Eine Kugel Kindheit

Experte: Einst arbeitete Josef Dunst in Deutschland für eine Kaugummi-automatenfirma, seit 2000 verkauft er die zähe Masse selbst. | Foto: Victory
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  • Experte: Einst arbeitete Josef Dunst in Deutschland für eine Kaugummi-automatenfirma, seit 2000 verkauft er die zähe Masse selbst.
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Sie sind rund, verstecken sich dabei aber hinter jeder Ecke: Die Märtyrer der Neuzeit, die bereit sind, in jeder erdenklichen Geschmacksrichtung ihr Leben zu lassen – nur um den Gusto der Welt zu stillen. „Was in der Nachkriegszeit die Wurstsemmeln um einen Schilling waren, sind seit Jahrzehnten die günstigen Kaugummis“, schmunzelt der 65-jährige Josef Dunst, der einzige steirische Kaugummiautomatenbetreiber, der Mann, der seit 14 Jahren Kindern ein Lächeln auf die Lippen und Geschmacksexplosionen in den Mund zaubert.

Statussymbole der Kleinen
„Cola und Kirsche sind die Verkaufsschlager“, verrät Dunst die Vorlieben seines sich überwiegend im Volksschulalter befindlichen Kundenstamms. „Aber auch die Spielsachen und Schlüsselanhänger in den Automaten reizen die Kleinen.“ Bälle, die blinken, Stäbchen, die im Dunkeln leuchten – echte Eindrucksschinder eben. „Mir ist es wichtig, dass die Kinder etwas für ihr Geld bekommen.“
Dunst selbst bezieht seine Ware von Zwischenhändlern in Deutschland. „Produziert wird aber in China.“

Gesundheit und Hygiene
Diskussionen über eine gesundheitsschädigende Wirkung seiner Kaugummis lässt er gar nicht erst aufkommen. Er steht hinter der zähen Füllung seiner zwölf Grazer Standorte mit jeweils vier Automaten. „Früher, wenn die Kaugummis auf den Boden gefallen sind, haben wir sie aufgehoben und trotzdem gegessen. Krank ist davon keiner geworden. Aber“, und das sei auch ihm aufgefallen, „die Mägen der Menschen sind empfindlicher geworden.“
Alle zwei, drei Monate fährt Dunst seine Kaugummi-spender ab. „Spätestens dann reinige und befülle ich die Automaten neu“, so das in Mooskirchen lebende Unikat und betont dabei, dass die „Asienware“ ohnehin sehr lange Zeit haltbar wäre. „Aber Hygiene ist mir eben wichtig!“

Die Hoffnung stirbt zuletzt
In Geld badet Dunst aber nicht: „Seit drei Jahren stelle ich nachmittags zusätzlich noch Pakete im Dienste der Post zu.“ Millionengeschäft sei es halt keines, das Verkaufen von kleinen, geschmackvollen Kugeln. „Aber die Arbeit werde ich bestimmt noch in meiner Pension weitermachen. Es bereitet mir unheimliche Freude!“
Und da ist es wieder, das Funkeln in den Augen, das hinter Brillengläsern versteckt zum Vorschein kommt. „Kaugummis sind mehr als nur ein Zeitvertreib, sie sind mein Leben.“
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Zähe Angelegenheiten
Drei Unternehmen – Schwarz, Voithofer (beide Salzburg), Dunst (Mooskirchen) – stellen in Graz Kaugummiautomaten auf. „Die meisten Automaten haben aber keinen StVO-Bescheid“, so Siegmund Thürschweller vom Straßenamt der Stadt Graz. Demnächst sollen die Genehmigungen neu vergeben werden.

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