Offene Lehrstellen
"Barrieren liegen eher in sozialen Kompetenzen"
Lehrlinge sind gefragter denn je. Damit der Berufseinstieg gelingt, braucht es nicht selten gezielte Unterstützung. Um zu erfahren, wie das vonstatten geht, hat MeinBezirk.at in der Serie "Die Gefragte Frau" mit Petra Terschan-Pöschl von Jugend am Werk gesprochen.
GRAZ/GRIES. Im Rahmen des Projekts "Überbetriebliche Lehrausbildung" (ÜBA) hilft Jugend am Werk Jugendlichen beim Einstieg in die Arbeitswelt. Warum dazu weit mehr nötig ist als das bloße Vermitteln von Lehrstellen, welchen Stellenwert Individualität und Geschlechterrollen haben, verrät Teamleiterin Petra Terschan-Pöschl im Gespräch mit MeinBezirk.at.
Unter welchen Voraussetzungen kommen junge Menschen zu Ihnen?
Zu uns werden Jugendliche vom Arbeitsmarktservice geschickt, wenn sie keine Lehrstelle finden oder nicht halten können. Dazu gehören auch viele, die bereits Berufsorientierungsmaßnahmen absolviert haben, wobei sich gezeigt hat, dass es einen erhöhten Unterstützungsbedarf gibt.
Welche Unterstützung erhalten die Jugendlichen konkret?
Grundsätzlich gibt es "die Jugendlichen" als solches nicht. Es gibt den Jugendlichen mit seinen Bedürfnissen und wir kümmern uns darum, dass er selbstwirksam werden kann. Dabei gehört mehr dazu, als bloß eine Lehrstelle zu vermitteln. Wir schauen uns Hintergründe und Bildungsbiografien an – welche Barrieren es dort gibt, um sie abzubauen. Hat jemand eine Lernschwäche, gibt es mehr Lernunterstützung. Wenn eher psychosoziale Problemlagen vorliegen, mehr Einzelcoachings. Je nach Bedarf sind ÜBA-Mitarbeiterinnen in den Betrieben, leisten dort Sensibilisierungsarbeit, reden mit Eltern oder Bezugspersonen und nehmen mit Berufsschulen Kontakt auf.
Warum suchen junge Menschen Arbeit, obwohl Betriebe keine Lehrlinge finden?
Ich würde sagen, weil sich die Erwartungen am freien Arbeitsmarkt nicht immer mit dem decken, was Jugendliche im ersten Schritt erfüllen können. Freilich gibt es viele junge Menschen, die uns für den Berufseinstieg nicht brauchen. Wenn aber in gewissen Bereichen Defizite bestehen, ist Unterstützung essenziell. Ohne diese hilft es auch nicht, wenn es noch so viele freie Lehrstellen gibt. Oft liegen die Hauptbarrieren eher in den sozialen Kompetenzen als in den fachlichen. Diese gilt es zu erarbeiten, um die Person zu befähigen, einem Beruf nachzugehen.
Welche Erlebnisse sind Ihnen in Erinnerung geblieben?
Da gibt es sehr viele. Mir fällt zum Beispiel der erste Teilnehmer ein, den ich begleitet habe. Er hat Koch gelernt, seine Leidenschaft weiterverfolgt und arbeitet mittlerweile in einem Grazer Sterne-Restaurant. Aber Erfolg kann – je nach dem persönlichen Hintergrund – sehr vieles sein, nicht nur ein positiver Lehrabschluss oder eine Arbeitsaufnahme. Letztlich geht es darum, berufliche Perspektiven zu schaffen, dazu gehört es, eine Persönlichkeitsentwicklung anzustoßen.
Haben Geschlechterrollen bei jungen Menschen noch eine große Bedeutung?
Je geringer das Bildungsniveau, umso stärker sind traditionelle Rollen verhaftet. Wir arbeiten meist mit Jugendlichen, die eher aus bildungssystemfernen Milieus stammen. Dort ist das Aufbrechen von Geschlechterrollen noch gar nicht angekommen. In der ÜBA setzen wir gezielte Maßnahmen, um zu sensibilisieren, indem wir bewusst Workshops anbieten, bei denen gezeigt wird, dass auch Frauen in sogenannten Männerberufen oder Führungspositionen arbeiten können. Wir versuchen stets Vorbild zu sein – was das Geschlechterverhältnis angeht, sind wir sehr gut ausgeglichen. Es ist wichtig, dass es männliche und weibliche Vorbilder und Bezugspersonen gibt. Uns ist bewusst, dass wir von den Jugendlichen permanent beobachtet werden. Wie wir miteinander umgehen, ist etwas, das nachhaltig Wirkung entfaltet.
Steckbrief: Petra Terschan-Pöschl
... studierte Pädagogik und ist seit acht Jahren bei Jugend am Werk tätig, wo sie als Sozialpädagogin und Berufsausbildungsassistentin begonnen hat. Inzwischen ist sie am Grazer Gürtelturmplatz Teamleiterin bei den Projekten "BeTrain" (Eingliederung von Menschen mit Sehbehinderung oder körperlichen Einschränkungen in den Arbeitsmarkt) und "Überbetriebliche Lehrausbildung Graz".
Bei Letzterem werden, finanziert durch das Arbeitsmarktservice, lehrstellensuchende Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren dabei unterstützt, in die Berufswelt einzusteigen. Ziel ist die Übernahme in ein reguläres Lehrverhältnis durch einen Betrieb.
MeinBezirk.at-Wordrap
- Jugendliche brauchen ... Nähe und Beziehung.
- Bildung wird in Zukunft ... noch ein spannendes Thema werden.
- Erfolg bedeutet für mich, ... Möglichkeiten zu schaffen.
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