Hartberg-Fürstenfeld
Apfelbauern: die letzten ihrer Art?

Peter Koller erzählt in seinem Apfelgarten in Kleinlungitz bei Grafendorf von den aktuellen Herausforderungen der heimischen Apfelbauern. | Foto: Jeitler
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  • Peter Koller erzählt in seinem Apfelgarten in Kleinlungitz bei Grafendorf von den aktuellen Herausforderungen der heimischen Apfelbauern.
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Die Gemengelage, in der sich die heimischen Apfelbauern derzeit wiederfinden ist komplex und und treibt so manchem Produzenten vor Sorge eine Anzahl von Falten ins Gesicht, wie man sie sonst nur von einem Apfel nach vielen Tagen Raumtemperatur kennt. Obstbauern aus Hartberg-Fürstenfeld zeigen Lösungswege und stellen konkrete Forderungen auf. 

Weniger Anbauflächen und Betriebe

Die Situation ist nicht neu: seit 2010 gingen die Anbauflächen für Äpfel in der Steiermark um fast 25% zurück. Seitens der Landwirtschaftskammer Hartberg verzeichnete man von 2017 auf 2023 15 Prozent weniger Betriebe im Bezirk.

Obstbaumeister und Landeskammerrat Josef Singer aus Untertiefenbach zeichnet ein dramatisches Bild:

„Vor 20 Jahren waren wir noch 35 Schüler in der Obstbauschule. Heute sind es gerade einmal vier.“

Wenn sich die Lage nicht ändert, befürchtet Singer, dass wir es derzeit mit der „letzten Generation von Obstbauern“ zu tun haben könnten.

Die Vorgeschichte

Besonders im Gefolge der ersten Russland-Sanktionen 2014 sanken die Erlöse der Apfelbauern drastisch, da billiger produzierte Ware aus Polen – dem ehemaligen Hauptexporteur nach Russland – den heimischen Markt zu überschwemmen begann.

Betriebe, die diese Herausforderung noch meistern konnten, stehen nun vor neuen: Nach wie vor sinkende Erlöse, steigende Produktionspreise und Ernteausfälle machen den steirischen Apfelbauern zu schaffen. So stellt sich abermals für viele die Frage: „Weitermachen, oder zusperren?“.

Werksstolz und Nachdenklichkeit: Peter Koller befürchtet auch für die diesjährige Ernte Einbußen in den Erlösen, da zu viele Äpfel nicht das hehre Handels-Ideal aufweisen - im Gegensatz zu dieser Kiste der Sorte "Gala". | Foto: Jeitler
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Geringere Erlöse, keine Anpassung an Inflation

Laut Peter Koller, selbst Apfelproduzent in dritter Generation in Kleinlungitz bei Grafendorf, dürften die gerade eintreffenden Endergebnisse in den Erlösen für die Apfelernte 2022 um 5 Prozent geringer ausfallen, als im Jahr davor.

Zudem gab es bei den Zahlungen auch keine Anpassung an die Inflation, was das real wirksame Minus noch dicker werden lässt. Gleichzeitig leben aber natürlich auch die Landwirte selbst in einer Zeit der Teuerung, was auch ihre Produktionskosten erhöht.

Die Apfelernte ist am Obsthof von Peter und Waltraud Koller bereits in vollem Gange. | Foto: Jeitler
  • Die Apfelernte ist am Obsthof von Peter und Waltraud Koller bereits in vollem Gange.
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Kein Aufbau von Rücklagen möglich

Landeskammerrat Singer geht davon aus, dass sich ein Nullsummenspiel einstellen wird – und das auch nur für jene Landwirte, die noch eine halbwegs gute Ernte 2022 einfahren konnten. Nach der Endabrechnung würden „die besseren Betriebe auf circa € 20.000 Umsatz kommen und werden somit gerade kostendeckend abschließen können“, erklärt er.

