„Lass uns furchtlos sein!“ – Die Schauspielerin Julia Gräfner im Interview

- hochgeladen von Elisabeth Pötler
Julia Gräfner, Ensemblemitglied am Schauspielhaus Graz, spricht über den Druck, den Schönheitsideale auf uns ausüben, und die Befreiung davon.
WOCHE: Was ist das Verrückteste, das Sie aus Liebe getan haben?
Julia Gräfner: Um Liebe zu bekommen will ich nichts tun müssen. Ich will diejenige bleiben dürfen, die ich bin.
Am Schauspielhaus ist Ihr Stück „Ich würde alles für die Liebe tun, mach‘s aber nicht“ zu sehen. Was ist die zentrale Botschaft?
Es kann befreiend sein, furchtlos zu sein. Wir brauchen Orte, an denen wir furchtlos sein können – darum müssen wir kämpfen. Ich wünsche mir auch, dass wir Liebeskonzepte furchtlos hinterfragen und umkrempeln, ohne, dass wir beschimpft werden. Wir sollten alle mehr über unsere Wünsche und Ängste sprechen.
Der Titel bezieht sich auf das Lied „I‘d Do Anything For Love (But I Won‘t Do That)“ von Meat Loaf. Warum?
Das Lied ist eine romantische Erinnerung aus meiner Jugend. Es hat mich energetisiert, ohne dass ich es genau verstanden habe. Die Ironie macht neugierig: Ich würde alles für die Liebe tun, genau dieses oder jenes aber nicht. Da habe ich mich mit Künstlerin Cora Frost und Dramaturgin Anna Wille gefragt: Was würden wir für die Liebe tun?
Dabei geht es auch um Schönheitsideale. Warum ist Ihnen das wichtig?
Wir sind dauernd mit diesen Idealen konfrontiert. Wir können ihnen aber nicht gerecht werden ohne unsere Individualität großen Konzernen oder eindimensionalen Konzepten unterzuordnen.
Haben Sie das Gefühl, dass das Druck erzeugt?
Ja, ich glaube, das macht uns kaputt. Wo bleibt die Angst-Freiheit, die Offenheit? Das eigene Tempo? Das Wohlfühlen? Es macht auf den ersten Blick keinen Spaß aus der Reihe zu fallen, Schwäche zu zeigen oder etwas anderes zu erproben.
Wie können wir uns befreien?
Indem wir den Spaß und die Magie entdecken, die durch die Befreiung entstehen. Wir könnten es genießen, wenn der Druck abfällt.
Ist der Schönheitsdruck für Männer geringer?
Ich glaube nicht. Schön sein heißt auch: Er oder sie hat Leistung erbracht und in sich investiert. Diesem Leistungsgedanken sind wir alle ausgesetzt.
Wird von Schauspielerinnen erwartet, dass sie „schön“ sind?
Von mir wurde bisher erwartet, dass ich gut bin. Und eine gute Schauspielerin versucht, sich auf alle Facetten von „schön“ bis „hässlich“ spielerisch einzulassen.
Sie spielen auch in „Volpone“ und „Merlin“ und werden als neuer Star am Schauspielhaus gefeiert: Haben Sie eine Erklärung dafür?
Nein, als Mosca und Parzival habe ich tolle Rollen, in denen ich viel zeigen kann. Schön, dass die Zuschauer daran Freude hatten und hoffentlich haben.
Für Nicht-Schauspieler: Wie eignen Sie sich Ihre Rollen an?
Ich versuche, mich auf die Figur, ihre Konflikte und ihre Art, die Welt zu sehen, einzulassen. Man muss Gefühle zulassen, also: Alle Schleusen auf! Bevor ich auf die Bühne gehe, bereite ich mich körperlich, stimmlich und inhaltlich vor. Dann kommt die Anspannung, deshalb ist mein Motto: „Entspann dich, Gräfner!“
Sie sind nun seit Oktober am Schauspielhaus und dafür von Bern nach Graz gezogen. Ihre Eindrücke?
Graz ist gemütlich und vielfältig. Die Menschen begegnen mir lebens- und genussfreudig. Das kommt mir sehr entgegen!
WOCHE-WORDRAP
Mein erster Gedanke in der Früh: Schon?
Mein letzter Glücksmoment: schwitzend in der Sauna
Mein Lieblinsgsschimpfwort: verdammte Axt
Ein Lied, bei dem ich laut mitsinge: „Fly Me to the Moon“ von Frank Sinatra
Als Comic-Figur wäre ich: Snoopy
STECKBRIEF: Julia Gräfner
- geb. 1989 in Schwerin
- Studium an der Berner Hochschule der Künste -
- seit Oktober 2015 Enssemblemitglied am Schauspielhaus Graz
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