Innsbruck, Mayrhofen, Kirchbichl, Imst
Menschliche Schicksale als Beitrag zur Erinnerungskultur

2.9.1940: Jan Kosnik (li.) kurz vor seiner Hinrichtung, Wolfram Schegel (SS) und SS-Sturmbandführer und Gestapo-Chef Werner Hilliges. | Foto: Privatarchiv R. Hofmann, Bestand Tangl, StudienVerlag
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  • 2.9.1940: Jan Kosnik (li.) kurz vor seiner Hinrichtung, Wolfram Schegel (SS) und SS-Sturmbandführer und Gestapo-Chef Werner Hilliges.
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Die geschichtliche Aufarbeitung führt nach Tirol, Polen und der Sowjetunion. Horst Schreiber analysiert in vier Beiträgen über Opfer und Täter die terroristische Seite des Nationalsozialismus und ihre Aufarbeitung nach 1945. Das Werk "Liebesverbrechen, Zwangsarbeit und Massenmord" ist im StudienVerlag erschienen.

INNSBRUCK. Horst Schreiber entführt in seinem neuen Werk die Leserinnen und Leser nach Tirol, Polen und der Sowjetunion. Dabei spielen die Orte Innsbruck, Mayrhofen, Kirchbichl und Imst eine zentrale Rolle. Im Band 29 der Studien zur Geschichte und Politik geht es um einen Massenmörder und Mitglied einer SS-Brigade, die Kriegsverbrechen beging, die Hinrichtung von Angehörigen im Arbeitserziehungslager Reichenau und der Hinrichtung von zwei Männern in Kirchbichl. Schreiber erzählt den Werdegang von Tätern und Opfern. Beispielhaft für eine Zeit des Schreckens,

Der SS-Oberscharführer aus Innsbruck

Josef Schwammberger wurde 1912 in Brixen geboren und kam 1914 mit seiner Familie nach Innsbruck, erst in die Kapuzinergasse, dann in der Pembaurstraße. Er besuchte die Volksschule Dreiheiligen und die Bürgerschule in der Leopoldstraße und begann eine Lehre in der Farbhandlung Murauer in der Andreas-Hofer-Straße. Anschließend war er Gehilfe im Betrieb für Sprengmaterialien von Theodor Frank. Am 18. April 1933 trat Schwammberger in die SS und NSDAP ein. Im September 1933 verlor er die österreichische Staatsbürgerschaft und bekam 1935 die deutsche. Am 1.12.1938 kehrte Schwammberger nach Innsbruck zurück und arbeitete im Personalbüro der "Deutschen Arbeitsfront". "Der Tiroler SS-Oberscharführer Josef Schwammberger leitete drei Lager in Polen. Er war sadistischer Exzesstäter, Massenmörder und Akteur des Holocaust."

"Schwammberger zwang oft junge Mädchen, die man aus den Bunkern hereingebracht hatte, sich nackend auszuziehen und dann in eine ausgeschaufelte Grube zu springen. Die Mädchen, die in die Grube zu springen gezwungen waren, wurden dann von Leuten des Schwammberger erschossen." Zit. n. Greiser, Der Kommandant Josef Schwammberger, S. 121

Josef Schwammberger im JAhr 1939 | Foto: BA Berlin/Schreiber
  • Josef Schwammberger im JAhr 1939
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1948 gelang ihm die Flucht aus dem Entnazifizierungslager „Oradour“ in Schwaz nach Argentinien. 1990 konnte er in Stuttgart vor Gericht gestellt werden. Am 18.5.1992 gab es das Urteil: Schwammberger wurde in sieben Fällen wegen des Mordes an 25 Männern und Frauen und in 32 Fällen wegen der Beihilfe des Mordes an 641 Menschen, die er aus eigene Machtvollkommenheit, niedriger Gesinnung oder Sadismus begangen hatte, zu lebenslanger Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Schwammberger starb am 3.12.2004 im Vollzugskrankenhaus der Festung Hohenasperg.

Der Ort ist eines angemessenen Gedenkens an die Opfer nicht würdig.

Mayrhofen, Kirchbichl, Imst

Franz Hausberger, Bürgermeister von Mayrhofen 1968–1982, war Mitglied der 1. SS-Infanterie-Brigade, die in der Ukraine und Belarus tausende Jüdinnen und Juden erschoss. 1984 geriet eine touristische Werbefahrt von Hausberger und dem „Mayrhofner Trio“ nach Miami Beach zum Fiasko, als seine Zugehörigkeit zur 1. SS-Infanterie-Brigade aufflog. 1940 erhängte die Gestapo in Kirchbichl zwei polnische Arbeiter der TIWAG wegen verbotener Beziehungen. Die einheimischen Frauen deportierte sie in die KZ Ravensbrück und Auschwitz. Die Abläufe in Kirchbichl waren im Gau Tirol-Vorarlberg das Modell für weitere Exekutionen wegen „Liebesverbrechen“. Daher dokumentierte die Gestapo die Morde fotografisch. Acht russische und ukrainische Zwangsarbeiter wurden 1944 im Arbeitserziehungslager Reichenau erhängt. Sie hatten nach ihrer Flucht Widerstand organisiert und waren im Arzler Wald bei Imst in eine tödliche Auseinandersetzung mit Einheimischen geraten.

Das Buch
Horst Schreiber
„Liebesverbrechen“, Zwangsarbeit und Massenmord
NS-Täter und Opfer in Tirol, Polen und der Sowjetunion
Reihe: Studien zu Geschichte und Politik, Band: 29
Euro 26,90, ISBN 978-3-7065-6285-0, 208 Seiten, gebunden
Link zum StudienVerlag

Das Buch | Foto: StudienVerlag

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