Ein kostspieliges Langzeitprojekt

Besonders hart trifft es jetzt jene Produzenten, die in den letzten Jahren größere Investitionen tätigten. Das muss nicht immer der neue Verkaufsladen sein. Denn Apfelbau an sich ist immer ein Langzeitprojekt. Es vergehen fünf Jahre, ehe ein frisch gepflanztes Bäumchen ausreichend Früchte auf den Ästen und damit auch in der Kassa des Produzenten trägt.

So viel kostet eine neue Anlage im Apfelanbau

  • Die Kosten für eine ein Hektar große Neuanlage liegen je nach Sorte zwischen €45.000 und €60.000.

  • Im Schnitt sind nach 15 Jahren bereits die Hagelnetze zu tauschen. Spätestens dann müssten nicht nur die Kosten für die Neuanlage erwirtschaftet sein, sondern auch schon wieder neue Rücklagen aufgebaut worden sein.

  • Nach 20 Jahren verschlimmert sich das Problem zusätzlich, denn dann können die Bäume nicht mehr mit der notwendigen Zuverlässigkeit die vom Handel geforderte Qualität liefern.

Mit einem Blick auf die schwierigen Anbaubedienungen der letzten 15 bis 20 Jahre und die zusätzliche Konkurrenz an Billigware aus Polen seit 2014 wird klar, warum viele in der Branche nun ans Aufhören denken oder es bereits getan haben.

Handelsqualität und Preise

Kostendeckendes und zukunftsorientiertes Wirtschaften ist nur mit Äpfeln der Klasse 1 möglich: Ein Kilo Äpfel kostet in der Produktion an die 60 Cent. Für Äpfel der besten Qualität werden derzeit 70 Cent pro Kilo an die Bauern ausbezahlt. Bei Früchten der Klasse zwei schrumpft der Erlös bereits um die Hälfte und für Industrieäpfel gibt es gar nur mehr 7 bis 10 Cent pro Kilo.

Berostung: Der rechte Apfel ist zwar nähstoffreicher, aber der Linke gefälliger für das Auge. Deshalb erzielt der Produzent mit dem rechten auch nur den halben Erlös von seinem makellosen Bruder. | Foto: Jeitler
  • Berostung: Der rechte Apfel ist zwar nähstoffreicher, aber der Linke gefälliger für das Auge. Deshalb erzielt der Produzent mit dem rechten auch nur den halben Erlös von seinem makellosen Bruder.
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Das Problem mit dem Frost

Obstbauer Josef Koller erklärt im Interview in seinem Apfelgarten, wie schnell der Abstieg von der Klasse 1 auf die darunter liegenden geht: "Da reicht schon ein Frostjahr wie heuer aus. Denn dann nimmt der Blütenboden und damit die spätere Schale Schaden.“ Es entstehen so genannte Frostzungen – raue, braune Stellen an der Schale, die man auch „Berostung“ nennt.

So viel bekommen die Produzenten für ihre Äpfel
Anmerkung: Die angegebenen Werte stellen den Durchschnitt der Branche pro Kilo dar.
KlasseMerkmaleErlös pro Kilo
Klasse 1makellos
>70 Prozent gefärbt
60-70 Cent
Klasse 2leichte Berostung 35 Cent
Industrieapfel stärkere Berostung 7-10 Cent

Wichig:
  • Die Produktionskosten belaufen sich auf 60 Cent pro Kilo.
  • Der durchschnittliche Erlös für eine ganze Ernte beträgt derzeit in etwa 45 Cent pro Kilo.
  • Damit fehlen den Betrieben 15 Cent, um alle Kosten zu decken.
  • Der Aufbau von Geldmitteln für zukünftige Investitionen, wie zB. eine neue Apfel-Anlage, ist damit nicht möglich.

