Sorge bei Pädagogen groß
Steht das Singen im Kindergarten vor dem Aus?
Für Elementarpädagoginnen und -pädagogen soll es in Zukunft neue, verkürzte Ausbildungen geben, was zur Sorge führt, der musikalische Teil könnte dabei weiter reduziert oder vielleicht sogar komplett ausgespart werden. Singen und musizieren haben aber sehr positiven Einfluss auf die Entwicklung von Kindern und Einsparungen in diesem Bereich könnten später teuer werden.
GRAZ. Erst vor Kurzem wurden neue "Kurzausbildungen" für Elementarpädagogen vorgestellt. Die Inhalte werden dabei gestrafft, einiges wird wohl auch ausgespart werden. Heidi Jirku, Abteilungsvorständin am Bafep in Graz, begrüßt die Aufwertung der Berufssparte durch universitäre Ausbildungen, hat dabei aber eine große Sorge, nämlich dass der musikalische Teil dadurch Stück für Stück auf der Strecke bleibt. In anderen Ländern sei es bereits Usus, dass das Erlernen eines Instruments nicht mehr verpflichtend Teil der Ausbildung ist. Für Jirku ist aber genau das essenziell und ein Pluspunkt, der auf keinen Fall aufgegeben werden sollte. Werden angehende Pädagogen dahingehend nicht mehr ausgebildet, werde im Umkehrschluss mit den Kindern auch weniger musiziert und gesungen.
Auch der ehemalige Direktor der Musikhauptschule Ferdinandeum Wolfgang Stern schlägt in eine ähnliche Kerbe. Allerdings nicht nur in Bezug auf Kindergärten, sondern vor allem auf Volksschulen, wo es gesetzlich pro Woche eine Musikstunde gibt, und auch auf den privaten Raum: "Wer singt heute zu Hause noch mit seinen Kindern?"
Singen hilft beim Spracherwerb
Denn regelmäßiges singen und musizieren bringt Kindern Entwicklungsvorteile, wie die systematische Musikwissenschafterin Bettina Zeidler erzählt.
"Singen im Kindergarten- und Grundschulalter hilft immens bei der Sprachentwicklung. Es hilft sowohl dabei das Vokabular zu erweitern, als auch grammatikalische Strukturen zu erlernen. Außerdem werden dabei die gleichen Textpassagen immer wieder wiederholt, wodurch die Kinder ihre sprachlichen Fähigkeiten schnell ausbauen können."
Bettina Zeidler, Musikwissenschaftlerin
Auch bei der Aussprache und der Betonung hilft das Musizieren Kindern dabei, sich diese quasi spielerisch anzueignen. Außerdem können Kinder, die bereits im Vorschulalter ein Instrument erlernen, im Schnitt um zehn Prozent besser lesen und rechtschreiben als nicht musizierende Kinder. Das ergab eine Langzeitstudie der Universitäten Graz und Heidelberg, wo eine viel und eine kaum bis nicht musizierende Gruppe ab dem Grundschulalter über zwölf Jahre begleitet wurde.
Musik als Entwicklungsvorteil
Zeidler weist weiters darauf hin, dass bei musizierenden Kindern bereits vor dem Unterrichtstart der "Heschl Gyrus", die erste Anlaufstelle im Großhirn bei akustischen Reizen, beidseitig größer ist, was die Motivation zu üben positiv beeinflusst. Außerdem verarbeiten beide Hirnhälften Töne schneller und synchroner, ein Entwicklungsvorsprung, der bis ins Erwachsenenalter bleibt. Zeidler betont auch andere weitreichende Vorteile, wie eine bessere Daueraufmerksamkeit, weniger Hyperaktivität und Impulsivität. Aus diesem Grund wirkt sich musikalische Förderung auch bei ADHS und Legasthenie positiv aus. Darüber hinaus schult gemeinsames Singen und Musizieren das soziale Verhalten der Kinder und steigert Hilfs- und Kooperationsbereitschaft. Eine Investition in die breite musikalische Erziehung der Kinder ist also eine Investition in die Zukunft.
Entwicklungsbereiche die singen und Musik positiv beeinflussen:
- deutlich schnellere und bessere Hörwahrnemung
- bessere Daueraufmerksamkeit
- weniger Hyperaktivität
- Aussprache, Grammatik und Rechtschreibung
- gesteigerte Hilfs- und Kooperationsbereitschaft
- bessere Zusammenarbeit der Hörareale beider Gehirnhälften
- wirksam gegen ADHS und Legasthenie
Das könnte dich auch noch interessieren:
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.