"Gemeinsam aus der Krise"
Ressourcenerhöhung für Stadtteilarbeit gefordert

Immer wenn die Liegestühle vor dem Stadtteilzentrum Eggenlend draußen stehen, wissen die Bewohner, dass es offen hat. Viele beschweren sich, dass das vor einigen Jahren viel öfter der Fall war.  | Foto: Lisa Ganglbaur
2Bilder
  • Immer wenn die Liegestühle vor dem Stadtteilzentrum Eggenlend draußen stehen, wissen die Bewohner, dass es offen hat. Viele beschweren sich, dass das vor einigen Jahren viel öfter der Fall war.
  • Foto: Lisa Ganglbaur
  • hochgeladen von Lisa Ganglbaur

Der Arbeitskreis Stadtteilarbeit Graz fordert dringend eine Ressourcenerhöhung für die Gemeinwesenarbeit. Gerade durch die Coronakrise sei das Angebot essentiell für die Gesellschaft.

Bei vielen Grazerinnen und Grazern sei nach der Krise eine große Erschöpfung spürbar. "Das vergangene Jahr hat allen viel abverlangt. Vielfach wurden Einsamkeit, finanzielle Krisen und soziale Notlagen ausgelöst. Ein Ausbau der Stadtteilarbeit ist jetzt dringend notwendig, um die psychosoziale Versorgung in Graz zu stärken, soziale Notlagen zu mindern und das gesellschaftliche Miteinander zu stärken", lautet der Tenor aus dem Arbeitskreis Stadtteilarbeit Graz. "Gemeinsam aus der Krise", lautet das Motto. 

Aber was macht Stadtteilarbeit überhaupt?

Stadtteilarbeit passiert niederschwellig in Grätzeln und kann völlig unterschiedliche Formen annehmen: Einmal die Woche ein gemeinsamer Mittagstisch im SMZ Stadtteilzentrum Jakomini, Musik im Gemeindebau im Hof hinter dem Stadtteilzentrum Triester, gemeinsame Fahrradausflüge in Eggenlend, gemeinschaftliches Gärtnern im NaNet Floßlend, Sporteinheiten im Grätzeltreff Margaretenbad, gemeinsame Outdooraktivitäten im Mehrgenerationenenhaus Waltendorf, ein gemeinsamer Frühjahrsputz im Büro der Nachbarschaften Stadtlabor, ein Brunch am Grünanger im Garten für alle Nachbarschaftszentrum Grünanger, gemeinsames Garteln im Santa Garterina im ORF-Park im Nachbarschaftszentrum St. Peter.

Krise erfordere mehr Stadtteilarbeit

"Gerade in schwierigen Zeiten braucht es niederschwellige Hilfsangebote und Begegnungsmöglichkeiten in der direkten Wohnumgebung. Es braucht jemanden, der zwanglos einlädt: Stadtteilarbeit ist hier eine Anlaufschnelle mit offenen Ohren und informiert Bewohner über mögliche Handlungsspielräume", erklärt Gesundheitswissenschafterin und Gemeinwesenarbeiterin Alena Strauss, die im NachbarschaftsNetzwerk Floß - Lend aktiv ist. Stadtteilarbeit will dabei helfen, Eigeninitiativen (auch in Richtung Politik und Verantwortungsträgern) zu stärken und Leuten das Selbstvertrauen zu geben, in der Gesellschaft etwas beitragen und bewirken zu können.
Damit versteht sich Stadtteilarbeit auch als Brückenfunktion zwischen Bewohnerinnen und Bewohnern und Politik oder Verwaltung: "Wir wollen aus Betroffenen Beteiligte machen", erklärt Wolfgang Kogler, Psychologe und Gemeinwesenarbeiter in Eggenlend. 

Output schwer messbar

"Stadtteilarbeit wirkt präventiv. Und deshalb ist der Output nicht quantitativ nachweisbar, aber enorm wichtig für unsere Gesellschaft", erklärt Marie-Therese Sagl, Hochschullektorin und Sozialarbeiterin. Insgesamt habe Gemeinwesenarbeit aber ein gutes und friedliches Miteinander und die Förderung gesellschaftlicher Teilhabe zum Ziel. "Gemeinwesenarbeit sollte da sein, bevor Einsamkeit, das Anschlussverlieren und etwaige folgende Krankheiten passieren. Und dafür braucht es qualifizierte Profis mit sozialpsychologischem Know-how, die Zeit in die Arbeit reinstecken dürfen", schließt Sagl an.

