„Frauen sind keine defizitären Wesen“

Angenommen, Sie hätten unbegrenztes Budget und freie Hand: Was würden Sie als erstes für Frauen verändern?
Ich würde dafür sorgen, dass mehr Frauen existenzsichernder Erwerbstätigkeit nachgehen können. Da sind viele Maßnahmen nötig – von der Bildungspolitik bis zu Quotenregelungen. Nun verdienen nur 60 Prozent aller Erwerbstätigen so viel, dass sie Lohn- bzw. Einkommenssteuer zahlen – knapp 90 Prozent davon sind Männer.

Was tut der Verein "Nowa" für Frauen?
Wir bieten dort Förderung an, wo Benachteiligungen bestehen und versuchen, den Benachteiligungen entgegenzuwirken. Wir bieten verschiedenste Kurse an: Von Computerschulungen bis hin zu Lernberatungen. Diese sind besonders für bildungsferne Frauen wichtig. Wir beraten aber auch etwa Frauen, die nach der Karenz in Jobs unter ihrer Qualifikation landen. Für Migrantinnen haben wir Kurse, die zeigen, was am österreichischen Arbeitsmarkt zählt. Frauen sollen ihre Stärken entdecken.

Oft hört man, dass Frauen sich schlechter verkaufen.
Zum Teil schätzen sie sich schlechter ein, aber es gibt viele strukturelle Benachteiligungen. Frauen sind nun mal oft für die Familie zuständig. Außerdem muss die typisch männliche Art sich zu präsentieren ja nicht die einzig wahre sein.

Stecken Frauen mitunter in einer Opferrolle fest?
Das patriarchale, historisch gewachsene System, in dem wir leben, ist von Frauen und Männern geschaffen. Das Problem ist, dass wir dies als Maß aller Dinge nehmen. Aber 52 Prozent der Bevölkerung sind Frauen – und Frauen sind keine defizitären Wesen! Sie haben oft andere Lebenskonzepte. Das Problem sind die Maßstäbe, denen sie angeblich gerecht werden sollen. Der Fehler ist, dass man häufig meint, Frauen „optimieren“ zu müssen und „upzugraden“ Richtung Männlichkeit. Dabei ist das vielleicht gar nicht nötig.

Was ist denn nötig?
Vielleicht sollten wir Männern beibringen, dass sie Unsicherheiten und Emotionen auch zeigen und nicht gemäß der „Lonely Cowboy“-
Mentalität agieren müssen.

Sie beraten auch Firmen. Was machen Sie dort?
Wir beraten Bildungseinrichtungen und Firmen und zeigen, was sie intern für Gleichstellung tun können. Etwa: Wie man Inserate gestaltet, sodass sie Frauen ansprechen und welche Vorurteile es innerbetrieblich abzubauen gilt.

Was sind die häufigsten Klischees?
Etwa, dass Frauen nicht Projektleiter sein können, weil sie früher nach Hause wollen. Das stimmt so nicht, sie liefern ihre Projekte oft pünktlicher ab.

Gibt es Unterschiede in der Auslegung einer Führungsposition?
Wenige. Oft heißt es, dass Frauen die Durchsetzungskraft fehlt, dabei setzten sie Dinge oft nicht mit der Faust auf dem Tisch durch, sondern subtiler. Man muss aber auch bedenken, dass Frauen und Männer auch anders bewertet werden. Eine Chefin darf etwa mitunter einmal emotionaler sein.

Was hat sich in den 20 Jahren, in denen Sie Nowa leiten, verändert?
Als ich geheiratet habe, galt noch der Mann als Familienoberhaupt,
denn die Familienrechtsreform kam ja erst danach. Bei den Hochschulabschlüssen haben Frauen aufgeholt, aber leider besteht die Einkommensschere immer noch. Diskriminierung und sexistische Sprüche werden aber zumindest öffentlich nicht mehr toleriert.

Sie unterstützen auch gezielt ältere Frauen. Warum ist das nötig?
Mit 45 Jahren gelten Frauen in der Arbeitswelt als alt, Männer gelten als erfahren. Auch sinkende Attraktivität wird Frauen mitunter nachteilig ausgelegt. Hier muss man neues Bewusstsein schaffen.

Warum haben Sie persönlich beschlossen, für Frauen zu arbeiten?
Ich habe mich immer dafür interessiert, welche Strukturen bewirken, dass bestimmte Gruppen ausgeschlossen werden. Ich habe Psychologie studiert, in der Familientherapie gearbeitet und erkannt, dass die Ursachen oft im größeren, gesellschaftlichen Rahmen liegen.

STECKBRIEF
- geboren am 20.7. 1956
- Studium der Psychologie, Ökonomie und Organisationsentwicklung
- seit 1995 Geschäftsführerin des Vereines „Nowa“

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