Gefährliches Spiel
Wettsucht für immer mehr Steirer existenzbedrohend

Verzerrte Wahrnehmung: Sichere Wetten – etwa auf Serienmeister – gibt es nicht und Wettquoten spielen freilich den Anbietern in die Karten. | Foto: GEPA
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Suchthilfestellen verzeichnen dramatischen Anstieg im Bereich Sportwetten. MeinBezirk.at hat mit Monika Lierzer von der steirischen Fachstelle für Glücksspielsucht über gesetzliche Hintergründe und die Sucher nach dem nächsten Kick gesprochen.

GRAZ/STEIERMARK. "Da sind wir einzigartig in Europa", hält Suchtexpertin Monika Lierzer im Hinblick auf die Verflechtung von Sport und Wettanbietern sowie die gesetzlichen Rahmenbedingungen hierzulande fest. "Bei uns ist ganz viel möglich mit ganz geringer Abgabenlast", so die Psychologin, die bei der Fachstelle für Glücksspielsucht Steiermark und am Zentrum für Suchtmedizin am LKH Graz II tätig ist.

Steigende Zahlen bei Sportwettsucht: Für eine Trendwende braucht es strengere Gesetze, ist Monika Lierzer überzeugt. | Foto: Konstantinov
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Freilich gebe es auch anderswo Partnerschaften wie etwa zwischen Bayern München und Tipico, dass aber mehrere Ligen den Namen von Wettanbietern tragen, bleibe dennoch ein rot-weiß-rotes Kuriosum – weshalb Österreich, wie Lierzer von einer Fachtagung erzählt, von einem deutschen Journalisten den Beinamen "Malta der Alpen" erhalten hat.

Sportwetten verdrängen Automatenspiel

Rund 250 Personen, großteils Männer, treten jährlich wegen ihrer Glücksspielsucht mit den steirischen Fachstellen in Kontakt. Machten noch vor wenigen Jahren Automatenspieler 80 Prozent der Fälle aus, ging die Zahl aufgrund strengerer Regeln im Rahmen des 2016 eingeführten Automatenglücksspielgesetzes stark zurück und lag zuletzt bei einem Anteil von unter 50 Prozent.

Das Automatenspiel verliert in Österreich zunehmend an Bedeutung. | Foto: Pixabay
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"Sorgen bereitet uns derzeit, dass sich die Zahl der Menschen, die süchtig nach Sportwetten sind, in den letzten fünf Jahren auf einen Anteil von 36 Prozent vervierfacht hat", verrät Lierzer. Das liege unter anderem an der zunehmenden Sichtbarkeit, dem einfachen Zugang und einem allgemein kaum ausgeprägten Risikobewusstsein: "Das Problem in Österreich ist, dass Sportwetten nicht als Glücksspiel definiert sind. Damit gibt es für Suchtbetroffene eigentlich keine Einschränkungen. Beträge unter 50 Euro kann man anonym verwetten."

Neben diversen Online-Wettmöglichkeiten kann in der Steiermark aktuell an über 500 Standorten von 18 Anbietern gespielt werden. Dass sich die Wettlokale im urbanen Raum konzentrieren, spiegelt sich wenig überraschend auch in der Suchtstatistik der Fachstelle wider: In etwa 70 Prozent der Klienten der Fachstelle kommen aus dem Großraum Graz und sämtlichen sozialen Schichten.

"Den meisten Leuten ist das massive Suchtrisiko bei Sportwetten nicht bewusst", weiß Psychologin Monika Lierzer. | Foto: Konstantinov
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Auch Sportler anfällig für Wettsucht

Dass jemand, der sich besonders gut mit einer Sportart auskennt oder diese gar selbst praktiziert, weniger Gefahr läuft, in problematisches Wettverhalten samt finanzieller Abgründe zu schlittern, sei ein Irrglaube, stellt Monika Lierzer klar: "Das Gegenteil ist der Fall, weil es weniger Berührungsängste gibt."

Zur Sensibilisierung organisiert die Fachstelle für Glücksspielsucht Steiermark gemeinsam mit der Fachstelle für Suchtprävention Vivid (Kontakte siehe unten) kostenlose Workshops an, wie zuletzt während der abgelaufenen Fußball-WM im Sozialmedizinischen Zentrum Liebenau für Trainer, Vereinsfunktionäre und Menschen aus der Jugendarbeit.

Mit Präventionsmaßnahmen wie Workshops soll vermehrt Bewusstsein geschaffen werden. "Vorsorge ist immer einfacher als eine ausgeprägte Sucht zu behandeln", so Lierzer. | Foto: Konstantinov
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Obwohl es für mathematisch begabte Sportexpertinnen und -experten, die wissen, wie Quoten erstellt werden, möglich sei, in bescheidenem Rahmen zu gewinnen, bleibe "der sichere Gewinn" schlichtweg eine Illusion, wenn auch eine wirkmächtige. Als Beispiel nennt Sturm-Anhängerin Lierzer die DFL-Saison 2016/17, in der Bayern München nach 34 Spielen mit 15 Punkten Vorsprung zum fünften Mal in Serie Meister wurde: "Wenn man in jedem Spiel 10 Euro auf die Bayern gesetzt hätte, hätte man aufgrund der Quoten am Ende 42 Euro Verlust gemacht." Sicher sei hingegen, dass anhaltender Suchtdruck die Vernunft komplett ausschalte, weshalb Betroffene möglichst rasch Hilfe benötigen: "Im schlimmsten Fall riskieren sie alles auf der Suche nach dem nächsten Kick."

Lierzer: "Egal wie aussichtslos die Lage scheint, es gibt Hilfe." | Foto: Konstantinov
  • Lierzer: "Egal wie aussichtslos die Lage scheint, es gibt Hilfe."
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Suchtberatungsstellen in Graz

  • b.a.s. [betrifft abhängigkeit und sucht], Dreihackengasse 1, Tel. 0316 821199
  • Drogenberatung des Landes Steiermark, Friedrichgasse 7, Tel. 0316 326044
  • Grüner Kreis, Sterngasse 12, 0316 760196
  • Vivid – Fachstelle für Suchtprävention, Zimmerplatzgasse 13, Tel. 0316 823300
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