Die Fankultur und der Göttermythos
Ein Fußballmatch ohne Fangesänge – unvorstellbar. Sportphilosoph Kurt Salamun erklärt das Fan-Phänomen.
Wenn Sturm heute (20.30 Uhr) Salzburg im Cup-Viertelfinale zum Tanz bittet, werden wieder die so typischen Choräle inbrünstig durch die UPC-Arena geschmettert: „Wenn wir hier stehen sind wir wie benommen, die Schwoazn hab’m uns den Verstand genommen …“, „Samma schwoaz, samma weiß, samma Sturm …“. Die Banner in der Fankurve warnen drohend vor der „Grazer Sturmflut“ oder der "Brigata" – unermüdlich hüpfen, schreien und fiebern die Fans 90 Minuten lang mit ihrem SK Sturm. Eben ein typisches Heimspiel der Schwarz-Weißen. Solch ein Schauspiel zieht sich jedoch durch alle Stadien dieser Welt.
Was bewegt uns als Zuschauer dazu, egal, ob Sturm-, Dortmund- oder Arsenal-Fan, „unser“ Team lautstark anzufeuern? Sportphilosoph Kurt Salamun von der Uni Graz beschäftigt sich seit Jahren mit der Thematik: „Sport ist ein moderner Mythos und erfüllt die Funktion, die früher Heldenmythen hatten.“ So würden wir uns mit einem bestimmten Spielertyp anfreunden, sei es der Siegertyp, der ewige Zweite, der Stratege im Hintergrund oder der Kämpfer. „Wir können uns mit den Urtypen des Menschseins identifizieren.“
Der Urmensch und die Götter
Nicht nur der Urtypus, auch Ursituationen würden uns anziehen, meint der Experte. Ob als aktiver Spieler oder Zuschauer, der Kampf gegen Wind und Wetter, Zweikampf- oder Gruppenkampf-Situationen erinnern an die Triebstrukur des Menschen. „Es spiegeln sich Relikte aus früheren Entwicklungsstadien wider.“ Dabei stehe das Gemeinschaftsgefühl stets im Vordergrund, wobei für die Identifikation zur Gruppe egal sei, ob man Spieler oder Anhänger ist. Neben diesem starken Gruppenzugehörigkeitsempfinden, das uns Fanclubs beitreten lässt, biete der Sport eine Möglichkeit, moderne Götter anzuhimmeln, deren Stärke wir gerne hätten – der Heldenmythos lebt auf. „Außerdem“, so Salamun, „ist inzwischen einfach viel Show dabei, Fußball hat einen Eventcharakter." Und so wird es auch heute Abend in der UPC-Arena wieder mit Trompeten und Fanfaren erklingen: „Seht die Fahnen wehen, Tradition wird nie vergehen …".
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