U-Haft und Strafvollzug
So läuft es in der Justizanstalt Graz-Jakomini

- Hinter dem Landesgericht für Strafsachen befindet sich die Justizanstalt Graz-Jakomini.
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Im Gespräch mit MeinBezirk.at erläutert Manfred Ulrich, stellvertretender Leiter der Justizanstalt Graz-Jakomini, welche Bereiche in der Justizanstalt gut funktionieren und wo aus seiner Sicht Verbesserungsbedarf besteht. Sicher ist sich der Oberstleutnant, dass es Gefängnisse auch in 100 Jahren noch geben wird.
GRAZ. Die meisten Menschen kennen Gefängnisse wohl nur aus Filmen oder Serien und sind froh, wenn sie um diese Orte einen großen Bogen machen können. Gleichzeitig stellen Inhaftierungen ein wesentliches Instrument der Justiz dar und erfordern eine genaue Planung sowie ein reibungsloses Zusammenspiel verschiedenster Stellen. MeinBezirk.at hat mit Manfred Ulrich gesprochen, um einen Einblick in das System der Justizanstalt Graz-Jakomini zu erhalten.
Fast voll ausgelastet
Insgesamt umfasst das landesgerichtliche Gefangenenhaus Graz-Jakomini 513 Haftplätze für männliche, weibliche und jugendliche U-Häftlinge sowie für Strafgefangene mit Freiheitsstrafen von bis zu 18 Monaten. Derzeit sind knapp 500 Personen inhaftiert und auf verschiedene Abteilungen aufgeteilt. Der noch vor einigen Jahren virulente Personalmangel im Bereich der Wache scheint sich mittlerweile beruhigt zu haben, da aktuell alle Planstellen besetzt sind. Dadurch kann ein Funktionieren des Regelbetriebs gewährleistet werden, bei dem auch die Sicherheit nicht leidet, wie Ulrich bestätigt.

- "Ohne Gefängnisse wird es nie gehen", ist sich Oberstleutnant Manfred Ulrich sicher.
- Foto: Justizanstalt Graz-Jakomini
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Bei den Gefangenen handelt es sich hauptsächlich um männliche Erwachsene, die vielfach wegen Suchtmittel- oder Eigentumsdelikten festgehalten werden und teilweise aus ehemaligen Kriegsländern stammen. Ulrich spricht bezogen auf diese Delikte sogar von einer "Kriminaltouristik", die sich daran ablesen lasse, dass es während der Pandemie kaum neue Zugänge gegeben habe.
Seit der Öffnung der Grenzen sei es hingegen wieder zu einem Anstieg gekommen. Eine bundesweite Betrachtung verdeutlicht, dass es sich bei der Hälfte aller Gefangenen um österreichische Staatsangehörige handelt. Weitere 16 Prozent entfallen auf EU-Bürgerinnen und -Bürger, fast 33 Prozent auf Personen aus Drittstaaten.

- Aufteilung der in Österreich inhaftierten Personen nach Staatsbürgerschaft: Circa die Hälfte aller Insassinnen und Insassen sind österreichische Staatsangehörige.
- Foto: Screenshot justiz.gv
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Neben Drogen- und Eigentumsstraftaten ist die Bandbreite der Delikte aber sehr groß, da im Rahmen der U-Haft zunächst alle Personen in die Justizanstalt Jakomini gelangen und erst nach einer Verurteilung die Aufteilung nach Zuständigkeit erfolgt.
Arbeit und Schule unterstützen Resozialisierung
Das oberste Ziel des Strafvollzugs stellt die Resozialisierung dar, weshalb von Beginn an Maßnahmen gesetzt werden, damit straffällig Gewordene danach sozial angepasst leben können. Deshalb wird beispielsweise eine umfassende Betreuung und Behandlung durch verschiedenste Berufsgruppen geleistet, darüber hinaus sind Strafgefangene aber auch zur Arbeit verpflichtet.
Zudem stehen Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten sowie Freizeitangebote zur Verfügung. Exemplarisch für ein Erfolgsprojekt nennt Ulrich die "Gefängnisklasse" der Volks- und Mittelschule Ellen Key, in der von Montag bis Freitag regulärer Unterricht stattfindet. Dieses Angebot funktioniere sehr gut und habe es bereits einigen jungen Menschen ermöglicht, einen positiven Schulabschluss zu erreichen.
Fehlende Arbeitsplätze, schwierige Kommunikation
Wenngleich sich der stellvertretende Leiter der Justizanstalt dagegen verwehrt, "alles krank zu jammern", sieht er dennoch in der Betreuung von Einzelpersonen sowie in der Freizeitgestaltung Verbesserungsbedarf. Gerade für letztere bräuchte es mehr Beamtinnen und Beamte zur Beaufsichtigung, um den Gefangenen das so wichtige "Auspowern" zu ermöglichen. Zudem mangle es an Arbeitsplätzen, da die Anzahl der Arbeitswilligen jene der Stellen übersteigt.
Auch die Verständigung mit Häftlingen, die eine andere Umgangssprache sprechen, sei vielfach herausfordernd. Für Befragungen und medizinische Fragen werde zwar auf Videodolmetsch-Systeme zurückgegriffen, für den Alltagsgebrauch sind diese jedoch nicht praktikabel.

- Der Entzug von Freiheit stellt einen massiven Einschnitt dar. Um so wichtiger sind Angebote in der Freizeitgestaltung und sinnvolle Arbeitstätigkeiten.
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Eine massive Verschlechterung sieht Ulrich schließlich im Bereich der psychischen Erkrankungen, von denen besonders suchtmittelabhängige Personen stark betroffen seien. Diese Gefangenen sind vielfach nicht im Stande, in einer Arbeitsstelle durchzuhalten und fallen teilweise auch aggressiv - sich selbst oder anderen gegenüber - auf. Auch dabei handelt es sich um eine österreichweite Tendenz, da Verbrechen von geistig abnormen Personen in den letzten Jahren deutlich zugenommen haben.
Um so wichtiger sei es daher, den Freiheitsentzug als massiven Einschnitt zu begreifen und den Gefangenen eine umfassende Betreuung zukommen zu lassen, wie sie von psychologisch, seelsorgerisch und medizinisch tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits geleistet wird. Denn "ohne Gefängnisse wird es nie gehen", ist sich der Oberstleutnant sicher.
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