    Im Handel geht Schönheit vor Nährwert

    Der Makel ist jedoch nur optischer Natur, vom Nährwert her wären diese Äpfel sogar besser, klärt Josef Singer auf: „Tatsächlich ist die Berostung sogar ein Qualitätsmerkmal. Denn diese entsteht durch Stress in der Frucht und sie bildet dadurch mehr Nährstoffe wie Vitamine und Antioxidantien“. Trotzdem kann der Bauer diesen gesünderen Apfel nur um den halben Preis seines optisch makellosen Kollegen verkaufen.

    Beispiel für Berostung: hier eine markante Frostzunge. | Foto: Jeitler
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    Direktvertrieb und Tourismus helfen Apfelbauern in Hartberg-Fürstenfeld

    Im Durchschnitt der Gesamternte erzielen jene Apfelbauern, die nur an den Handel weiterverkaufen, Erlöse von 45 Cent pro Kilo. Damit fehlen 15 Cent auf die glatte Null, es entstehen Verluste.

    Besser durch die Apfel-Krise kommen Betriebe, die bereits ein zweites Standbein im Direktvertrieb und in der Obstveredelung aufbauen konnten. Hartberg-Fürstenfeld hat im steiermarkweiten Vergleich einen relativ hohen Anteil an Direktvermarktern, weshalb Produzenten hier wirtschaftlich stabiler dastehen, als in manch anderen, steirischen Bezirken, wie der Chef der Landwirtschaftskammer Hartberg, Herbert Lebitsch zu berichten weiß. Auch Tourismus durch „Urlaub am Bauernhof“ lässt viele Betriebe im Bezirk die aktuelle Lage besser bewältigen.

    Ein Aufbau dieser Geschäftsfelder ist jedoch nicht überall möglich oder sinnvoll, sondern stark abhängig von der geografischen Lage des Betriebs. 

    Laie vs. Profi

    Drei beliebte Fehlannahmen zum Apfelanbau und ihre Richtigstellung.

    Der Laie meint...vs.Der Profi weiß...
    Frost führt zu einer kleineren Ernte.vs.Die Ernte wird durch Frost zwar insgesamt geringer, das oft noch größere Problem ist aber, dass Frost zu Schäden im Blütenkörper führt, die später die Optik der Schale beeinträchtigen. Diese Äpfel können dann nur mehr zu einem viel geringeren Preis als optisch einwandfreie verkauft werden.
    "Aber die Bäume tragen ja doch überall."vs. Bis zu 30 Prozent weniger Früchte am Baum sind für den Laien gar nicht zu erkennen. Zusätzlich kommt es nicht nur darauf an, dass die Bäume tragen, sondern auch in welcher Qualität.
    Regen ist immer gut für die Ernte. vs. Zu viel Regen schwemmt die Nährstoffe, welchle die Bäume für die Früchte brauchen, aus dem Boden. Die Äpfel fallen kleiner aus und sind nicht so lange haltbar.

    Die Mission: Anteil an Verkaufserlösen erhöhen

    Damit bleibt die zentrale Forderung der Obstbauern eine Anhebung ihrer Verkaufspreise an die großen Handelsketten. Diese Forderung solle aber ohne Nachteile für die Konsumentinnen und Konsumenten erfüllt werden. Viel mehr wünscht man sich einen größeren Anteil an den Verkaufserlösen im Lebensmittelhandel.

    Derzeit gehen weniger als 25 Prozent des Preises, den Konsumenten an der Kasse bezahlen, an die Produzenten. „Ideal wäre eine Drittellösung“, so Koller und meint damit dass ein Drittel an die Produzenten, ein Drittel an Erzeugergenossenschaften und andere private Händler und ein Drittel der Erlöse an den Lebensmitteleinzelhandel gehen sollen.

    Zu viele Anbieter für zu wenige Großabnehmer

    Einig sind sich Singer und Koller auch darin, dass dieses Ziel nur erreicht werden könne, wenn das Angebot Seitens Produktionsgemeinschaften und privater Anbietern gebündelt würde.