Verantwortliche aus dem Arbeitskreis Stadtteilarbeit erklären ihre Forderungen: Hochschullektorin uund Sozialarbeiterin Marie-Therese Sagl,  Psychologe und Gemeinwesenarbeiter Wolfgang Kogler, Gesunheitswissenschafterin und Gemeinwesenarbeiterin Alena Strauss und Soziologe Michael Wrentschnur. | Foto: Lisa Ganglbaur
  • Verantwortliche aus dem Arbeitskreis Stadtteilarbeit erklären ihre Forderungen: Hochschullektorin uund Sozialarbeiterin Marie-Therese Sagl, Psychologe und Gemeinwesenarbeiter Wolfgang Kogler, Gesunheitswissenschafterin und Gemeinwesenarbeiterin Alena Strauss und Soziologe Michael Wrentschnur.
  • Foto: Lisa Ganglbaur
  • hochgeladen von Lisa Ganglbaur

Es braucht mehr als Ehrenamt

In Eggenlend kann derzeit beispielsweise eine 15-Stunden-Stelle besetzt werden. Zu wenig Ressourcen, zu viele unbezahlte Überstunden lautet der Tenor. Ehrenamt könne hier unterstützen, biete aber zu wenig Kontinuität. Der Arbeitskreis fordert daher eine Ressourcenerhöhung:
Es brauche Anstellungen von mindestens zwei Mitarbeitern mit jeweils mind. 30 Stunden, eine qualifikationsadäquate Bezahlung und mindestens zwei barrierefreie Räume. "Der Auf- und Ausbau von Gemeinwesenarbeit soll forciert werden. Die Basis dafür besteht allerdings in einer ausreichenden und langfristig geplanten Finanzierung von 100.000 bis 150.000 Euro pro Standort, für mehr Planbarkeit und Kontinuität." Aktuell müsse man mit 25.000 Euro pro Standort und Jahr auskommen.

Stadtteilarbeit solle kein Politikum sein

Die zwölf Grazer Stadtteilzentren arbeiten seit einigen Jahren mit reduzierter Basisfinanzierung und vielen kleineren Einzelprojekten, die bei geringen Ressourcen bürokratisch aufwändiger geworden sind und in Summe damit schwerer zu organisieren sind. Das hängt mit einer Umstellung zusammen, die mit Wechsel der Wohn-Agenden von Elke Kahr (KPÖ) zu Mario Eustacchio (FPÖ) beschlossen wurden. "Ich verstehe nicht, warum Stadtteilarbeit in Graz ein derartiges Politikum ist", wundert sich Uni-Graz Soziologe mit Schwerpunkt auf partizipative Stadtteilentwicklung, Michael Wrentschnur. Eine weitere Forderung: "Die Verantwortlichkeit für Stadtteilarbeit soll nicht an einer Person hängen." Die Finanzierung der kleineren Einzelprojekte muss zudem nämlich vom jeweiligen Bezirksrat beschlossen werden. Der Blick in andere Städte mache neidisch: Er zeige, dass es in Wien und in Deutschland mehr Ressourcen und Selbstverständlichkeit für Stadtteilarbeit gäbe.

Immer wenn die Liegestühle vor dem Stadtteilzentrum Eggenlend draußen stehen, wissen die Bewohner, dass es offen hat. Viele beschweren sich, dass das vor einigen Jahren viel öfter der Fall war.  | Foto: Lisa Ganglbaur
Verantwortliche aus dem Arbeitskreis Stadtteilarbeit erklären ihre Forderungen: Hochschullektorin uund Sozialarbeiterin Marie-Therese Sagl,  Psychologe und Gemeinwesenarbeiter Wolfgang Kogler, Gesunheitswissenschafterin und Gemeinwesenarbeiterin Alena Strauss und Soziologe Michael Wrentschnur. | Foto: Lisa Ganglbaur
Push-Nachrichten auf dein Handy
MeinBezirk.at auf Facebook verfolgen
Die Woche als ePaper durchblättern
Newsletter deines Bezirks abonnieren

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.