Kritische Zeiten
Der Boom am steirischen Immobilienmarkt ist vorbei
Nach Jahren des Steigflugs bremst sich der Immobilienmarkt in der Steiermark massiv ein. Dennoch sehen Experten gute Chancen, auch in schwierigeren Zeiten sinnvoll investieren zu können.
STEIERMARK. Man stehe nun rund ein Jahr nach dem Auftakt der Zinserhöhungen, die auch den Immobilenmarkt massiv beeinflusst haben, analysiert der Marktvorstand der Raiffeisen Steiermark Rainer Stelzer – ein guter Zeitpunkt um mittels des "Raiffeisen-Immobilienreports" eine Zwischenbilanz zu ziehen. Es lasse sich erkennen, so Stelzer, dass die Schaffung eines Eigenheims, die Neugestaltung der Wohnung, die Sanierung und Senkung der Betriebskosten oder eine Immobilie als Wertanlage nach wie vor hoch im Kurs stehe würden. Die Voraussetzungen hätten sich aber nachhaltig verändert.
Weiterhin Arbeitskräftemangel
Matthias Reith, Leiter von "Immobilienresearch" bei Raiffeisen bringt es auf den Punkt: "Ein ungebremstes ,weiter so‘ wie in den letzten Jahren wird es nicht mehr geben. Zwar gebe es vom Arbeitsmarkt einen guten Rückenwind, dennoch sei der Arbeitskräftemangel nach wie vor der limitierende Faktor Nummer eins. Und: "Die Zahl der Menschen in Teilzeitbeschäftigung steigt, die Anzahl derer, die Überstunden leisten wollen, sinkt." Eine immer weiter aufgehende Schere, die bereits einen Unterschied von 125.000 Arbeitskräften ausmacht.
Insgesamt sei, so Reith, aus dem Rückenwind seit dem zweiten Halbjahr 2022 ein handfester Gegenwind geworden. Zinswende und regulatorische Zeitenwende hätten zu einer preislichen Vollbremsung geführt, Erstmals seit 2011 gab es Ende 2022 eine Verbilligung von Wohneigentum um fast zwei Prozent. Der Experte erwartet noch weitere Rückgänge, allerdings: Wohneigentum wird wohl dennoch teurer bleiben als vor der Pandemie.
Immo-Zinsen steigen auf 5 Prozent
Gegen einen weiteren "Sturzflug" der Preise sprechen aus seiner Sicht mehrere Gründe: Das größte Risiko für den Markt sind die Zinssteigerungen. Variable Immo-Kredite würden wohl noch bis auf 5 Prozent ansteigen, bereits im Sommer wird es zu weiteren Erhöhungen kommen. Das führe dazu, dass sich bei kreditfinanziertem Erwerb eines Einfamilienhauses im laufenden Jahr die Ausgaben für Zins und Tilgung heuer auf 47 Prozent eines durchschnittlichen monatlichen Netto-Haushaltseinkommens belaufen, 2021 lag die Quote noch bei 30 Prozent des Netto-Einkommens. Daher ist auch die Nachfrage nach finanziertem Wohnraum eingebrochen. Noch seien Immobilien aber leistbar, daher würde der Markt nicht ins Wanken kommen.
Auch die Demographie spricht weiterhin für einen stabilen Markt: Die Zahl der Haushalte wird in Österreich leicht, aber dennoch ansteigen. Im Gegensatz dazu wird das Wohnangebot nicht mehr in diesem Ausmaß ansteigen, die Zahl der Baugenehmigungen ist massiv zurückgegangen, sprich: Es wird heuer deutlich weniger gebaut werden.
Last, but not least: Nachdem der Eigentumserwerb erschwert wird, wird der Mietmarkt großer Profiteur der Entwicklung sein, der Abwärtstrend bei den Mietrenditen wird heuer durchbrochen. Das erhöht die Attrativität am Anlegermarkt.
Teuer wohnen im Westen, billig im Osten
Ein Blick auf den österreichischen Immobilienmarkt zeigt, dass es nach wie vor ein starkes West-Ost-Gefälle (mit der Ausnahme Wien) gibt. Tirol, Salzburg, Vorarlberg und eben Wien sind die Hochpreis-Länder, deutlich billiger wohnt es sich in der Steiermark, in Kärnten und im Burgenland. Zum Vergleich: Ein Einfamilienhaus in Tirol wurde während der Pandemie um 16 Prozent teurer, in der Steiermark "nur" um 8 Prozent. Was die Steiermark ein wenig behindert: Der Bevölkerungszuwachs ist nur in Kärnten geringer, alle anderen Bundesländer legen stärker zu.
Graz und Umland boomt
Aber Steiermark ist nicht gleich Steiermark. Ein Umstand, der in besonderem Maße für die demografische Entwicklung gilt. Denn während Graz und dessen Umland (Graz-Umgebung) mit jeweils +1,2 Prozent im Jahr auch im Österreichvergleich zu den am schnellsten wachsenden der 94 Bezirke zählen, rangieren neun der 13 steirischen Bezirke im untersten Drittel. Mit Murau (2013-2022: ø -0,6 % p.a.) stellt die Steiermark sogar das österreichweite Schlusslicht. Die „demografische Dominanz“ der Landesshauptstadt ist somit augenfällig und auch verglichen mit den übrigen Bundesländern bemerkenswert, ist doch das „Demografie-Gefälle“ in fast keinem Bundesland größer.
Tipps um zukunftsfit zu werden
Andreas Glettler, Geschöftsführer bei Raiffeisen Immobilien, bleibt jedenfalls realistisch und vorsichtig optimistisch: "Es sind Zeiten des Umbruchs, die Hochphase ist vorbei. Aber man kann jetzt die Zeit nutzen, um zukunftsfit zu werden." Die Anzahl der Angebote am Markt steigt, deshalb rät er den kaufwilligen Steirern: "Abwarten, schauen und vergleichen." Es würden sich auch jene leichter tun, die flexibel sind und sich nicht auf das "eine Traumobjekt" fixieren. Auf der Verkäuferseite empfiehlt er unter anderem Augenmerk auf Betriebskosten zu legen, einen realistischen Verkaufspreis anzugeben und optische und energietechnische Verbesserungen vorzunehmen.
Vorstand Stelzer hält abschließend fest: „Die Investition in die eignen vier Wände spart langfristig Kosten und hebt die Lebensqualität“. Vor diesem Hintergrund weist der Raiffeisen Immobilien-Report der Steiermark einen gewissen „Wettbewerbsvorteil“ gegenüber anderen Bundesländern aus. „Die Steiermark ist im Vergleich zu anderen Bundesländern ein günstigeres Pflaster. Für Käufer und Verkäufer bieten sich daher chancenreiche Zeiten am steirischen Immobilienmarkt."
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