. 

Im Hinblick auf den Klimaschutz zeigt sich bei Alltagsentscheidungen: Was wirksam ist, wird subjektiv vielfach als sehr schwierig aufgefasst. Nur selten beziehen sich Neujahrsvorsätze konkret auf einen ökologischeren Lebensstil. | Foto: Brudermann/Hoeben
  • Im Hinblick auf den Klimaschutz zeigt sich bei Alltagsentscheidungen: Was wirksam ist, wird subjektiv vielfach als sehr schwierig aufgefasst. Nur selten beziehen sich Neujahrsvorsätze konkret auf einen ökologischeren Lebensstil.
  • Foto: Brudermann/Hoeben
  • hochgeladen von Kristina Sint

Das gleiche gilt auch für Klimasorgen: Wenn man direkt danach fragt, sagen mehr als 50 Prozent der Menschen, dass sie sehr besorgt sind. Wenn man aber anders fragt, wenn man fragt: "Was macht Ihnen Sorgen?", dann kommen ganz andere Themen.

  • In welchen Bereichen gibt es eine größere Bereitschaft für Klima-Vorsätze? 

Am ehesten bei der Ernährung: Nach der Völlerei zu Weihnachten hat man oft das Bedürfnis, gesünder zu leben – und gesünder ist in der Regel auch klimafreundlicher. Man macht es aber vordergründig für sich selbst, nicht fürs Klima. Es gibt natürlich Ausnahmen. Bei mir selbst war es ein Klima-Neujahrsvorsatz, bis Ostern auf Fleisch zu verzichten - und ich bin dann ganz zum Vegetarier geworden.

Nach der Völlerei um Weihnachten entsteht bei vielen Menschen das Bedürfnis, sich nach den Feiertagen wieder gesünder zu ernähren. | Foto: Pixabay
  • Nach der Völlerei um Weihnachten entsteht bei vielen Menschen das Bedürfnis, sich nach den Feiertagen wieder gesünder zu ernähren.
  • Foto: Pixabay
  • hochgeladen von Kristina Sint
  • Wie hat ihr Umfeld darauf reagiert? 

In meinem persönlichen Umfeld ist es sehr schnell akzeptiert worden - und hier reden wir von der Familie und Verwandtschaft am Land. Ich gehe damit, dass ich mich vegetarisch ernähre, zwar nicht hausieren, aber man merkt es eben, wenn ich etwas esse oder eingeladen bin: Da beobachte ich oft, dass Menschen mir dann immer sofort erklären, warum sie nicht vegetarisch leben können. Obwohl ich das nie von jemandem gefordert habe, kommt sofort ein Abwehrmechanismus. 

  • Woher kommen diese Abwehrreaktionen? 

Aus Hirnstudien weiß man, dass es für uns relativ schwierig ist, mit Gegenpositionen konfrontiert zu werden. Wenn ich in einem Glaubenssystem verhaftet bin oder eine sehr starke Einstellung zu einem Thema habe und dann mit dem Gegenteil konfrontiert werde, weiß man aus Hirnstudien, dass das weh tut, dass tatsächlich Schmerzareale im Gehirn aktiviert werden. Wir sind nicht darauf programmiert, sehr viele verschiedene Ansichten zu integrieren, sondern wir haben einen starken Bestätigungsfehler, einen "confirmation bias". Es kann sich ja jeder selbst die Frage stellen: Wann habe ich zuletzt meine Einstellung zu einem Thema um 180 Grad geändert?

Das könnte dich auch interessieren: 

Vegane Brettljause als kulinarische Liebeserklärung
Warnende Worte vor möglicher Innenstadtflucht
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Anzeige
Das KosMedicS-Team um Karin Migglautsch (M.) berät zu Schönheitsfragen. | Foto: Konstantinov
3

Wohlfühlen in der eigenen Haut
KosMedicS als Ansprechpartner für ästhetische Medizin

KosMedicC ist ein innovatives Kosmetikstudio und Medical Beauty Clinics mit zehn Jahren Erfahrung zu Beauty-Themen. GRAZ. Wer Angebote rund um Schönheit und Gesundheit für Gesicht und Körper sucht, findet diese bei KosMedicS unter Karin Migglautsch und ihrem KosMedicS-Team. Ob reine Kosmetik, ärztliche Behandlung oder beides gemeinsam: Hier findet sich alles unter einem Dach, von der klassischen Gesichtsbehandlung bis zum minimalinvasiven medizinischen Eingriff. Hier werden mittels neuester...

  • Stmk
  • Graz
  • RegionalMedien Steiermark

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.