Renate Platzer
Fußgänger:innenbeauftragte über das Zufußgehen in Graz
Schon gewusst? Graz hat eine eigene Fußgänger:innenbeauftragte. Renate Platzer ist ausgebildete Bauingenieurin und hat sich schon früh mit dem Thema Mobilität beschäftigt. In der Serie "Gefragte Frau" von MeinBezirk.at spricht sie über ein autofreies Graz, Brennpunkte im Stadtverkehr und erzählt, warum sie sich ein Auto gekauft hat.
GRAZ. Bauingenieurin und Verkehrsplanerin Renate Platzer ist der Kopf des Grazer Fußverkehrs. Als Fußgänger:innenbeauftragte gehören große, ausgeklügelte Konzepte genauso zur Agenda wie Anliegen aus der Bevölkerung. Dabei setzt sie sich täglich dafür ein, dass Graz auch gut zu Fuß zu erkunden ist. Sie selbst versucht dabei mit gutem Beispiel voranzugehen, auch wenn das nicht immer ganz so einfach ist.
Interview mit der Fußgänger:innenbeauftragten Renate Platzer
Frau Platzer, wie kommen Sie zur Arbeit?
Ich bin hauptsächlich mit dem Fahrrad unterwegs, ich habe ein E-Bike. Bei Schlechtwetter gehe ich 15 Minuten zu Fuß zur Haltestelle und fahre mit dem Bus.
15 Minuten gehen wäre einigen aber schon zu viel oder?
Ja, das ist ist sicher vielen zu viel. Man kann das aber auch als seine persönliche Freizeit und Auszeit nutzen. Ich sehe das als Quality time, in der man einfach einmal seine Gedanken schweifen lässt und seine Ruhe hat.
Wie gern geht Graz zu Fuß?
Laut aktueller Mobilitätserhebung werden 21 Prozent aller Wege der Grazer Wohnbevölkerung zu Fuß zurückgelegt. Das ist im Österreichschnitt ein relativ guter Wert, trotzdem wollen wir, dass es auch in Graz noch mehr wird. In der Innenstadt gibt es schon eine gute Infrastruktur für Fußverkehr. In den Randbezirken fehlt es oft schon an Zebrastreifen oder Gehsteigen.
Wie ist das Amt der Fußgänger:innenbeauftragten entstanden?
Durch die neue Stadtregierung. Der Vizebürgermeisterin war es sehr wichtig, dass es eine Fußverkehrsbeauftragte gibt. Ich war vorher lange in der Verkehrsabteilung und da haben wir das Thema immer mitbehandelt. Dann war klar, dass wir jemanden brauchen, der das koordiniert.
Wie bewerten Sie den Fußverkehr in Graz?
Es ist schwierig eine Wertung zu treffen, weil das davon abhängt, wo man sich befindet. Die Innenstadt ist generell schon sehr gut aufgestellt, weil es schon viele Gehwege gibt. In den Wohnvierteln fehlt es oft schon an Schutzwegen oder ähnlichem.
Melden sich auch Bürgerinnen und Bürger bei Ihnen?
Ich bekomme viele Rückmeldungen aus der Bevölkerung. Erreichbar bin ich unter fussverkehr@stadt.graz.at an mich wenden. Dabei geht es um ganz unterschiedliche Themen. Oft sind es fehlende oder zu schmale Geh- und Schutzwege. Auch der Konflikt zwischen Zufußgehenden und anderen Verkehrsteilnehmern tritt häufig auf.
Was beschäftigt die Menschen in Graz?
Es geht um ganz unterschiedliche Themen. Oft sind es infrastrukturelle Geschichten wie ein zu schmaler Gehweg oder ein fehlender Zebrastreifen. Auch der Konflikt zwischen Zufußgehenden und Radfahrenden tritt sehr oft auf.
Was kann man in so einer Situation machen, außer auf Rücksicht hoffen?
Hoffen kann man immer. Weil man sich aber nicht immer darauf verlassen kann, gibt es in Graz die vielen Ampeln, Schutzwege oder sonstige Markierungen. Dass ein rücksichtsvolles Miteinander funktionieren kann, zeigen Begegnungszonen wie jene am Sonnenfelsplatz in der Zinsendorfgasse.
Gibt es Sorgenkinder in der Grazer Mobilität?
Sorgenkinder gibt es schon einige bei uns. Das sind all die Stellen, wo der Konflikt zwischen Zufußgehenden und Radfahrenden groß ist. Oft gibt es solche Rückmeldungen im Univiertel, wo Radfahrende auf dem Gehsteig fahren, wenn die Infrastruktur fehlt. Ein besonderes Nadelöhr ist die Unterführung bei der Augartenbrücke oder die Schmiedgasse, wo viele Menschen aufeinandertreffen.
Wie stehen Sie zu einem autofreien Graz?
Eine autofreie Innenstadt finde ich aus Sicht einer Fußgängerin sehr gut, da die Aufenthaltsqualität für alle Grazer steigt. Natürlich gibt es Einwände, die es abzuwägen gilt. Manchmal erfordert es eine starke Stadtregierung, die das trotzdem umsetzt. In vielen Bereichen zögern alle und machen nichts. Wenn man es nach einiger Zeit aber doch umsetzt, merkt man, dass es eigentlich ganz schön ist. Früher hat sich auch keiner vorstellen können, dass die Mariahilfer Straße in Wien autofrei wird.
Haben Sie ein Auto?
Ja, ich habe ein Auto. Ich glaube, das war der schlimmste Tag meines Lebens, als ich mir vor fünf Jahren eines gekauft habe. Da war ich ganz traurig. Aber wenn man kleine Kinder hat, ist man froh, wenn es so schnell wie möglich geht. Trotzdem ist es möglich, komplett ohne Auto zu leben. Man muss sich das nur besser organisieren.
Sie gehen aber trotzdem viel zu Fuß?
Ja, neben Radfahren gehe ich auch viel zu Fuß. Es geht hier nicht darum, den gesamten Weg zu Fuß zu gehen, sondern um kleine Etappen und diese zum Beispiel mit dem öffentlichen Verkehr zu kombinieren. Das ist gesund, kostengünstig und umweltfreundlich.
Wie sind Sie eigentlich zu dem Thema gekommen?
Ich habe mich schon früh mit meinem Mobilitätsverhalten auseinandergesetzt. Das hat sich in meinem Bauingenieurwesenstudium an der TU Graz verstärkt, wo ich mich in die Verkehrsplanung vertieft habe. Dann habe ich auch immer selbst mein Mobilitätsverhalten kritisch beobachtet.
Was muss sich in Graz noch tun?
Wir brauchen attraktivere, breitere und begrünte Fußwege. In weiterer Zukunft wäre es gut, ein komplettes Netz für Fußgänger zu schaffen. Mein Wunsch wäre es, dass die aktive Mobilität in der Stadt zukünftig die Überhand nehmen wird.
Steckbrief: Renate Platzer
- 35 Jahre alt
- geboren in Deutschlandsberg
- HTL Ortwein mit Bautechnik besucht
- an der TU Graz Bauingenieurwesen studiert (Bachelor und Master)
- 2012 Studium abgeschlossen
- 2015 zur Stadt Graz in die Verkehrsabteilung gekommen
- seit 2022 Fußgänger:innenbeauftragte
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