Interview mit Thomas Brudermann
Darum fällt uns klimafreundliches Handeln so schwer
In seinem zuletzt erschienenen Buch "Die Kunst der Ausrede" erklärt Psychologe Thomas Brudermann, warum wir uns lieber selbst täuschen, anstatt klimafreundlich zu leben. Anlässlich des Jahresbeginns haben wir den Autor zum Gespräch gebeten, um mit ihm über (ökologische) Neujahrsvorsätze zu sprechen.
GRAZ. Die Zeit rund um Neujahr stellt für viele eine Gelegenheit dar, um Vorsätze zu fassen und den eigenen Lebensstil zu überdenken. Warum Neujahrsvorsätze trotzdem regelmäßig scheitern und Klimaschutzziele nur selten die Ebene der persönlichen Vorhaben erreichen, verrät der promovierte Psychologe Thomas Brudermann im Interview mit MeinBezirk.at. Außerdem berichtet der an der Uni Graz tätige Professor für Innovations- und Nachhaltigkeitsforschung von einem eigenen Neujahrsvorsatz, den er nun schon seit einigen Jahren "durchhält".
- Aus psychologischer Sicht: Welchen Sinn hat es, Vorsätze an Neujahr zu knüpfen?
Thomas Brudermann: Wir Menschen sind immer in Gewohnheiten verfallen. Es ist für uns relativ schwierig, Dinge zu ändern, wenn sich am Drumherum nichts ändert. Für das Ändern von Gewohnheiten gibt es aber Gelegenheitsfenster: Das kann sein, dass sich irgendetwas in meinem Leben ändert, wenn ich in eine neue Stadt ziehe, einen neuen Job beginne oder Kinder kriege. Zu Neujahr ändert sich nicht viel an den äußeren Umständen, aber es ist dennoch eine Zeit, in der man Gelegenheit hat, zu reflektieren und nachzudenken. Es ist somit ein Zeitfenster, in dem man sich mit solchen Dingen auseinandersetzen kann.
- Sind Neujahrsvorsätze erfolgreicher als andere?
Laut Studien nicht. Die meisten Vorsätze scheitern, weil sie oft unrealistisch oder zu groß gegriffen sind und die Lebensrealität außer Acht lassen.
- Nehmen Sie wahr, dass Neujahrsvorsätze vermehrt den Klimaschutz betreffen?
Es wird vielleicht mehr, ist derzeit aber noch ein Minderheitenthema. Die meisten Neujahrsvorsätze betreffen gesunde Ernährung, Sport und Geld sparen. Klima kommt leider nur selten vor. Wenn man Schlagzeilen liest wie „80 Prozent der Österreicher wollen im nächsten Jahr nachhaltiger leben“, dann hat das mit suggestiven Fragestellungen zu tun. „Wollen Sie nachhaltiger leben?“ – „Ja natürlich.“ Das ist aber methodisch nicht seriös.
Das gleiche gilt auch für Klimasorgen: Wenn man direkt danach fragt, sagen mehr als 50 Prozent der Menschen, dass sie sehr besorgt sind. Wenn man aber anders fragt, wenn man fragt: "Was macht Ihnen Sorgen?", dann kommen ganz andere Themen.
- In welchen Bereichen gibt es eine größere Bereitschaft für Klima-Vorsätze?
Am ehesten bei der Ernährung: Nach der Völlerei zu Weihnachten hat man oft das Bedürfnis, gesünder zu leben – und gesünder ist in der Regel auch klimafreundlicher. Man macht es aber vordergründig für sich selbst, nicht fürs Klima. Es gibt natürlich Ausnahmen. Bei mir selbst war es ein Klima-Neujahrsvorsatz, bis Ostern auf Fleisch zu verzichten - und ich bin dann ganz zum Vegetarier geworden.
- Wie hat ihr Umfeld darauf reagiert?
In meinem persönlichen Umfeld ist es sehr schnell akzeptiert worden - und hier reden wir von der Familie und Verwandtschaft am Land. Ich gehe damit, dass ich mich vegetarisch ernähre, zwar nicht hausieren, aber man merkt es eben, wenn ich etwas esse oder eingeladen bin: Da beobachte ich oft, dass Menschen mir dann immer sofort erklären, warum sie nicht vegetarisch leben können. Obwohl ich das nie von jemandem gefordert habe, kommt sofort ein Abwehrmechanismus.
- Woher kommen diese Abwehrreaktionen?
Aus Hirnstudien weiß man, dass es für uns relativ schwierig ist, mit Gegenpositionen konfrontiert zu werden. Wenn ich in einem Glaubenssystem verhaftet bin oder eine sehr starke Einstellung zu einem Thema habe und dann mit dem Gegenteil konfrontiert werde, weiß man aus Hirnstudien, dass das weh tut, dass tatsächlich Schmerzareale im Gehirn aktiviert werden. Wir sind nicht darauf programmiert, sehr viele verschiedene Ansichten zu integrieren, sondern wir haben einen starken Bestätigungsfehler, einen "confirmation bias". Es kann sich ja jeder selbst die Frage stellen: Wann habe ich zuletzt meine Einstellung zu einem Thema um 180 Grad geändert?
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