Benimmregeln
"Rotzpippn" darf auch die Grazer Bürgermeisterin nicht sagen

Eher ruhige Sitzungen: Seit 2015 kam es im steirischen Landtag nur zu 14 Ordnungsrufen. | Foto: Foto Fischer/Land Stmk.
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Grazer Bürgermeisterin mit leisem Ausrutscher in der letzten Gemeinderatssitzung: MeinBezirk.at hat nachgefragt, was im Landtag und bei Gemeinderatssitzungen erlaubt ist.

STEIERMARK. Aus dem Nationalrat kennt man die berühmten Ordnungsrufe zur Genüge, in Hart bei Graz (Graz-Umgebung) wollte kürzlich der Bürgermeister, wohl widerrechtlich, einem Berufsfotografen das Fotografieren verbieten. Und auch im Grazer Gemeinderat kam es in der letzten Sitzung vor dem Jahresende zu einem verbalen Ausrutscher. Besonders pikant: Passiert ist dieser der Bürgermeisterin selbst: Elke Kahr (KPÖ) rief dem ÖVP-Gemeinderat Martin Brandstätter bei seinem Abgang vom Rednerpult leise, aber klar vernehmlich nach: "So eine Rotzpippn."

Geschäftsordnung wird wichtiger

Zum "Rotzpippen"-Sager der Bürgermeisterin gibt es übrigens ein Beweisvideo, diese Videos  dürfen aber laut städtischer Richtlinie, obwohl es sich um öffentliche Sitzungen handelt, nicht publiziert werden. Genau daran war der Disput zwischen Brandstätter und Kahr übrigens entbrannt.

So eine Rotzpippn!
Bürgermeisterin Elke Kahr zum VP-Gemeinderat

Der verbale Ausrutscher der KPÖ-Chefin wird allerdings ungeahndet bleiben. Da sie im Grazer Gemeinderat selbst den Vorsitz führt, kann sie sich schwerlich selbst maßregeln.

"Rotzpippen" sagt man nicht. Oder sieht das Bürgermeisterin Elke Kahr anders ...?
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"Ruf zur Ordnung"

Das bestätigt der Grazer Magistragsdirektor Martin Haidvogl, der die prinzipiellen Benimmregeln erläutert: Die Vorsitzende kann den Gemeinderätinnen und Gemeinderäten sowohl den "Ruf zur Ordnung" (bei Verletzungen des Anstands) als auch den "Ruf zur Sache" (wenn Redner oder Rednerin nicht zum Thema spricht) erteilen. Bei dreimaligem "Ruf" kann dem Redner oder der Rednerin das Wort entzogen werden. Dieser kann sich dann noch "zur Geschäftsordnung" melden, dann gibt es einen Gemeinderatsbeschluss, ob das Wort entzogen wird oder nicht. In seiner langjährigen Laufbahn könne Haidvogl sich aber an keinen solchen Fall erinnern. "Insgesamt wird die Geschäftsordung in den letzten Monaten aber wieder mehr Thema, das ist aber ja nichts Schlechtes", so Haidvogl. Prinzipiell sei das Klima im Grazer Gemeinderat nicht schlecht.

"Klima im Grazer Gemeinderat war schon schlechter", sagt der Grazer Magistratsdirektor Martin Haidvogl. | Foto:  Christian Probst, PID
  • "Klima im Grazer Gemeinderat war schon schlechter", sagt der Grazer Magistratsdirektor Martin Haidvogl.
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ÖVP fordert Entschuldigung

Da ein Ordnungsruf "in eigener Sache" in diesem Fall eben nicht möglich war, ist nun die Grazer ÖVP auf den Plan getreten und fordert die Bürgermeisterin auf, sich für ihre "verbale Entgleisung" zu entschuldigen:

Der Grazer VP-Chef Kurt Hohensinner formuliert klar die Aufforderung, Elke Kahr solle sich beim betroffenen Gemeinderat Martin Brandstätter entschuldigen. Sachlich-hart zu diskutieren sei demokratisch vertretbar, derartige Beschimpfungen allerdings nicht.

Und auch der (Korruptions-)Freie Gemeinderatsklub hält mit Kritik am Verhalten der Stadtchefin nicht hinterm Berg und legt sogar noch eins drauf: "Der Vorfall erinnert mich an eine Gemeinderatssitzung, in der Frau Kahr ohne zu zögern die Geschäftsordnung des Gemeinderates ausgesetzt hatte. Mit den Worten: 'es gibt jetzt keine Geschäftsordnung' hatte sie damals eine rege Diskussion unterbunden und mich maßgeregelt", erinnert sich Alexis Pascuttini zurück. Auch er fordert eine öffentliche Entschuldigung an den Gemeinderat Martin Brandstätter. Das sei wohl "das geringste Mittel zur Wiedergutmachung", so Pascuttini.

Land: 14 Ordnungsrufe in acht Jahren

MeinBezirk.at hat sich auch angeschaut, wie es um die Sitzungskultur auf Landesebene bestellt ist und ähnliches kann der steirische Landtagsdirektor Maximilian Weiss bestätigen, die Voraussetzungen sind dort jedoch andere: Die Sitzungen werden von Landtagspräsidentin Manuela Khom (ÖVP) geführt, die sich im Vorsitz mit ihren Stellvertretern Gabi Kolar (SPÖ) und Gerald Deutschmann (FPÖ)abwechselt.

Ortet gutes Gesprächsklima im steirischen Landtag: Landtagsdirektor Maximilian Weiss. | Foto: Brand Images
  • Ortet gutes Gesprächsklima im steirischen Landtag: Landtagsdirektor Maximilian Weiss.
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Die oder der Vorsitzende entscheidet im eigenen Ermessen, wie er mit eventuellen Ausrutschern der Abgeordneten oder Regierungsmitglieder umgeht. Der Ruf zur Ordnung und die Entziehung des Wortes sind auch auf Landesebene mögliche Maßnahmen. "Bei schwierigeren Themen beraten sich die drei Präsidenten miteinander", erläutert Weiss. Insgesamt ortet er einen disziplinierten Umgang der Mandatarinnen und Mandate mit ihrem Amt: "In den letzten zwei Perioden seit 2015 ist es nur zu 14 Ordnungsrufen gekommen", zitiert er aus der Landtagsstatistik.

"Lügner" und "Clown"

Auch welche Entgleisungen das waren, hält das Protokoll fest: Vier Mal ging es um eine Wortmeldung, dass "mit diesen Subjekten abzufahren sei", fünf Mal bezichtigte jemand einen politischen Mitstreiter der Lüge, Begriffe wie Pharisäer, Kinderschänder und Clown sind ebenso gefallen wie jener der "Nazi-Methoden". Insgesamt gilt: Hinter den Kulissen geht man deutlich freundschaftlicher miteinander um als auf der öffentlichen Politikbühne.

Das Wort "Rotzpippen":
Eine "Rotzpipn" zeichnet sich dadurch aus, dass sie meistens kleiner ist als durchschnittliche Menschen und vor allem aber auch dadurch, dass sie außergewöhnlich frech ist. Lehrer und Eltern, zum Beispiel, haben es manchmal mit Kindern zu tun, meistens allerdings mit Rotzpipn. Unsere deutschen Nachbarn würden diese Spezies vermutlich als Rotznase oder als Rotzlöffel bezeichnen.
Quelle: Deutsche Allgemeine Zeitung, Rafaela Lobaza

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