Starkes Gelsenjahr
Wie man Tigermücken jetzt das Überwintern vermiest
Klimawandel und Wetter machen 2023 zum "Jahr der Gelsen" – und das weit in den Herbst hinein. Das ist nicht nur lästig, sondern birgt Risiken. Wie die Stadt Graz agiert, um den Plagegeistern zu Leibe zu rücken und was man jetzt tun kann, um den Blutsaugern das Überwintern zu erschweren, hat MeinBezirk.at in Erfahrung gebracht.
GRAZ/LIEBENAU. "Es ist ein Wahnsinn. Man kann seinen Garten gar nicht mehr normal nutzen", schildert eine junge Liebenauerin ihre unfreiwillige Beziehung zu den Stechmücken im Grazer Murfeld. "Ich war zu Mittag vielleicht fünf Minuten draußen", so die Anfang 30-Jährige, während sie auf ihre zerstochenen Arme deutet. Verantwortlich für die Attacken sind asiatische Tigermücken, die im Gegensatz zu "klassischen" Hausgelsen nicht nur abends und nachts, sondern vor allem tagsüber ihren Durst stillen.
Einige Jahre sind vergangen, seit die invasive Art mit schwarzem Körper und weißen Streifen erstmals im Süden der steirischen Landeshauptstadt angetroffen wurde. Dass sie sich inzwischen in Graz ausbreiten konnte und aktuell bis in den Herbst hinein hochaktiv ist, sei angesichts klimatischer Veränderungen kein Wunder, heißt es aus Expertenkreisen. "Heuer ist ein ganz, ganz starkes Gelsenjahr", bestätigt Zoologe Christian Komposch von Ökoteam, dem Institut für Tierökologie und Naturraumplanung mit Sitz in der Bergmanngasse. Seine Erklärung: "Starkregenereignisse sorgen vermehrt für temporäre Wasserflächen, die als Brutstätten dienen, und je höher die Temperaturen sind, desto schneller können sich die Larven zu Stechmücken entwickeln, die dann wieder Eier ablegen."
Während in Teilen von Graz Tigermücken bislang äußerst lästig – aber ohne schwerwiegende gesundheitliche Komplikationen für Menschen – in Erscheinung getreten sind, kam es in Italien und Frankreich bereits zu ernstzunehmenden Folgen. So wurden etwa Anfang September in Paris ganze Wohnviertel abgeriegelt und mit Insektiziden besprüht, um die Verbreitung des Dengue-Fiebers durch die invasive Mückenart zu verhindern. Etwa zur gleichen Zeit sorgten Fälle der Tropenkrankheit für Alarm am Gardasee.
Wachsamkeit ist gefragt
Die Tigermücke ist hierzulande die erste und einzige Gelsenart, die in der Lage ist, Viren wie Dengue, Chikungunya und Zika zu übertragen. Eine akute Gefahr für die Menschen in Österreich ortet Carina Zittra vom Department für Funktionelle und Evolutionäre Ökologie an der Universität Wien allerdings nicht: "Damit die Tigermücke einen tropischen Krankheitserreger von einem Menschen zum nächsten übertragen kann, muss sie erst einen erkrankten Menschen – beispielsweise einen Reiserückkehrer – stechen und genug Erreger bei der Blutmahlzeit aufnehmen."
Zudem müsse für eine tatsächliche Übertragung mehreres zusammenspielen, so die Fachfrau: "Die Temperatur muss hoch genug sein, damit sich der Erreger in der Gelse vermehren kann, und sie muss lange genug leben, um den Virus auch übertragen zu können."
Stadt Graz und AGES arbeiten zusammen
Wichtig sei dennoch die lokale Überwachung der Blutsauger, um bereits vorab Risiken zu minimieren. Zu diesem Zweck arbeitet die Österreichische Agentur für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (AGES) mit den Landessanitätsdirektionen und in den Städten Wien, Linz und Graz mit dem jeweiligen Gesundheitsamt zusammen.
Von Mai bis Oktober werden wöchentlich Proben aus speziellen Mückenfallen zur Analyse geschickt. "So können wir erheben, wo und ob sich die Tiere vermehren", erklärt AGES-Expertin Karin Bakran-Lebl, "daraus leiten wir die Empfehlungen an die örtlichen Behörden ab." Ihr Appell: "Mit der App ‚Mosquito Alert‘ können Bürger Tigermücken melden. Das ist wichtig, weil diese Daten direkt bei der Stadt Graz landen und man im Gesundheitsamt planen kann, wo und welche Bekämpfungsmaßnahmen gesetzt werden."
Seitens der Politik ist man sich des Problems durchaus bewusst: "Die tagaktive Tigermücke ist noch lästiger als unsere bekannten Gelsen. Gemeinsam mit den Expertinnen und Experten des Gesundheitsamtes wollen wir diese Mücken so gut als möglich eindämmen und ihnen die Verbreitung erschweren", so Gesundheitsstadtrat Robert Krotzer (KPÖ). So setzt die Stadt Graz neben der Dokumentation der Blutsauer auf Aufklärung samt Lokalaugenscheinen.
Empfohlene Maßnahmen vor dem Winter
Zudem werden Brutstätten auf Friedhöfen und im öffentlichen Raum (Regeneinläufer) in Zusammenarbeit mit der Holding Graz bekämpft, wie Fachmann Erwin Wieser vom Gesundheitsamt erklärt: "Im urbanen Raum ist und bleibt das Vermeiden von Wasserstellen die einzig wirklich effiziente Maßnahme zur Vermeidung von potenziellen Brutstätten und somit der Eindämmung der Ausbreitung der Gelsen." Die "gute Nachricht" für die Bekämpfung, so Wieser weiter: "Der Aktionsradius der Tigermücke ist sehr begrenzt und somit sind in jedem Fall Brutstätten in unmittelbarer Nähe zum betroffenen Menschen zu finden."
Aus Erfahrung weiß der Experte, dass viele Bürgerinnen und Bürger erst bei gemeinsamen Begehungen einsehen, dass große Ansammlungen der Plagegeister "hausgemacht" sind, weil "sich am Grundstück Wasseransammlungen mit Gelsen-Larven befinden, die so nicht am Radar der Betroffenen gewesen wären". Sein Appell: "Vor dem Winter alle Gefäße zu leeren und reinigen, da abgelegte Eier auch im Trockenen überwintern können."
Die kostenlose App "Mosquito Alert" für Apple-Geräte bekommst du hier und für Android-Geräte hier.
Weitere Tipps zur Eindämmung der Tigermücke:
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