    Österreichweit stehen derzeit 20 derartige Anbieter fünf großen Handelsketten gegenüber. Daraus resultiert ein ständiger Preiskampf, da sich immer ein Anbieter finden ließe, der die Ware günstiger als die Konkurrenz an die Handelsketten verkauft.

    Die heimischen Obstbauern liefern derzeit an österreichweit 20 Zwischenhändler: entweder Erzeugergenossenschaften oder private Anbieter. Diese verkaufen u.a. an die fünf großen Handelsketten des Landes. Die Konkurrenz unter den Zwischenhändlern ist enorm. | Foto: Jeitler
    • Die heimischen Obstbauern liefern derzeit an österreichweit 20 Zwischenhändler: entweder Erzeugergenossenschaften oder private Anbieter. Diese verkaufen u.a. an die fünf großen Handelsketten des Landes. Die Konkurrenz unter den Zwischenhändlern ist enorm.
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    "Modell Südtirol" als möglicher Lösungsweg

    Für Josef Singer und Peter Koller wäre das „Modell Südtirol“ der Lösungsweg ihrer Wahl. Hier schlossen sich bereits vor Jahren sämtliche Anbieter zu zwei großen Verbänden zusammen. "Es gibt einen für rote Äpfel und einen für gelbe.", erklärt Singer. Somit liefert praktisch jeder Betrieb an beide Zwischenhändler.

    Durch diese Bündelung könne man viel selbstbewusster die Interessen der Produzenten gegenüber dem Handel vertreten und so auch bessere Verkaufspreise erzielen. Allein dieses Modell könne die derzeit fehlenden 10 bis 15 Ct pro Kilo Äpfel einbringen, so Singer. „Wenn sich dann auch noch die Packhäuser zu großen Zentren zusammenschließen würden, könnte man noch effizienter arbeiten und auch strategisch besser verkaufen“.

    David sammel dich! So könnte man die Forderung der heimischen Obstbauern auch formulieren. Durch einen Zusammenschluss aller Zwischenhändler wie im Modell Südtirol könnten die Interessen aller, die an der Produktion und Lagerung der Äpfel beteiligt sind, deutlich besser vertreten werden. | Foto: Jeitler
    • David sammel dich! So könnte man die Forderung der heimischen Obstbauern auch formulieren. Durch einen Zusammenschluss aller Zwischenhändler wie im Modell Südtirol könnten die Interessen aller, die an der Produktion und Lagerung der Äpfel beteiligt sind, deutlich besser vertreten werden.
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    Bald mit vereinten Kräften?

    Dass diese Lösung tatsächlich umgesetzt wird, liegt aber noch in weiter Ferne. Denn gerade durch die jetzige Konkurrenz-Situation können private Anbieter, die sich auf eine Billigpreis-Strategie fokussieren, wirtschaftliche Erfolge erzielen. Und auch die Lebensmittelketten wissen diese Lage geschickt für sich zu nutzen.

    All das geht aber freilich zulasten all jener Anbieter und deren Produzenten, die mit diesen Billigpreisen nicht mithalten können oder – zum Schutz der Bauern – auch nicht wollen.

    Seine Majestät, der "Kronprinz Rudolf": für viele der Inbegriff von Heimeligkeit, für die Produzenten allerdings eine Diva. | Foto: Jeitler
    • Seine Majestät, der "Kronprinz Rudolf": für viele der Inbegriff von Heimeligkeit, für die Produzenten allerdings eine Diva.
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    Forderung an die Politik

    „In Südtirol geschah diese Bündelung auch nicht auf freiwilliger Basis, sonder durch politische Maßnahmen.“, formuliert Singer eine klare Forderung an die zuständige Politik. „ Zuerst waren auch nicht alle Anbieter glücklich, aber mittlerweile sind die Südtiroler wirtschaftlich so stark, dass sie sich sogar kostspielige TV-Werbung in Deutschland leisten können, während hierzulande schon Zeitungswerbung eine kaum einzugehende finanzielle Belastung darstellt.“, gibt er zu denken.

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